Als Clint Eastwood beim diesjährigen Parteitag der Republikanischen
Partei mit einem leeren Stuhl auf der Bühne konversierte, erhielt
der Kultstatus von "Dirty" Harry Callahan und dem Man with
No Name ein paar Risse. Dementsprechend ist auch die Euphorie
darüber, dass er erstmals seit 2008 wieder vor der Kamera steht,
vergleichsweise verhalten. Dabei ist Trouble with the Curve
ein hochgradig unterhaltsamer Sportfilm alter (Eastwood'scher)
Schule, der einen Kinobesuch lohnt.
Schon seit Jahrzehnten steht Gus Lobel (Eastwood) als Baseball-Scout
bei den Atlanta Braves in Diensten. Doch da seine Vorgesetzten, allen
voran Philip Sanderson (Matthew Lillard), zunehmend auf Statistiken
aus dem Internet setzen, ist seine Arbeit unsicherer denn je,
besonders, da er obendrein noch von einer plötzlichen Sehschwäche
heimgesucht wird. Als er sich auf eine Talentsuche nach North und
South Carolina begibt, schickt ihm sein Freund Pete (John Goodman)
seine Tochter Mickey (Amy Adams) hinterher. Da sich die beiden aber
schon seit langem nicht mehr verstehen, lässt Gus nichts unversucht,
die erfolgreiche Anwältin wieder nach Hause zu schicken. Die
Beziehung der beiden Sturköpfe wird aber durch das plötzliche
Auftauchen des ehemaligen Baseball-Talents Johnny Flanagan (Justin
Timberlake), der nun als Scout für die Boston Red Sox unterwegs ist,
aufgemischt.
Obwohl Poster und Vorspann unmissverständlich beteuern, dass nicht
Eastwood selber, sondern sein langjähriger Produzent und Assistent
Robert Lorenz auf dem Regiestuhl von Trouble with the Curve Platz
nahm, ist es schier unmöglich sich vorzustellen, dass der Meister
selbst seine Finger hier nicht im Spiel hatte. Zu stilsicher, zu
geradlinig ist das Ganze inszeniert, zu organisch und flüssig
verläuft der Plot; man ahnt, dass hier jemand mit 40 Jahren
Erfahrung an der Regie mindestens mitbeteiligt war.
Baseball-Scout Gus Lobel (Clint Eastwood) am Grab seiner Frau. |
Diese Fachkompetenz ist auch darum höchst willkommen, weil das
Drehbuch des Debütanten Randy Brown für sich allein nicht
überzeugen kann. Man mag ihm aufgrund der bestehenden
Genre-Konventionen gewisse Unstimmigkeiten nachsehen – ein
Sportfilm ist mitunter kitschig, melodramatisch und klischiert –,
doch ein wenig mehr Tiefe und etwas ausgeprägtere Schattierungen im
Stil von Invictus hätten der Angelegenheit gut zu Gesicht
gestanden; so stapft Mickey in der ersten Hälfte etwas gar oft
einfach wütend davon.
Derlei Mängeln stehen aber gewichtige Gegenargumente gegenüber,
welche keinesfalls übersehen werden dürfen. Eastwoods grantiger Gus
Lobel mag nicht die Vielschichtigkeit seines Walt Kowalski in Gran
Torino erreichen, doch auch so knurrt, grummelt und kalauert er
in Höchstform. Und wenn es darauf ankommt, dann zeigt er immer noch
auf virtuose Art und Weise, weshalb er schon längst einen
Schauspiel-Oscar sein Eigen nennen können müsste: Als sich Gus am
Grab seiner vor vielen Jahren verstorbenen Ehefrau niederlässt –
eine eindeutig an John Ford angelehnte Szene –, ihr ein Glas Bier
einschenkt und schliesslich unter Tränen Jimmie Davies' "You
Are My Sunshine" singt, verwandelt sich sein Knurren in ein
leises Krächzen, in dem jedes von Eastwoods 82 Lebensjahren
anklingt. Der leere Stuhl ist vergessen; hier spielt ein Gigant der
Leinwand. Und doch muss niemand neben ihm verblassen. Amy Adams
überzeugt einmal mehr mit einer souveränen Leistung, Justin
Timberlake beweist als junge Altlast ein weiteres Mal sein
schauspielerisches Talent, John Goodman gibt den gewissenhaften
besten Freund mit viel Einfühlungsvermögen und einem gesunden Mass
an Lakonie.
Die andere Frau in Gus' Leben: Seine erfolgreiche Tochter Mickey (Amy Adams) begleitet ihn auf seiner Talentsuche. |
Es ist eine einfache Formel, die dem Film letztlich zum Erfolg
verhilft. Die hervorragenden Darsteller, die saubere, von Tom Sterns
Kameraarbeit veredelte Inszenierung und die sympathischen Charaktere
werden durch eine wunderbar nostalgische Atmosphäre unterstützt,
welche man aus den Frühwerken Eastwoods zu kennen glaubt. Viel Neues
steuert Regisseur Lorenz – wie auch immer sein effektives
Arbeitspensum nun ausgesehen haben mag – zum Kanon der
amerikanischen Sportfilme zwar nicht bei, doch er zeigt, wie auch
alte Muster reizvoll neu aufbereitet werden können. Trouble with
the Curve ist ein grundsolides Stück Genre-Unterhaltung. Wer das
garstige Spätherbstwetter leid ist, wird an Gus Lobels Sinn- und
Spielersuche durch die sonnendurchfluteten Carolinas seine helle
Freude haben. Auf dass die leeren (Kino-)Stühle gefüllt werden
mögen.
★★★★
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