Freitag, 17. August 2012

Prometheus

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Kaum ein Regisseur ist in so vielen Genres ähnlich erfolgreich wie Ridley Scott. In seinem neuesten Film greift der Brite auf einen seiner grössten Triumphe, den stilbildenden Schocker Alien, zurück: Prometheus ist ein ansprechender, wenn auch allzu löchriger Science-Fiction-Blockbuster.

Im Jahr 2089 stösst das Archäologenpaar Elizabeth (die hölzerne Noomi Rapace) und Charlie (Logan Marshall-Green) auf der schottischen Insel Skye auf Höhlenmalereien – der französischen Chauvet-Höhle entlehnt –, welche, wie zahlreiche andere Funde, auf einen weit entfernten Riesenplaneten hinweisen, dessen Mond LV-223 möglicherweise bewohnbar ist. Charlie und Elizabeth interpretieren diesen als Ursprungsort des menschlichen Lebens. Gesponsert von der milliardenschweren Firma des im Sterben liegenden Peter Weyland (Guy Pearce mit lächerlichem Alters-Makeup), startet das Raumschiff "Prometheus" in Richtung LV-223. Mit an Bord sind neben den Archäologen Geologen, Ingenieure, Biologen, die Weyland-Mitarbeiterin Vickers (Charlize Theron) und der treue Roboter David (Michael Fassbender), der ein Flair für Sport, Philosophie und Lawrence of Arabia hat. 2093 erreicht die Crew den geheimnisvollen Mond, wo sie tatsächlich Antworten auf einige der grossen Fragen der Menschheit finden. Doch die scheinbar nicht mehr bewohnte ausserirdische Welt gibt den Erdpionieren auch neue, beängstigende Rätsel auf.

Eine der wichtigsten Fragen, die Prometheus aufwirft, ist die, warum die Aliens von LV-223 die Menschen geschaffen haben sollen. Vor allem Elizabeth wird durchgehend von dieser Ungewissheit verfolgt; ihre nicht zu stillende Neugier dient letzten Endes sogar dazu, ein mögliches Sequel anzudeuten. Ob dies wirklich nötig ist, steht zu bezweifeln, denn das Quasi-Prequel zu Alien beantwortet diese im Universum des Films so grundlegende Frage eigentlich schon in seiner allerersten Szene: Ein menschenähnliches Alien wird von einem offenbar nicht von seiner Rasse gebauten UFO auf einem Planeten ausgesetzt, es trinkt eine Flüssigkeit, seine DNA löst sich auf, es stürzt einen Wasserfall hinunter, die DNA-Stränge formieren sich neu und lösen eine biochemische Reaktion aus. Fazit: Die Entstehung der Menschheit war ein glücklicher (?) Zufall – Problem gelöst.

Antworten auf die grossen Fragen: Archäologin Elizabeth (Noomi Rapace) untersucht den Kopf eines toten Ausserirdischen.
Tatsächlich ist diese eindrückliche Anfangssequenz bei weitem die befriedigendste des ganzen Films. Nicht nur wird darin, in Anlehnung an die populären Theorien Erich von Dänikens, der Ursprung allen irdischen Lebens im Alien-Universum gezeigt; auch das Prometheus-Motiv wird gerechtfertigt: Wie der mythische Titan, welcher den Menschen erschuf und ihm das Feuer brachte, wird der ausgesetzte Ausserirdische nach seiner gotteslästerlichen Tat seiner Macht beraubt. Die Fragen, die nach dem Prolog aufgeworfen werden, sind weit weniger schlüssig, dafür um einiges frustrierender. Theologische Anklänge wechseln sich ab mit Vorstellungen von einem zynischen Schöpfer (David: "Why did you create me?" – Charlie: "Because we can"). Doch auch von der konfusen ethischen Dimension abgesehen, generiert Prometheus mehr Fragen als Antworten. Kaum eine Szene endet, ohne Stirnrunzeln zu hinterlassen: Warum wird dieses bedeutungslose Detail zur überraschenden Wendung erhoben? Wieso ist dieses Alien auf die giftige Substanz zugerannt? Weshalb ekelt sich der Biologe vor toten Ausserirdischen, aber nicht vor lebenden Schleimmonstern?

Je länger man über Prometheus nachdenkt, desto mehr fällt das Ganze in sich zusammen. Und doch vermag der Streifen zu unterhalten. Nach dem missglückten Robin Hood scheint Ridley Scott seine Regie-Qualitäten wiederentdeckt zu haben: Besonders die erste Stunde des Films begeistert mit einem brillanten Zusammenspiel von Bildern, Musik, Effekten und düsterer Atmosphäre; die spannende Einführung ins obligate Crew-Massensterben ist optimal gelungen. So ist es ratsam, der effekthascherischen "philosophischen" Komponente nicht allzu viel Bedeutung beizumessen, sondern sich an den exzellenten Schauwerten zu erfreuen. Der Lohn ist kein guter, aber immerhin ein akzeptabler Film mit etlichen ärgerlichen Löchern und einer Schlussszene ohne Hand und Fuss.

★★★

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen