Rohe, lakonisch vorgetragene, emotional aufgeladene Gewalt ist die
Spezialität des irisch-britischen Auteurs Martin McDonagh. In Seven
Psychopaths, seinem zweiten Langspielfilm, treibt er seinen Stil
zwar über die Schmerzgrenze, liefert aber eine doppelbödige
Begründung gleich mit.
Fernab vom heimischen Irland fristet Marty (Colin Farrell) ein
unbefriedigendes Dasein als ideenloser Hollywood-Drehbuchautor. Sein
neues Projekt sollte schon bald fertig sein, doch bis auf den Titel "Seven Psychopaths" ist sein Notizblock leer geblieben. Als sein
hyperaktiver Freund Billy (Sam Rockwell) ihm helfen will,
überschlagen sich die Ereignisse: Zuerst melden sich auf eine
Zeitungsannonce hin plötzlich allerlei Psychopathen bei Marty,
darunter der melancholische Zach (Tom Waits); dann gerät er auch
noch ins Visier des organisierten Verbrechens. Um sich ein bisschen
Geld zu verdienen, haben Billy und der Pazifist Hans (Christopher
Walken) nämlich angefangen, Hunde zu entführen, nur um sie wenige
Tage später zurückzubringen und den Finderlohn einzustreichen. Ihr
neuestes Opfer gehört aber dummerweise dem irren Gangster Charlie
(Woody Harrelson), der nichts unversucht lässt, sein geliebtes
Hündchen nach Hause zu holen. Immerhin beschert das blutige
Durcheinander Marty mehr als genug Stoff für sein Drehbuch...
Im Bühnenstück The Lieutenant of Inishmore führt ein
letztendlich sinnloser Streit um eine überfahrene Katze zu vier
Toten. Im oscarprämierten Kurzfilm Six Shooter treibt ein
junger Mann eine Frau, die gerade ihr Baby verloren hat, mit seinen
Witzen in den Selbstmord. In der Tragikomödie In Bruges lassen
unter anderen ein betendes Kind und ein kleinwüchsiger Schauspieler
ihr Leben. Geht es um den Tod, kennt Martin McDonagh keine
Kompromisse, auch nicht in Seven Psychopaths. Doch während in
seinen anderen Werken die Gewalt zumeist einem höheren Zweck diente
– politischer Satire, griechisch angehauchter Schicksalstragödie
–, erscheinen die Exzesse in seinem neuen Film zunächst ungewohnt
gehässig: Menschen werden abgestochen, niedergeschossen und
angezündet; das Morden ist – wie es sich im Grunde auch gehört –
stellenweise höchst unangenehm, doch nach einer Rechtfertigung sucht
man während der ersten 45 Minuten praktisch vergeblich.
Marty (Colin Farrell, l.), Billy (Sam Rockwell, M.) und Hans
(Christopher Walken) fliehen in die Wüste, um einem irren Gangster
zu entgehen.
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Doch auf eine mitunter unbehagliche, wenngleich hervorragend gemachte
und überaus gewitzt geschriebene erste Hälfte folgt eine
faszinierende zweite Hälfte, welche dem Ganzen eine Perspektive
gibt. Denn nachdem sich in Hollywood die Leichen aufzutürmen
beginnen, flüchten Marty, Billy und Hans in die Wüste, wo sich die
wahre Natur des Films offenbart: Seven Psychopaths ist, ähnlich
wie etwa Spike Jonzes Adaptation, ein vielschichtiger
Meta-Kommentar über das Kino und seine Genres. Während Marty,
offenkundig ein Alter Ego des Regisseurs, mit den Konventionen
brechen und seine Figuren auf dem Höhepunkt einfach von dannen
ziehen lassen will, fordert Billy ein klassisches Action-Ende mit
spritzendem Blut und explodierenden Köpfen. Damit steigert McDonagh
die anfänglich gezeigte Gewalt nicht nur ins Lächerliche; er
relativiert sie, indem er praktisch zugibt, dass Seven
Psychopaths eben doch nur ein Film ist.
Und in diesem Wissen lassen sich die vielen Qualitäten des Streifens
auch leichter geniessen: der stimmige Americana-Soundtrack (Hank
Williams, Josh T. Pearson, Deer Tick, The Felice Brothers); die
urkomischen Abschweifungen der Charaktere; die bis in die Nebenrollen
(Michael Stuhlbarg, Michael Pitt, Harry Dean Stanton) grossartig
aufspielenden Darsteller. Wobei vor allem Christopher Walken mit
seiner grössten Rolle seit Jahren in Erinnerung bleiben wird: Mit
seiner exzentrischen Art, seinen Text vorzutragen bildet er das
humoristische, mit seinen feinen Zwischentönen, welche in einem
tiefempfundenen Schlussmonolog über Gewalt und Frieden kulminieren,
das emotionale Zentrum von Seven Psychopaths, einer kuriosen,
kruden, gewalttätigen Meta-Meditation, deren Gesamtwert sich wohl
erst nach mehrmaligen Visionierungen erschliessen lassen wird.
★★★
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