In den ideologisch gespaltenen USA bahnt sich eine Identitätskrise
an, die sich schon seit dem Ende der Bush-Ära ankündigt. Im
Gangsterfilm Killing Them Softly versucht der Neuseeländer
Andrew Dominik, der amerikanischen Malaise auf den Grund zu gehen. Er
scheitert.
New Orleans, 2008: Während John McCain und Barack Obama um den
Einzug ins Weisse Haus wetteifern – Bildschirme und Plakatwände
künden von nichts anderem –, findet die Unterwelt ihre eigenen
Wege, in Zeiten der Finanzkrise über die Runden zu kommen. So etwa
die kleinkriminellen Frankie (Scoot McNairy) und Russell (Ben
Mendelsohn), welche das Mafia-Pokerturnier von Markie Trattman (Ray
Liotta) überfallen. Dieser hat einst ein von ihm selber
organisiertes Turnier ausrauben lassen, also setzen die beiden Kumpel
darauf, den Verdacht erneut auf Markie lenken zu können. Da die
ehrenwerte Gesellschaft in Gelddingen keinen Spass versteht, hetzt
sie Trattman tatsächlich den Auftragsmörder Jackie Cogan (Brad
Pitt) auf den Hals, der, so erzählt er es jedenfalls seinem Fahrer
(Richard Jenkins), an die Unschuld seines Opfers glaubt. Um ein
reines Gewissen zu bewahren, lässt Jackie den Killer Mickey (James
Gandolfini) aus New York einfliegen, der aber, wie sich schnell
herausstellt, völlig ausser Form ist.
Herrschen in Amerika harte Zeiten, dann dienen Outlaws als
Projektionsfläche für die Stimmung der Nation. Als 1929 die Börse
zusammenbrach, fanden die Menschen in Bankräubern wie John Dillinger
oder dem legendären Pärchen Bonnie und Clyde neue Helden. Die
mörderische Bande der Brüder Frank und Jesse James genoss in den
schwierigen Jahren nach dem verheerenden Bürgerkrieg hohes Ansehen.
Andrew Dominik ist die Materie demnach nicht fremd: 2007 begeisterte
seine düstere, zweienhalbstündige Western-Elegie The
Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford mit einer
nuancierten, stimmigen Aufarbeitung des Titel gebenden Vorfalls und
einem kritischen Blick auf die Auswüchse amerikanischen
Personenkults. In Killing Them Softly, der Adaption eines
Romans von George V. Higgins, lässt er die linksliberale Vision
kollektiven Zusammenhalts auf die zynische Weltsicht eines Mörders
wie Jackie Cogan treffen, die da heisst: "In Amerika ist jeder auf
sich gestellt" – die Kaltblütigen überleben, Schwache wie
Frankie, Russell, Markie und Mickey haben das Nachsehen.
Adel und Abschaum: Der gefragte Killer Jackie Cogan (Brad Pitt,
links) redet dem kleinkriminellen Frankie (Scoot McNairy) ins
Gewissen.
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Inszeniert wird dieser existenzielle Konflikt mit beachtlichem
cineastischem Flair: Die oft mit Sepiatönen veredelten Bilder
zeichnen ein akkurates Milieu-Porträt; die Schauspieler, mehrere von
ihnen mit ausgiebiger Mafiafilm-Erfahrung, agieren ausnahmslos
souverän. Es ist letztlich Andrew Dominiks an Hochmut grenzender
Ehrgeiz, der Killing Them Softly zum Scheitern verdammt. Zum
einen wären da die Defizite des Regisseurs, der vergeblich versucht,
Martin Scorseses Klassiker des modernen Gangsterdramas, vorab Goodfellas, mit der wortlosen Intensität von Filmen wie No
Country for Old Men oder Drive zu vermischen. Das Resultat
sind mühsame, schleppende Szenen, welche dramaturgisch stillzustehen
scheinen; tatsächlich fühlt sich der gut 90-minütige Streifen
länger an als The Assassination of Jesse James by the Coward
Robert Ford.
Obendrein versagt Dominik auch als Drehbuchautor: Die penetranten
Einspieler des Wahlkampfs 2008 sollen Atmosphäre und satirischen
Subtext schaffen, wirken aber hochgradig prätentiös und
selbstgefällig. Auch der Plot greift nicht: Ohne jeden Rhythmus wird
Szene an Szene gereiht. Ebenso enttäuschend die Dialoge: Seien es
die allzu vulgären Austausche zwischen Russell und Frankie, seien es
Jackies pseudophilosophische Exkurse, sie alle gaukeln dem Zuschauer
eine Tiefe vor, die sich bei genauerem Hinsehen als das entpuppt, was Killing Them Softly wirklich ist: Leeres Gewäsch.
★★
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