Donnerstag, 9. August 2012

SuperClásico

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.


2011 gewann ein dänischer Film den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Dieses Jahr schaffte es ein eher ungewöhnlicher Kandidat aus demselben Land unter die letzten neun Anwärter: SuperClásico ist eine charmante Komödie, welche die unverwechselbare argentinische Leichtigkeit zu imitieren versucht.

Christians (Anders W. Berthelsen) Leben ist an einem Tiefpunkt angelangt: Seine einst so erfolgreiche Vinothek steht kurz vor dem Bankrott; sein Sohn Oscar (Jamie Morton) distanziert sich von ihm und verbringt seine Zeit damit, alles Mögliche zu fotografieren und die Werke Camus' und Kierkegaards zu lesen; und seine Frau Anna (Paprika Steen) arbeitet schon seit fast einem Jahr als Fussballmanagerin in Buenos Aires. Als diese plötzlich per Post die Scheidung verlangt, hält es Christian nicht mehr aus. Mit Oscar im Schlepptau verlässt er Kopenhagen und reist in die argentinische Hauptstadt, um Anna zurückzuholen. Im von heissblütigen Fussballfans bewohnten Südamerika angekommen, lernt Christian den neuen Liebhaber seiner Frau kennen: Juan Diaz (Sebastián Estevanez), den etwas einfach gestrickten Starkicker und Rekordtorschützen des Stadtvereins Boca Juniors. Auf diesem ihm fremden Terrain versucht Christian, Anna umzustimmen, während Oscar auf eigene Faust die Liebe entdeckt.

SuperClásico mag die dänische Einsendung zu den diesjährigen Oscars gewesen sein, doch mit dem Land verbindet ihn nicht mehr als die Herkunft seiner Protagonisten und ein paar vereinzelte Anlehnungen ans nationale Kino, darunter Wilbur Wants to Kill Himself. Dänemark figuriert in den ersten Minuten des Films als grauer, freudloser Moloch, welcher dem von Anders Berthelsen famos gespielte Christian den letzten Nerv kostet. Und obwohl ihm Argentinien überhaupt nicht zusagen will – zu heiss, zu laut, zu fussballverrückt, schlechter Wein –, weiss Regisseur Ole Christian Madsen die Metropole äusserst verlockend zu inszenieren: Die Farben, nach denen man in Madsens Dänemark vergeblich sucht, sind in Argentinien im Überfluss vorhanden. Blauer Himmel, goldene Sonnenuntergänge, romantisch vergilbte Hausfassaden; Smog und Staub tauchen Buenos Aires in einen verführerischen Sepia-Ton.

Schwieriger Scheidungsprozess: Christian (Anders W. Berthelsen) besucht seine Noch-Frau Anna (Paprika Steen) in Buenos Aires.
So wie der Film die Stadt verklärt – mehrfach auch auf absurd-komische Weise; sogar die Strassenräuber sind höflich hier –, so orientiert er sich stilistisch am argentinischen Kino, welches seit der Wirtschaftskrise um 2000 internationales Interesse geweckt hat, an seiner lakonischen, aber dennoch warmherzigen Art, seinem Sinn für optimistische Melancholie – El perro, Diarios de motocicleta, Un cuento chino. Die Exzentrik jener Filme vermag Madsen, der gemeinsam mit Anders Frithiof August für das Skript zeichnet, nicht bis ins kleinste Detail einzufangen; die tanzenden Kakerlaken oder der märchenhaft-entrückte Erzähler – trotz hervorragendem Text – können nicht restlos überzeugen. Auch hat SuperClásico mit gewissen Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen, was wohl primär auf die fehlbesetzte Paprika Steen zurückzuführen ist. Aber trotzdem kann das sympathisch unvollkommene Konstrukt letztlich überzeugen. Die Reifung Christians und die Liebesgeschichte Oscars werden gekonnt aufgezogen und durch zahlreiche wahrhaft inspirierte komödiantische Momente ergänzt.

Höhepunkte des Weltkinos sehen definitiv anders aus als Ole Christian Madsens neuer Film, doch wem der Sinn nach einer sommerlich leichten Komödie mit südländischem Einschlag steht, der ist mit SuperClásico bestens bedient.

★★★

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen