Sechs Jahre sind seit Little Miss Sunshine, dem
oscarprämierten Überraschungserfolg von Jonathan Dayton und Valerie
Faris, vergangen; das Ehepaar liess seither seine Kinoambitionen
ruhen. Nun jedoch benutzen sie ihr Prestige, um einer aufstrebenden
Autorin zum Erfolg zu verhelfen: Ruby Sparks, verfasst von der
29-jährigen Schauspielerin Zoe Kazan, ist eine leichtfüssige,
(allzu) leicht verdauliche Etüde über die Macht, die Arroganz und
die Einsamkeit eines Schriftstellers.
Noch vor wenigen Jahren war Calvin Weir-Fields (Paul Dano, der in
Little Miss Sunshine seinen Durchbruch schaffte) einer der
meist gefeierten jungen Autoren in den USA; selbst Vergleiche mit J.
D. Salinger wurden nicht gescheut. Nun aber leidet der neurotische
Eigenbrötler an akuter Schreibblockade; seinem grossen Roman liess
er, wenn überhaupt, nur noch Novellen und Kurzgeschichten folgen.
Doch dann sucht ihn die Inspiration heim: Im Traum begegnet ihm eine
hübsche junge Frau (Zoe Kazan, Enkelin der Hollywood-Regie-Legende
Elia Kazan), die er schon bald zu einer Romanfigur umfunktioniert. Er
gibt ihr den Namen Ruby Sparks und beginnt, sich in seine Kreation zu
verlieben. Als aber besagte Dame eines Morgens plötzlich leibhaftig
in seiner Küche steht und sich wie eine typische Lebensgefährtin
verhält, packt Calvin helle Panik: Hat ihn die Isolation in den
Wahnsinn getrieben? Und die Unmöglichkeiten reissen nicht ab: Nicht
nur stellt der mit der Situation heillos überforderte Schreiberling
fest, dass auch andere Leute Ruby sehen können; er entdeckt, dass er
seine Traumfrau nach Belieben umschreiben kann.
Reiz, Magie und Tücken der Literatur werden vom Kino immer wieder
gerne aufgegriffen; auch heuer lassen sich mehrere Versuche aufführen
– vom verunglückten The Words über den mittelmässigen On
the Road bis hin zum raffinierten Dans la maison. Die
Einflüsse von Zoe Kazan in ihrem Drehbuch-Debüt sind allerdings ein
wenig früher im 21. Jahrhundert auszumachen: Wie in Spike Jonzes
Adaptation oder in Marc Forsters Stranger Than Fiction
bemüht sich Kazan darum, eine Liebesgeschichte mit der märchenhaften
Idee zu verbinden, das geschriebene Wort könne die Realität
grundlegend verändern.
Ein Fall für den Psychiater: der neurotische Schriftsteller Calvin (Paul Dano). |
Ihr Ansatz ist durchaus reizvoll: Ein Schriftsteller erdichtet sich
eine Freundin, woraufhin diese nicht nur auftaucht, sondern auch real
zu sein scheint. Diese kreative Grundidee wird mit einigen
satirischen Anklängen verbunden: Ruby ist eine jener "quirky,
adorable women", welche seit einigen Jahren die amerikanische
Komödienkultur bevölkern – Tina Fey in 30 Rock, Zooey
Deschanel in New Girl, Comediennes wie Sarah Silverman oder
Amy Poehler –, ist in dieser Rolle aber durch und durch das
Resultat von Calvins Fantasie. So scheint es, als sei auch die
Idealisierung der Frau, deren Bluse nicht von Broschen, sondern von
Essensflecken geschmückt wird, auf dem besten Weg dazu, sich von
feministischer Subversion in einen weiteren Stereotypen zu
verwandeln. Passend auch der Kommentar von Calvins Bruder, gespielt
von Chris Messina: "You haven't written a person. You've written a
girl."
Doch das luftig leichte Konstrukt will einfach nie richtig zum Leben
erwachen. Kazans Hauptfiguren bewegen sich in schönen, akkuraten
Einstellungen – grosses Lob ans Regie-Duo Dayton und Faris – und
bleiben stets das, was auch Ruby immer bleiben wird: ein
Kunstprodukt. Es fällt schwer, eine emotionale Verbindung zu den
Protagonisten aufzubauen, nicht nur weil Kazan und Paul Dano eher
blass bleiben. Ruby hängt ganz von Calvins Launen ab, während
dieser in seiner Einsamkeit offenkundig tiefere mentale Wunden
erlitten hat, als es der Film zugeben will. Zwar werden immer wieder
Andeutungen in diese Richtung gemacht – es ist kein Zufall, dass
Ruby Sparks sich des Öfteren bei der Ästhetik des
Horrorfilms bedient –, doch es fehlt die letzte Konsequenz. Einzig
die klimaktische, von sexuellem Innuendo durchsetzte Szene, in der
der Autor seiner Erfindung auf brutalste Art und Weise seine
übermenschliche Macht demonstriert, offenbart sich die unangenehme
Wahrheit, die unter der heiteren Oberfläche des Films schlummert.
Doch das Problem löst sich enttäuschenderweise zu schnell und zu
einfach; eine Lebens- und Schreibkrise lässt sich offenbar ganz
einfach mit einem neuen Macbook von Apple lösen – viel perfider
kann Produkteplatzierung eigentlich nicht mehr werden.
Calvin arrangiert sich mit dem Unglaublichen: Die Romanfigur Ruby Sparks (Zoe Kazan) ist zum Leben erwacht. |
Es ist kein gutes Zeichen, wenn der Zuschauer seine Aufmerksamkeit
lieber auf Nebenrollen wie jene von Antonio Banderas, Aasif Mandvi
oder Steve Coogan statt auf die zentrale Romanze richtet. Ruby
Sparks ist süss, anmutig, leicht verdaulich, aber nicht das, was
man sich von den vermeintlichen Satirikern Jonathan Dayton und
Valerie Faris als Zweitwerk gewünscht hätte. So aber ist das
Indie-Kino lediglich um eine bekömmliche Komödie reicher.
★★★
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