Mysteriöse Handlungen und offene Enden, gekonnt eigesetzt, führen unter Zuschauern zu anregenden Diskussionen und fruchtbaren Reflexionen über das Gesehene. The Woman in the Fifth setzt diese Elemente weniger gekonnt ein – man erhält einen guten, aber hochgradig frustrierenden Film.
Der amerikanische Literaturprofessor und Schriftsteller Tom Ricks
(Ethan Hawke) reist nach Paris, um seine sechsjährige Tochter Chloé
(Julie Papillon) zu besuchen. Doch seine Ex-Frau Nathalie (Delphine
Chuillot) will ihn nicht sehen und verbietet ihm jeglichen Kontakt
mit Chloé. Als Tom kurz darauf in einem Bus einschläft, wird ihm
sein ganzes Gepäck gestohlen. Verzweifelt begibt er sich in ein
schäbiges Hotel und bittet darum, dort übernachten zu dürfen. Der
Besitzer (Samir Guesmi) bietet ihm einen Deal an: Wenn er eine
seltsame, aber einfache Arbeit verrichtet, darf er ein Zimmer haben.
Tom soll sich fortan sechs Stunden pro Nacht in einen Raum setzen,
einen Bildschirm im Auge behalten und jene, welche die korrekte
Losung sagen können, hereinlassen. Dafür bekommt er jeweils 50
Euro. Auf einer Party lernt Tom zudem die geheimnisvolle Witwe Margit
(Kristin Scott Thomas) kennen, mit der er eine Affäre beginnt.
Der
polnische Regisseur Paweł
Pawlikowski, der mit Last Resort (2000) und My Summer of
Love (2004) international auf sich aufmerksam machte, gibt sich in
seinem vierten Spielfilm alle Mühe, dem Literatur-Motiv von Douglas
Kennedys Romanvorlage gerecht zu werden. Der Zuschauer sieht sich in The Woman in the Fifth in die Rolle eines beobachtenden
Schriftstellers versetzt: Ryszard Lenczewskis Kamera verweilt auf
Details; sie folgt den heimlichen Blicken, die Tom seiner Tochter auf
dem Spielplatz zuwirft; ihr Blick schweift von Objekt zu Objekt; das
immer wieder eingesetzte Teleobjektiv verdichtet das Geschehen. Toms
enigmatische Reise durch das Paris der Noveaux Riches einerseits, dem
der Immigranten aus Nordafrika und Osteuropa andererseits – vom
Postkarten-Paris bleibt lediglich der Eiffelturm übrig, stets hinter
einem dunstigen Schleier verborgen –, wird zu einer gediegen
prosaischen Reise in seinen angeschlagenen Geist.
Der Schriftsteller Tom (Ethan Hawke) trifft in Paris die
geheimnisvolle Übersetzerin Margit (Kristin Scott Thomas).
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Die
literarischen Bezüge sind dabei stets präsent. Während der subtil
spielende Ethan Hawke durch die ihm fremde Stadt irrt, schreibt er an
Hart Crane angelehnte Briefe, in denen er einen utopischen Wald, eine
romantische Gegenwelt, entwirft; er arbeitet in einem anonym
wirkenden, geradezu kafkaesken Komplex, dessen Geheimnisse hinter
verschlossenen Türen liegen; er findet in Margit eine an die
Frauengestalten klassischer britischer Schauerromane erinnernde
Partnerin. Pawlikowski beruft sich auf das Bild der Literatur als
Ausprägung des Wahnsinns. Dabei gelingt es ihm hervorragend, mit
Bildinhalt und -komposition zu spielen, und er schafft eine
faszinierende Atmosphäre des Rätselhaften und Poe'schen Grauens.
Doch das sorgfältig aufgebaute Konstrukt fällt letztendlich mit der
antiklimaktischen "Auflösung" in sich zusammen. Das blosse
Fehlen einer Erklärung der Vorgänge ist nicht das Problem des Films
– im Gegenteil, eine eindeutige Auflösung wäre äusserst
unstimmig gewesen –; vielmehr ist es die schiere Einfallslosigkeit
des Endes. Ein klischeehaftes, nur begrenzt aussagekräftiges
Schlussbild genügt auch als offener Endpunkt nicht. Die Erzählung
wird gestoppt, aber nicht beendet. Zurück bleibt eine frustrierende
Leere.
★★
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