Ein gigantisches Epos sollte die Verfilmung von David Mitchells
Erfolgsroman sein, ein noch nie da gewesenes Kinoerlebnis. Über das
Ausmass des Projekts lässt sich tatsächlich nicht streiten, wohl
aber über den Inhalt: Cloud Atlas verdient sich einen Platz
unter den spektakulärsten Fehlschlägen der Filmgeschichte.
Mitte des 19. Jahrhunderts hinterfragt ein junger Anwalt (Jim
Sturgess) auf einer Pazifiküberfahrt das Konzept der Sklaverei. 1936
ist ein aufstrebender englischer Pianist (Ben Whishaw) unglücklich
in einen Freund (James D'Arcy) verliebt und lässt sich davon zum "Cloud Atlas Sextet", einer Sinfonie, inspirieren, während er in
Diensten eines Meisterkomponisten (Jim Broadbent) steht. 37 Jahre
später hört die Journalistin Luisa Rey (Halle Berry) das
Musikstück, kann sich aber nicht lange genug damit befassen, da sie
mit einem Atomphysiker (Tom Hanks) einen Skandal aufdeckt. Ihre
Geschichte wird von einem Nachbarsjungen niedergeschrieben und 2012
an einen Verleger (Broadbent) geschickt, der nach einigen Querelen
mit Kriminellen in einem Altersheim landet. 2144 kämpfen in Neo
Seoul die Klonin Sonmi-451 (Doona Bae) – man bemerke die Anspielung
auf Ray Bradburys Kult-Dystopie – und ein Revolutionär (Sturgess)
gegen das herrschende Regime. Und in der nur wenige hundert Jahre
entfernten postapokalyptischen Zukunft hilft ein Eingeborener (Hanks)
einer technologisch hoch entwickelten Fremden (Berry).
Sinnlos, alle sechs Handlungsstränge en détail zu erörtern. Das
Regie-Trio Lana (ehemals Larry) und Andy Wachowski (The Matrix)
und Tom Tykwer (Lola rennt) lässt dieselben Darsteller in
verschiedenen Zeit- und Raumebenen in den gleichen Rollenmustern
agieren und spinnt so ein komplexes Netz aus simplen Geschichten,
welche in gut drei Stunden eine simple Botschaft übermitteln: Wir
sind alle verbunden, alles hängt zusammen, die Welt ist eins. Die
Aufmachung mag neu anmuten, wurde aber bereits 1916 in Intolerance,
dem 197-minütigen, von heutigen Kritikern und Experten gerne als "einzige Film-Fuge" bezeichneten Geniestreich des grossen
Filmkunstpioniers D. W. Griffith, zur Perfektion geführt. Doch Cloud Atlas erreicht dessen Höhen – seien sie nun
philosophischer, ethischer oder emotionaler Natur – nicht einmal in
seinen besten Momenten. Himmelhoch sind die Ambitionen, entsprechend
tief ist der Fall.
In ferner Zukunft spannen der Waldbewohner Zachry (Tom Hanks) und die
hoch entwickelte Meronym (Halle Berry) zusammen.
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Aber gerade darin liegt ein gewisser Reiz. Die
Tykwer/Wachowski-Kollaboration ist auf ihre Art ein kleines Wunder:
Unglaublich, dass es auch in Zeiten pedantischster Kostenoptimierung
noch möglich ist, praktisch widerstandslos einen Film zu drehen,
welcher dermassen stümperhaft, ja überwältigend schlecht ist. Ein
gut geschminkter, stimmiges Pidgin-Englisch sprechender Tom Hanks mag
zwar zu Beginn "There is a method to this tale of madness"
verkünden, doch spätestens dann, als er selber, hemmungslos
chargierend, als irischer Prolo-Schriftsteller auftritt, lassen sich
die Zweifel an der Weissagung nicht mehr ignorieren. Dass Hugo
Weaving im Folgenden noch in Frauenkleider gesteckt und Halle Berrys
Gesicht weiss getüncht wird, verfestigt das Gefühl, man wohne dem
längsten Monty-Python-Sketch aller Zeiten bei. Der stetig wechselnde
Tonfall – das Ganze pendelt schamlos zwischen penetrant tragischem
Melodram und peinlichen Slapstick-Einlagen – hilft dem Anspruch,
Geschichte zu schreiben, ebenfalls nur wenig.
Doch gerade weil der Streifen derart selbstgefällig, haarsträubend
und chaotisch ist, lässt sich ihm ein gewisser Unterhaltungswert,
sogar bizarre Faszination, nicht absprechen. Das Epos falliert auf
gloriose Art und Weise – es darf gelacht werden. Ernsthaft
betrachtet jedoch, ist der kakophone Cloud Atlas das polare
Gegenteil einer wohl klingenden Fuge.
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