Donnerstag, 21. Juni 2012

Happy, Happy

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Das norwegische Kino steht, grob gesagt, auf zwei Grundpfeilern: düsteren Dramen und abseitigen Komödien. Happy, Happy bewegt sich mit seiner süffisant-ironischen Aufarbeitung zweier Ehekrisen irgendwo dazwischen. Allzu viel Eindruck hinterlässt das Werk allerdings nicht.

Nett, aber langweilig. So lässt sich das Leben der Mittdreissigerin Kaja (Agnes Kittelsen) wohl am besten zusammenfassen. Mit ihrem Mann Eirik (Joachim Rafaelsen) und ihrem Sohn Theodor (Oskar Hernæs Brandsø) lebt sie in einem kleinen norwegischen Dorf. Im Ehebett herrscht derzeit Flaute; Theodor spielt nur mit Eirik, sofern dieser nicht auf der Jagd ist; und sogar das Wetter zeigt sich von seiner eintönigen Seite: Schnee, wohin das Auge auch blickt. Kaja zeigt sich entsprechend erfreut, als im Haus nebenan das Ehepaar Elisabeth (Maibritt Saerens) und Sigve (Henrik Rafaelsen) mit ihrem dunkelhäutigen Adoptivsohn Noa (Ram Shihab Ebedy) einzieht. Auch deren Beziehung hat schon bessere Zeiten gesehen; der Grund für den Umzug war denn auch eine Affäre Elisabeths. Bei gemeinsamen Abendessen lernen sich die beiden Paare näher kennen, was bald schon zu einer leidenschaftlichen Affäre zwischen Kaja und Sigve führt. Diese bleibt nicht lange geheim, wodurch es im lokalen Chor, wo Kaja, Sigve und Elisabeth mitsingen, zu einigen unangenehmen Situationen kommt.

Der Begriff des skandinavischen Films ist oft mit dem des Naturalismus verbunden. Diese Tradition wird in Happy, Happy – Originaltitel: Sykt lykkelig, was übersetzt soviel heisst wie "Wahnsinnig glücklich" –, dem erst zweiten Langspielfilm von Regisseurin Anne Sewitsky, konsequent weitergeführt. Die ausgedehnten, mit verlegenen Pausen versehenen Dialoge erinnern in ihrer Lebensnähe an diejenigen Diablo Codys (Juno, Young Adult), sind aber, anders als bei der Amerikanerin, nicht komödiantisch-absurd überhöht. Es ist nicht primär der Inhalt, der die Lacher generiert – wobei auch dieser mehrfach zum Zuge kommt, etwa wenn Noas Herkunft erwähnt wird ("Ist das ein afrikanischer Name?") –, sondern die unangenehme Atmosphäre einer Szene. Von der den Raum einengenden Handkamera unterstützt, zeichnen die Autorinnen Mette M. Bølstad und Ragnhild Tronvoll mit einfachsten Mitteln das Bild zweier stagnierender Beziehungen, von vier Menschen, die sich nach Abwechslung und Neuanfängen sehnen. So entstehen einige virtuose Szenen, wobei vor allem der Spielabend mit dem ominösen "Partnerspiel" und Eiriks Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität herausstechen.

Noch steht der Frieden: Kaja (Agnes Kittelsen), Eirik (Joachim Rafaelsen), Elisabeth (Maibritt Saerens) und Sigve (Henrik Rafaelsen) beim Spielabend.
Hätte der Film diese Formel beibehalten können – intelligente und subtile Charakterstudien, angereichert mit alltäglichem, teils recht gewagtem Humor –, Happy, Happy könnte als vollauf gelungenes Projekt bezeichnet werden. Doch leider geht Sewitskys Film im letzten Drittel unerklärlicherweise die Luft aus; das Ganze fällt buchstäblich in sich zusammen. Die Inszenierung, bis zu diesem Zeitpunkt konsequent geradlinig, verzettelt sich mit allzu konfusen Einlagen, etwa Eiriks und Kajas norwegisch-deutsch-englischem Streitgespräch, welche so überhaupt nicht zum bis dato angeschlagenen Ton passen. Es scheint, als hätten sich Bølstad und Tronvoll nicht entscheiden können, was für ein Ende sie ihren jeweiligen Figuren gewähren sollten. Wieder einmal zeigt sich, dass auch die beste Geschichte unter einem unbefriedigenden Abschluss leidet.

★★★

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen