Es ist eine oft verdrängte Tatsache, dass auch Menschen mit
körperlichen Behinderungen das Bedürfnis nach Sex verspüren. In
seinem tragikomischen Roadmovie Hasta la vista greift Geoffrey
Enthoven dieses heikle Thema auf und liefert einen wichtigen Beitrag
zur Integration Behinderter.
Ein Blinder, ein Tetraplegiker und ein Krebskranker... Was sich
anhört, wie der Beginn eines zynischen Witzes, ist die Prämisse von Hasta la vista. Der vom Hals an abwärts gelähmte Philip
(Robrecht Vanden Thoren) hat einen Traum: Er will Sex. Und er hat
eine klare Vorstellung, wie er das bewerkstelligen will: Ein Freund
hat ihm von einem Bordell erzählt, das sich auf eine körperlicht
handicapierte Klientel spezialisiert hat. Zwar liegt das
rollstuhlgängige Freudenhaus in Spanien, doch davon lässt sich der
junge Mann nicht beirren. Mit seinen besten Freunden, dem fast
blinden Jozef (Tom Audenaert) und dem wegen eines unheilbaren
Hirntumors an den Rollstuhl gefesselten Lars (Gilles De Schrijver),
will er die Reise wagen. Ein Pfleger wird als Begleitperson gefunden,
den Eltern wird die Lüge von einer Weintour aufgetischt. Kurz vor
der Abreise jedoch verschlechtert sich Lars' Zustand, weshalb dessen
Eltern ihm die Fahrt verbieten. Doch Philip und Jozef lassen ihren
Freund nicht im Stich: Sie helfen Lars dabei, im Geheimen
Vorbereitungen zu treffen; mit der burschikosen Claude (Isabelle de
Hertogh) wird eine neue Pflegerin gefunden. Die Fahrt gen Süden kann
beginnen.
Obwohl Hasta la vista, trotz seiner Thematik, nicht viel mit
dem französischen Hit Intouchables verbindet, dürfte auch die
belgische Dramödie dem allzu empfindlichen Kinogänger Mühe
bereiten. Das Autorentrio Pierre De Clercq, Mariano Vanhoof und Asta
Philpot zeigt keinerlei Berührungsängste mit Humor der deftigeren
Sorte und schreckt auch vor unverblümten Behindertenwitzen nicht
zurück – so etwa Lars' Bemerkung, als er während einer Nacht im
Zelt Philip mit einem Camper vergleicht, der kürzlich von einem
Bären verschleppt und ohne Arme und Beine aufgefunden wurde: "Bei
dir würde das ja keinen grossen Unterschied machen". Dem Film ist
es ein grosses Anliegen, Leute wie Philip, Lars und Jozef als normale
Menschen mit normalen Wünschen und Bedürfnissen, aber auch Fehlern
und unsympathischen Seiten zu verstehen. So gehen Humor und
Ernsthaftigkeit oft Hand in Hand: Als Flamen mokieren sich die
Hauptfiguren über Holländer und Wallonen und ziehen auf übelste
Art und Weise über Claude her, die ihrerseits schwer an ihrer
eigenen "Behinderung" – ihrer Vergangenheit – zu tragen hat.
Lars (Gilles De Schrijver, links), Jozef (Tom Audenaert, Mitte) und
Philip (Robrecht Vanden Thoren) warten auf den Bus, der sie ins
spanische Bordell bringen soll.
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Die grösste Stärke des vielleicht etwas allzu formelhaften Films
ist sein ungleiches, aber letztlich überaus sympathisches
Hauptdarsteller-Ensemble, welches mehrfach an das famose Duo Josef
Hader/Alfred Dorfer in Paul Harathers Indien erinnert. Gilles
De Schrijvers Lars, von seinem näher rückenden Tod deprimiert und
verunsichert, kann einige exzellente Szenen für sich verbuchen,
insbesondere seine wenigen, dafür umso traurigeren, Gespräche mit
seiner jüngeren Schwester Yoni (Kimke Desart). Tom Audenaert und
Isabelle de Hertogh fungieren als ruhende Pole zwischen Lars und dem
draufgängerischen Philip. Dieser wird seinerseits von Robrecht
Vanden Thoren grossartig dargestellt; Thoren, obgleich nur stimmlich
und mimisch agierend, blüht in seiner Rolle förmlich auf und
verleiht ihr eine ungeahnte Dynamik. Seine Darbietung fasst Hasta
la vista trefflich zusammen: Wir mögen behindert sein, aber wir
sind Menschen – im Guten wie im Schlechten.
★★★★
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