Donnerstag, 31. Mai 2012

Moonrise Kingdom

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

In den Filmen des Texaners Wes Anderson werden Ironie, Skurrilität und Aussenseitertum gross geschrieben. Auch in Moonrise Kingdom, seinem siebten Werk, finden sich diese Aspekte, werden aber durch Romantik und Nostalgie ergänzt. Das Resultat? Wunderschönes Indie-Kino!

Irgendwo vor der Küste New Englands liegt eine kleine Insel ohne gepflasterte Strassen, dafür mit Maisfeldern, Wäldern und einem See. Das Jahr ist 1965 und im Pfadfinderlager "Ivanhoe" beginnt ein ganz normaler Tag. Lagerleiter Ward (Edward Norton) inspiziert die verschiedenen Projekte, zählt seine Schützlinge durch, setzt sich an den Frühstückstisch und merkt, dass einer fehlt: Das unbeliebte Waisenkind Sam (Jared Gilman) ist geflohen. Ward alarmiert die örtliche Polizei, bestehend aus Captain Sharp (Bruce Willis), der sogleich sämtliche Familien der Insel aufsucht, um nach Sam zu fragen. Zuletzt klingelt er an der Tür des Anwaltsehepaars Bishop (Frances McDormand und Bill Murray), wohnhaft in "Summer's End". Doch auch sie geben an, nichts gesehen zu haben, nicht ahnend, dass ihre Tochter Suzy (Kara Hayward) ebenfalls verschwunden ist. Suzy und Sam haben sich bei einer Theatervorführung ineinander verliebt und wollen nun zusammen sein – den Einwänden der fiesen Pfadfinder, der Bishops und des "Sozialamts" (Tilda Swinton) zum Trotz.

Wes Anderson wird gerne vorgeworfen, seine Filme seien nur darauf angelegt, die vielen ungeliebte, wenn nicht sogar verhasste, Hipster-Subkultur zu befriedigen, jene meist jungen Leute, die sich vor dem Mainstream ekeln und sich oft schwelgerisch auf eine Vergangenheit zurückbesinnen, die sie selber gar nicht erlebt haben. Moonrise Kingdom wird diese Anschuldigungen eher verstärken denn entkräften. Anderson spielt Benjamin Britten, Hank Williams und Françoise Hardy; er zitiert The Shawshank Redemption und Harold and Maude. Diese Assoziationen sind eingebettet in eine Geschichte, die in Sachen Idealismus und Aufrichtigkeit alles übertrifft, was in Andersons Œuvre bis dato zu sehen war. Er und Co-Autor Roman Coppola, Sohn von Francis Ford Coppola (The Godfather), haben eine hinreissende, von herrlichen, oft im Hintergrund stattfindenden Eigenheiten, durchsetzte Ode an die Kindheit geschaffen.

Aufbruchstimmung: Die Ausreisser Sam (Jared Gilman) und Suzy (Kara Hayward) suchen einen Ort, an dem sie vor den Erwachsenen sicher sind.
In dieser Welt, in der die Erwachsenen sich auf die doch ziemlich überdrehte Suche nach den flüchtigen Kindern einlassen und sich dabei um ein Vielfaches kindischer verhalten als der eigene Nachwuchs, finden sich nicht nur schräge Charaktere wie Jason Schwartzmans beredter Pfadfinderleiter/Trickbetrüger, Harvey Keitels Quasi-General und Bob Balabans phlegmatischer Erzähler. Moonrise Kingdom, obwohl immer auf sublim-skurrile Weise lustig, ist eine äusserst gefühlvolle Angelegenheit, auch hinsichtlich seiner Nebenfiguren. Die Ehekrise der Bishops wird mit enormem Scharfsinn in wenigen Worten zusammengefasst; ebenso das unerfüllte Leben des Captain Sharp. Im Mittelpunkt allerdings steht die Liebe zwischen Sam und Suzy, bewundernswert gespielt von Jared Gilman und Kara Hayward. Beide sind zwar erst zwölf Jahre alt und verhalten sich manchmal wie kleiner Bruder und grosse Schwester, doch in ihren gemeinsamen Szenen blüht echte Romantik auf – grossartig die Szene, in der das Paar zu Françoise Hardys "Le temps de l'amour" tanzt –, gepaart mit vorpubertärer Unsicherheit. Moonrise Kingdom ist eine Fantasie, doch eine, auf die man sich nur zu gerne einlässt.

★★★★★

1 Kommentar:

  1. Absolut genialer Film...Wes Anderosn übertrifft sich mit jedem neuen Film selbst

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