Das Werk des legendären Kinderbuchautors Theodor Geisel, besser
bekannt unter dem Pseudonym Dr. Seuss, umfasst mehr als 60 Bücher,
von denen einige über die Jahre Kultstatus erreicht haben, etwa
Horton Hears a Who,
How the Grinch Stole Christmas!,
The Cat in the Hat oder
Yertle the Turtle. Eine seiner
weniger bekannten, dafür umso umstritteneren Publikationen erschien
1971. In
The Lorax prangert der grosse Erzähler die Gier von
Konzernen und deren rücksichtslose Umweltverschmutzung an –
parallel zur sich während der Siebzigerjahre langsam formierenden
Naturschutzbewegung. Eine der Reaktionen auf die 45-seitige
Geschichte war eine Gegendarstellung in Buchform, herausgegeben von
der nationalen Interessengemeinschaft der Parkettboden-Hersteller,
welche ihrerseits für ihre laxe Haltung gegenüber bedrohten Arten
und ihre plumpe Art der Propaganda kritisiert wurde. Insofern hat die
neue, computeranimierte Adaption von
The Lorax mehr mit dieser
Version als mit Geisels originaler Vision gemeinsam.
Thneedville ist eine herrliche Stadt: Alles besteht aus Kunststoff,
die Bäume lassen sich per Fernbedienung steuern, die Skipiste liegt
gleich neben dem Badestrand und frische Luft kann vom mächtigen
Geschäftsmann O'Hare (Stimme: Rob Riggle) gekauft werden. Einzig der
junge Ted (Zac Efron) findet nur begrenzt Gefallen an all den
technischen Annehmlichkeiten. Seit ihm die hübsche Audrey (Taylor
Swift) gesagt hat, dass sie denjenigen, der in ihrem Garten einen
echten Baum pflanzt, sofort heiraten würde, ist er fieberhaft auf
der Suche nach einer Möglichkeit, ihren Wunsch wahr werden zu
lassen. Seine Grossmutter (Betty White) erzählt ihm deshalb die
Geschichte des Once-lers (Ed Helms), der ausserhalb der hohen
Stadtmauern wohnt und offenbar alles über Bäume weiss. Also macht
sich Ted auf zum geheimnisvollen Einsiedler, dessen Haus mitten in
einer schmutzigen, baumlosen Einöde steht, und lässt sich
erläutern, wie es dazu kommen konnte. Einst war der Once-ler nämlich
ein aufstrebender Geschäftsmann, der im nun brach liegenden Tal ein
spezielles Produkt – den "Thneed" – herstellen wollte.
Als er den ersten Truffula-Baum fällte, erschien der Lorax
(Original- und deutsche Synchronstimme: Danny DeVito), ein
orangefarbenes, schnauzbärtiges Wesen, das für die Bäume spricht.
Derweil ist O'Hare Ted bereits auf den Fersen, da das Pflanzen von
Bäumen das Luftgeschäft des Trillionärs unnötig machen würde.
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Rettet den Samen! Ted (Stimme: Zac Efron) und Audrey (Taylor Swift) wollen einen echten Baum pflanzen. |
Wenn auf das Motiv und die Aussage von Dr. Seuss' Geschichte
eingegangen wird, wird oft das 22-minütige TV-Special aus dem Jahr
1972 als eine Art Begleitwerk erwähnt. Der Kurzfilm verfeinert die
politische Komponente der Erzählung mit Montagen, Liedern und
einigen wichtigen Dialogen zwischen dem Lorax und dem Once-ler.
Berühmt geworden ist dabei sicherlich das Argument des Magnaten,
ohne seine Thneed-Fabrik würden hunderte Menschen arbeitslos,
woraufhin der kleine Baumbeschützer zugibt, dass dies ein Problem
sei und auch er nicht wisse, wie es zu lösen ist. Dem
Fernsehtrickfilm ist es gelungen, die umweltbewusste Botschaft des
Originals beizubehalten, die Debatte aber eingehender und
realistischer anzugehen; nicht der Fortschritt an sich hinterlässt
den Schaden, sondern zu viel unbedachter Fortschritt in zu kurzer
Zeit. Nun, 40 Jahre später, sind Umweltthemen wie Artensterben,
Verschmutzung und globale Erwärmung – allesamt oft politisch
unterstützt – aktueller denn je und verdienen es, einem kindlichen
Publikum näher gebracht zu werden.
Doch die von Chris Renaud (Despicable Me) und Kyle Balda
(Animationstechniker bei A Bug's Life, Toy Story 2 und
Monsters, Inc. sowie beim Videospiel-Klassiker Day of the
Tentacle) inszenierte und von Cinco Paul und Ken Daurio
geschriebene, starbesetzte CGI-Verfilmung gibt sich anscheinend nicht
die geringste Mühe, Geisels Sinn und Geist wiederzugeben. The
Lorax ist auf seine Art ein anschauliches Beispiel für den
sprichwörtlichen Hollywood-Zynismus, für die Ideale, die angesichts
der Möglichkeit schnellen Geldes allzu rasch über den Haufen
geworfen werden – und damit ist nicht nur die veritable Flut an
Werbeverträgen gemeint, von Waffel-Restaurants bis Geländewagen,
welche die Produzenten im Vorfeld abschlossen. Renaud und Balda
verfolgen in ihrer Adaption eine einfache Botschaft: Bäume sind
cool. Die Balance zwischen wirtschaftlichem und wissenschaftlichem
Fortschritt und dem Respekt vor der bedrohten Natur, die Rolle des
Menschen in seiner Umwelt, das Plädieren für Nachhaltigkeit, das
Warnen vor Ignoranz gegenüber den Fehlern der Vergangenheit – alle
diese Motive werden so entweder im Quellenmaterial angesprochen oder
sie liessen sich zumindest daraus ableiten. Stattdessen werden sie
hier vereinfacht, eingestampft und auf eine simple, weltfremde Parole
reduziert, deren pädagogischer Wert vernachlässigbar ist und die
nicht der geringsten kritischen Analyse standzuhalten vermag.
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Der junge Once-ler (Ed Helms) fällt die Truffula-Bäume, um seine Thneeds herzustellen. |
Bäume sind cool. Nicht schön, eindrucksvoll oder etwa wichtig. Sie
sind cool. Der einzige Grund, weshalb Ted die Reise zum Once-ler auf
sich nimmt, ist Audrey. Dadurch verliert der Film jegliche
dramatische Spannung, vor allem als Ted den letzten Truffula-Samen
ohne grössere Probleme erhält und damit Audreys Herz gewinnt. Der
finalen Verfolgungsjagd durch Thneedville fehlt ein konkreter Zweck,
ein Beleg für ihre Wichtigkeit. Die Stadt ist in keinster Weise auf
echte Bäume angewiesen; die frische Luft, sprich der Sauerstoff, des
bösen O'Hare – eine neu kreierte Figur, die auf eine Dystopie in
einem Comic von Carl Barks zurückzugehen scheint – geht nicht zur
Neige; und die beiden jungen Protagonisten sind bereits ein Paar.
Niemand würde verlieren, wenn Thneedville weiterhin ohne echtes
Blattwerk auskommen müsste; es wird nicht erklärt, warum es im
Kontext des Film-Universums so essentiell wäre.
The Lorax ist kein ethisches Plädoyer für einen sorgsamen
Umgang mit Flora und Fauna; er ist ein lautes, buntes, leicht
vermarktbares, uninspiriertes Spektakel für Kinder mit
einer besonders kurzen Aufmerksamkeitsspanne, das allem Anschein nach
nicht an seine eigene, im Grunde gut gemeinte, aber letztlich
sinnlose Botschaft glaubt. Die ursprüngliche Geschichte wird
abgekürzt; die "Charakterentwicklungen" spielen sich in
Nebensätzen ab; der Lorax wird zum unsympathischen
Verfremdungseffekt degradiert; der Streifen wird mit peinlichen
Musiknummern, einer unnötigen, oberflächlich behandelten
Liebesgeschichte und unlustigen Running Gags auf Spielfilmlänge
gestreckt; die Figuren sind eindimensional, langweilig und werden, im
Falle der Tiere, die der Lorax beschützt, ihrer originalen
Bestimmung beraubt; nach thematischer Subtilität sucht man vergebens
– Erinnerungen an ein gewisses Büchlein der Parkettboden-Industrie
werden wach.
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"I'm the Lorax, and I speak for the trees!" – Der Lorax (Danny DeVito) will die Zerstörung des Waldes verhindern. |
Gute politische Absichten generieren nicht zwangsläufig gute Filme,
besonders wenn die vermittelte Botschaft, wie bei The Lorax,
praktisch bedeutungslos ist. Bäume mögen cool sein, doch dadurch
lassen sich Kinder nicht überzeugen, Rücksicht auf die Natur zu
nehmen, auch weil Massenkonsum und Umweltverschmutzung weitaus
dringendere und vom Einzelnen einfacher zu bekämpfende Probleme
sind. The Lorax ist ein zynischer, einfallsloser und
vollkommen überflüssiger Film, der nicht nur bereits als
Fernsehspecial existiert, sondern auch als herausragendes animiertes
Kinoabenteuer für Kinder und Erwachsene. Sein Name? WALL-E.
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