Einmal mehr bestätigt Spanien seinen Ruf, gehalt- und anspruchsvolle
Horrorfilme zu produzieren. Mientras duermes ist ein
raffiniertes Kammerspiel, ein packender Psychothriller, der mit
subtilen Anspielungen auf Klassiker und einem herausragenden
Hauptdarsteller auftrumpfen kann.
Niemand achtet auf César (Luis Tosar), den Portier und Hausmeister
eines Appartementkomplexes in Barcelona. Doch der Mann hinter dem
Empfangstisch in der Lobby kennt die Geheimnisse der Bewohner und
merkt sich ganz genau, wessen Wohnung zu welcher Tageszeit leer
steht. Besonders interessiert ihn das Leben der hübschen Carla
(Marta Etura), welcher er jeden Morgen die Lifttüre öffnet und
einen schönen Tag wünscht. Doch das nicht von ihrem Gesicht
weichende Lächeln und ihre optimistische Lebenseinstellung stürzen
ihn in tiefste Depressionen. Ist sie glücklich, kann er nicht
glücklich sein. Als Hausmeister hat César die Möglichkeit, in alle
Wohnungen einzudringen. Er schickt sich an, Carla Schaden zuzufügen
und ihr Leben zu zerstören, um sich endlich besser zu fühlen. Die
einzige Gefahr für seinen perfiden Plan stellt ein kleines Mädchen
(Iris Almeida) dar.
Dass sich die spanische Filmindustrie über die letzten zehn Jahre
zur führenden europäischen Produzentin von Horrorfilmen gemausert
hat, ist zu einem schönen Teil das Verdienst des katalanischen
Genre-Experten Jaume Balagueró. 1999 feierte sein
Langspielfilm-Debüt Los sin nombre Premiere; es folgten
Projekte wie Frágiles (2005) oder die international beachtete [Rec]-Serie (2007, 2009, 2012); einzig die
amerikanisch-spanische Koproduktion Darkness (2002) erwies sich
als Schlag ins Wasser. Mit Mientras duermes, der international
unter dem Titel Sleep Tight und mit der etwas unglücklichen
Tagline "Don't let the bedbugs bite" vertrieben wird, entfernt
sich Balagueró wieder vom physischen Schrecken, dem er etwa in [Rec] frönte, und widmet sich dem feineren, um ein Vielfaches
wirksameren psychologischen Grauen. Dabei beweist er, dass er sich
nicht nur der hehren Geschichte dieser Disziplin bewusst ist –
während des ganzen Films schwingt Alfred Hitchcock mit, vom fast
vereitelten Wohnungseinbruch (Rear Window) bis zum Bösewicht
mit Mutterkomplex (Psycho) –, sondern auch der Filmhistorie
im Allgemeinen; Anklänge an den Film Noir finden ebenso ihren Platz
wie Rückbesinnungen auf das Insektenmotiv des klassischen spanischen
Surrealismus nach Luis Buñuel und Salvador Dalí (Un chien
andalou).
Hinterhältiger Hausmeister: César (Luis Tosar) begutachtet den
Kakerlakenbefall in Carlas (Marta Etura) Wohnung. Woher die Krabbler
wohl kommen?
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Auch umgehen Balagueró und Autor Alberto Marini, der am Ende zwar
ein paar Handlungsstränge baumeln lässt, in Mientras duermes
eine der Fallen des zeitgenössischen Horrorfilms: Niemals ergeben
sie sich der Versuchung, von billiger Sensationslust Gebrauch zu
machen. Der Film greift nicht nach den einfachen "Jump Scares",
sondern erzielt Wirkung durch seine klaustrophobische Atmosphäre,
Lucas Vidals effektiven Musikscore, eine prägnante Bildsprache und
die imposante Leinwandpräsenz Luis Tosars. Tosar, der zuvor schon in
exzellenten Filmen wie Icíar Bollaíns proletarischem Drama También
la lluiva oder Jim Jarmuschs enigmatisch-existenzalistischem The
Limits of Control zu sehen war, beherrscht als
Bösewicht-Protagonist das Geschehen des Films; seine hasserfüllten
Monologe evozieren Edward Norton in Spike Lees 25th Hour; er
funktioniert sowohl als eigenständiger Charakter, als auch als
Symbol für das Böse im Menschen – ein unheimlicher, aber
gelungener Balanceakt.
★★★★
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