Los Angeles, 1987: Die Rockmusik boomt in Form von Glam- und
Hairmetal, das Mekka dieser Stilrichtung ist der bekannte Bourbon
Club am Sunset Strip, der vom Alt-Rocker Dennis Dupree (Alec Baldwin)
geleitet wird. Mit seinem Asssistenten und besten Freund, dem
überdrehten Lonny (Russell Brand), kämpft Dennis zurzeit ums
Überleben: Sein Club hat Schulden und die religiöse Rechte, allen
voran Patricia Whitmore (Catherine Zeta-Jones), die Gattin des
Bürgermeisters (Bryan Cranston), setzt alles daran, den
Teufelsmusik-Sündenpfuhl schliessen zu lassen. Die letzte Hoffnung
ist ein Konzert der legendären Rockband Arsenal mit ihrem
dauerbetrunkenen Bandleader Stacee Jaxx (Tom Cruise), dem die Frauen
scharenweise zu Füssen liegen – etwa die Rolling
Stone-Korrespondentin Constance Sack (Malin Åkerman). Doch
Dennis hat die Rechnung ohne Stacees hinterhältigen Manager Paul
Gill (Paul Giamatti) gemacht. An jenem schicksalhaften
Arsenal-Konzert trennen sich aufgrund eines Missverständnisses auch
die Wege von Sherrie (Julianne Hough) und Drew (Diego Boneta). Sie
ist erst vor kurzem von Oklahoma nach Los Angeles gezogen, um
Sängerin zu werden, wo sie den ehrgeizigen Musiker Drew
kennenlernte, welcher ihr sogleich eine Stelle im Bourbon Club
verschaffte. Inmitten all dieser Irrungen und Wirrungen gibt es nur
zwei Konstanten: die Liebe und die Rockmusik.
Man kann von Tom Cruise halten, was man will, doch es steht ausser
Frage, dass er ein Schauspieler mit Format ist, einer, der auch einen
mittelmässigen Film aufwerten kann und dessen Auftritte in der Regel
einen positiven Eindruck hinterlassen – was wäre Tropic Thunder
ohne seinen vulgär-aggressiven, Diet-Coke-schlürfenden
Produzententyrannen Les Grossman? In Rock of Ages jedoch
markiert Cruises Auftritt den Punkt, an dem das ganze Projekt
endgültig Schiffbruch erleidet. Der plump eingeführte Stacee Jaxx
wird als ultimativer Rockgott aufgebaut, als die Verkörperung des
Mantras "Sex, Drugs, and Rock 'n' Roll". Trunkenheit,
Groupies im Überfluss und chronische Verspätung – diese führt zu
einem der gelungeneren Witze – sind das Eine, satanistische
Rituale, denen auch hie und da ein Konzerttermin zum Opfer fällt,
das Andere. Doch als Stacee die Bildfläche endlich betritt – er
entsteigt einem Gewirr aus Frauenkörpern –, steht da ein
behäbiger, sich in seiner Rolle als Ikone offensichtlich zu sehr
gefallender Tom Cruise. Seine im Vorfeld gross angekündigte
Darbietung hat in etwa die Wirkung eines Beruhigungsmittels; jede
Szene, in der Stacee figuriert, scheint sich in Zeitlupe abzuspielen;
es fehlt jegliche Energie. Diese Langeweile ist aber nicht durch sein
Dasein als abgehalfterter Star bedingt; das Gefühl bleibt auch nach
seiner "Läuterung" bestehen. Dass Cruise darüber hinaus
noch äusserst dürftig singt, hilft seiner Überzeugungskraft ebenso
wenig.
Vom Rock Getriebene: Clubbesitzer Dennis (Alec Baldwin, rechts) und Lonny (Russell Brand, links) mit dem Landei Sherrie (Julianne Hough) und ihrem neuen Freund Drew (Diego Boneta). |
Allerdings steht zu bezweifeln, dass Rock of Ages ohne Cruises
Stacee bedeutend besser gewesen wäre. Obwohl mit seinem Auftritt die
Geschichte abflacht und sich zunehmend in abgedroschenen
Klischee-Situationen erschöpft, ist sie ohnehin Nebensache, was in
einem 123-minütigen Film besonders schwer wiegt. Die Prämisse ist
eine weitere Variation von A Star Is Born – bis hin zur die
weibliche Hauptfigur ermutigenden Verwandten aus der Provinz – und
ist für Adam Shankmans Mission, möglichst viele "klassische"
Rocksongs spielen zu lassen, nicht weiter wichtig. Selten erreicht
ein Gesangsintermezzo sein Ziel, das Publikum mitzureissen. Journeys
"Any Way You Want It" steht als einsamer Höhepunkt in
einem Sumpf von Nummern, von denen nur einige wenige sich qualitativ
dezent abheben, die meisten aber wirkungslos vorbeiziehen. Dabei
stört nicht nur die schiere Anzahl – jeder längere Dialog mündet
in eine Musicaleinlage –, sondern auch die unglaubliche Heuchelei:
Rock of Ages
mokiert sich über Pop und predigt Rock in seiner härtesten Form,
doch er lebt dieses Ideal, mit wenigen Ausnahmen, nicht vor. Im
Gegenteil: Die meisten Songs, egal ob von Twisted Sister, Guns N'
Roses oder Bon Jovi, sind weichgespülte Popmusik in ihrer
bekömmlichsten Form.
Aber es sind nicht nur die Lieder, welche unstimmig wirken. Auch
viele der Mitwirkenden vor und hinter der Kamera scheinen nicht in
ihrem Element zu sein. Shankmans über weite Strecken gelungene
Choreografie sowie Bojan Bazellis Kameraarbeit werden von allzu
vielen ärgerlichen Dialogen überschattet, die man so von den
Autoren Justin Theroux (Tropic Thunder, Iron Man 2) und
Chris D'Arienzo nicht erwartet hätte. Hier macht sich wohl die
Mitarbeit vom Dritten im Bunde, Allan Loeb (Wall Street: Money
Never Sleeps, The Dilemma, Just Go with It),
bemerkbar. Ebenso ermüdend wirkt das lieblose Setting. Der Film mag
im Jahr 1987 spielen, doch visuell ist das nur schwer zu erraten.
Einzig das Erscheinungsbild von Drews Pop-Rap-Boyband, welche schon
auf die frühen Neunzigerjahre vorausgreift, wirkt originalgetreu.
Ansonsten beschränkt sich die Ausstattung darauf, Wände mit
zeitgenössischen Fotos und Plakaten einzudecken, während vor dem
Bourbon Club Konservative gegen Rock demonstrieren, als befände man
sich irgendwo in den Fünfzigerjahren der TV-Serie Happy Days.
Sex, Drugs, and Rock 'n' Roll: Arsenal-Frontmann Stacee Jaxx (der langweilige Tom Cruise) bei einem Auftritt. |
Und der hochkarätige Cast hält ebenfalls nicht, was er verspricht.
Paul Giamattis wunderbar monotone Lakonie passt hervorragend zum
zynischen Paul Gill; Russell Brand wiederum überrascht mit einigen
guten, weil angenehm ironischen Linien – seine britisch-trockenen
Band-Ansagen belegen sein unbestrittenes komödiantisches Flair. Doch
Giamatti und Brand stehen einer Masse von Darstellern gegenüber, die
nicht befriedigen können. Bryan Cranston und der etwas gelangweilt
wirkende, aber dennoch mit vereinzelten Witzen auftrumpfende Alec
Baldwin werden schamlos verheizt; Catherine Zeta-Jones überzeugt als
chargierende Antagonistin kaum; und Julianne Hough und Diego Boneta,
die "Romantic Leads", sind blasse Stereotypen, farblose
Abziehbildchen.
Die Frage, ob Shankmans neuer Film nun besser oder schlechter
als andere Jukebox-Musicals wie Mamma Mia! oder Moulin
Rouge! sei, ist letztendlich müssig. Er hält sich an die
risikolosen, massentauglichen Genre-Formeln und überrascht nur in
homöopathischen Dosen. Dass diese Strategie zu Kassenschlagern
führen kann, wurde hinlänglich demonstriert, doch eine gloriose
Wiedergeburt des Filmmusicals deutet sich nicht an: Ein Blick auf die
Ticketverkäufe zeigt, dass Rock of Ages auf dem besten Wege
dazu ist, nicht nur qualitativ, sondern auch finanziell abzustürzen.
★★
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