Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.
Kaum ein Regisseur ist in so vielen Genres ähnlich erfolgreich wie
Ridley Scott. In seinem neuesten Film greift der Brite auf einen
seiner grössten Triumphe, den stilbildenden Schocker Alien,
zurück: Prometheus ist ein ansprechender, wenn auch allzu
löchriger Science-Fiction-Blockbuster.
Im Jahr 2089 stösst das Archäologenpaar Elizabeth (die hölzerne
Noomi Rapace) und Charlie (Logan Marshall-Green) auf der schottischen
Insel Skye auf Höhlenmalereien – der französischen Chauvet-Höhle
entlehnt –, welche, wie zahlreiche andere Funde, auf einen weit
entfernten Riesenplaneten hinweisen, dessen Mond LV-223
möglicherweise bewohnbar ist. Charlie und Elizabeth interpretieren
diesen als Ursprungsort des menschlichen Lebens. Gesponsert von der
milliardenschweren Firma des im Sterben liegenden Peter Weyland (Guy
Pearce mit lächerlichem Alters-Makeup), startet das Raumschiff "Prometheus" in Richtung LV-223. Mit an Bord sind neben den
Archäologen Geologen, Ingenieure, Biologen, die
Weyland-Mitarbeiterin Vickers (Charlize Theron) und der treue Roboter
David (Michael Fassbender), der ein Flair für Sport, Philosophie und Lawrence of Arabia hat. 2093 erreicht die Crew den
geheimnisvollen Mond, wo sie tatsächlich Antworten auf einige der
grossen Fragen der Menschheit finden. Doch die scheinbar nicht mehr
bewohnte ausserirdische Welt gibt den Erdpionieren auch neue,
beängstigende Rätsel auf.
Eine der wichtigsten Fragen, die Prometheus aufwirft, ist die,
warum die Aliens von LV-223 die Menschen geschaffen haben sollen. Vor
allem Elizabeth wird durchgehend von dieser Ungewissheit verfolgt;
ihre nicht zu stillende Neugier dient letzten Endes sogar dazu, ein
mögliches Sequel anzudeuten. Ob dies wirklich nötig ist, steht zu
bezweifeln, denn das Quasi-Prequel zu Alien beantwortet diese
im Universum des Films so grundlegende Frage eigentlich schon in
seiner allerersten Szene: Ein menschenähnliches Alien wird von einem
offenbar nicht von seiner Rasse gebauten UFO auf einem Planeten
ausgesetzt, es trinkt eine Flüssigkeit, seine DNA löst sich auf, es
stürzt einen Wasserfall hinunter, die DNA-Stränge formieren sich
neu und lösen eine biochemische Reaktion aus. Fazit: Die Entstehung
der Menschheit war ein glücklicher (?) Zufall – Problem gelöst.
Antworten auf die grossen Fragen: Archäologin Elizabeth (Noomi
Rapace) untersucht den Kopf eines toten Ausserirdischen.
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Tatsächlich ist diese eindrückliche Anfangssequenz bei weitem die
befriedigendste des ganzen Films. Nicht nur wird darin, in Anlehnung
an die populären Theorien Erich von Dänikens, der Ursprung allen
irdischen Lebens im Alien-Universum gezeigt; auch das
Prometheus-Motiv wird gerechtfertigt: Wie der mythische Titan,
welcher den Menschen erschuf und ihm das Feuer brachte, wird der
ausgesetzte Ausserirdische nach seiner gotteslästerlichen Tat seiner
Macht beraubt. Die Fragen, die nach dem Prolog aufgeworfen werden,
sind weit weniger schlüssig, dafür um einiges frustrierender.
Theologische Anklänge wechseln sich ab mit Vorstellungen von einem
zynischen Schöpfer (David: "Why did you create me?" – Charlie: "Because we can"). Doch auch von der konfusen ethischen Dimension
abgesehen, generiert Prometheus mehr Fragen als Antworten. Kaum
eine Szene endet, ohne Stirnrunzeln zu hinterlassen: Warum wird
dieses bedeutungslose Detail zur überraschenden Wendung erhoben?
Wieso ist dieses Alien auf die giftige Substanz zugerannt? Weshalb
ekelt sich der Biologe vor toten Ausserirdischen, aber nicht vor
lebenden Schleimmonstern?
Je länger man über Prometheus nachdenkt, desto mehr fällt
das Ganze in sich zusammen. Und doch vermag der Streifen zu
unterhalten. Nach dem missglückten Robin Hood scheint Ridley
Scott seine Regie-Qualitäten wiederentdeckt zu haben: Besonders die
erste Stunde des Films begeistert mit einem brillanten Zusammenspiel
von Bildern, Musik, Effekten und düsterer Atmosphäre; die spannende
Einführung ins obligate Crew-Massensterben ist optimal gelungen. So
ist es ratsam, der effekthascherischen "philosophischen"
Komponente nicht allzu viel Bedeutung beizumessen, sondern sich an
den exzellenten Schauwerten zu erfreuen. Der Lohn ist kein guter,
aber immerhin ein akzeptabler Film mit etlichen ärgerlichen Löchern
und einer Schlussszene ohne Hand und Fuss.
★★★
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