Seit einigen Jahren zeichnen sich Coming-of-Age-Filme primär dadurch
aus, "anders" zu sein. Werke wie Richard Ayoades Submarine
oder Wes Andersons Moonrise Kingdom verbinden das
Abenteuer Jugend wunderbar mit surrealistisch-nostalgischen
Bilderwelten. Turn Me on, Goddammit! geht einen etwas anderen
Weg: Der Film ist fest in der Realität verwurzelt, profitiert aber
von norwegischer Exzentrik.
Irgendwo in Westnorwegen liegt Skoddeheimen, ein kleines, nicht
weiter bemerkenswertes Dorf am Fusse eines Berghangs. Eine Strasse
zieht sich durch eine Ansammlung von Häusern, ein paar Schafe
treiben sich herum, jeder kennt jeden. Kurz: ein Albtraum für Alma
(Helene Bergsholm), ein 15-jähriges Mädchen, welches gerade seine
Sexualität entdeckt. Statt ihre Hausaufgaben zu erledigen, ruft sie
Sex-Hotlines an, ansonsten fantasiert sie, wie der hübsche Artur
(Matias Myren) sie verführt, und plant mit ihrer besten Freundin
Sara (Malin Bjørhovde) den Ausbruch in die grosse weite Welt –
egal ob Oslo, Paris oder New York, Hauptsache weg. Als Artur sich bei
einer Party auf eher ungebührliche Art und Weise Alma nähert und
ihr daraufhin niemand die Geschichte glaubt, steht sie als
Ausgestossene da. Als ihre Mutter obendrein noch die astronomisch
hohe Telefonrechnung im Briefkasten findet, steht Alma fast komplett
allein da. Einzig Sara hält noch zu ihr.
"Wer sich mit Wehmut an seine Kindheit erinnert, war nie ein
Kind", schrieb Bill Watterson, Schöpfer der Calvin and
Hobbes-Comicstrips einmal. In diesem Sinn und Geist hält auch
Regisseurin und Autorin Jannicke Systad Jacobsen ihren ersten
Langspielfilm Turn Me on Goddammit! – Få meg på, for
faen! auf Norwegisch –, einer Adaption von Olaug Nilssens
gleichnamigem Roman. Mit einem feinen Auge fürs Detail fängt sie
die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, die Crux mit der Pubertät
und die spielerische Grausamkeit von Altersgenossen ein.
Allein der Kontrast zwischen der Hauptfigur des Films und der
Szenerie, in der sie sich findet, illustriert dies. Skoddeheimen ist
materialisierte Trägheit: Die wenigen Bewohner sitzen in oder vor
ihren Häusern herum, Almas Freundinnen verbringen etwas gar viel
Zeit in einem Busunterstand, der lokale Supermarkt wird kaum
frequentiert. Ganz anders hingegen der Teenager: Schon der Titel des
Films deutet Dringlichkeit an; das "for faen" im
Schriftzug, dessen Bedeutung sich auch ohne Norwegisch-Kenntnisse
erahnen lässt, ist energisch unterstrichen. Almas Momente der Lust
treten spontan auf, Kameraden wie Freunde wie die eigene Mutter sind
von der wilden Natur der Stürmerin und Drängerin heillos
überfordert. Sie will die Schulzeit überspringen und schon mit 15
Jahren in Oslo studieren gehen – wie in Lone Scherfigs An
Education steht ein Studium für Unabhängigkeit und Erlösung.
Um ihre Lust zu stillen, macht Alma (Helene Bergsholm) Gebrauch von Sex-Hotlines. |
Dass solches Aussenseitertum im Teenager-Alter nicht ungesühnt
bleibt, weiss Jacobsen. Nicht unbedingt aus bösartigem, aber doch
immerhin aus leicht sadistisch angehauchtem Antrieb isolieren ihre
Schulkollegen sie; im Alter der Rebellion sind die "Anderen"
die Ausgeschlossenen. Die jungen Schauspieler interpretieren dieses
Paradox herausragend: Matias Myren und insbesondere Malin Bjørhovde,
die beide in ihren eigenen Miniatur-Plots agieren, trumpfen mit
grosser Menschlichkeit auf. Helene Bergsholm, die für den
norwegischen Amandarprisen nominiert wurde – gewonnen hat ihn Noomi
Rapace, die einzige Konkurrentin –, gelingt derweil ein
eindrucksvoller, total souveräner Drahtseilakt. Alma ist eine
lupenreine exzentrische 15-Jährige, mal altklug-erwachsen, mal
unsicher-kindlich, hie und da nervend, oft selber genervt, die mit
der Veränderung ihrer Welt zu kämpfen hat.
Trotz
seines expressiven Titels ist Turn Me on, Goddammit! ein
Film der leiseren Töne und des äusserst trockenen Humors. Er mag
stellenweise ein wenig zu skizzenhaft geraten sein, wird aber seinem
Anspruch, die Psyche eines desillusionierten Teenagers in Form einer
Tragikomödie abzubilden, problemlos gerecht. Jannicke Systad
Jacobsens Debüt ist gelungen.
★★★★
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