Gut Ding will Weile haben. Besser lässt sich die Geschichte von
Dustin Hoffmans Regiedebüt kaum umschreiben. Erstmals nahm der
Schauspieler im Alter von 41 Jahren auf dem Regiestuhl Platz, 1978
auf dem Set des Krimidramas Straight
Time. Nachdem dieses
Experiment misslang und er seinen Posten an Ulu Grosbard
weitergegeben hatte, vergingen 34 Jahre, bis er es erneut versuchte.
Und dieses Mal hielt er durch. Quartet
heisst der Film, eine
milde Alterskomödie mit dem Herz auf dem rechten Fleck.
So wie es in Mailand die von
Giuseppe Verdi höchstselbst gegründete Casa die Riposo per
Musicisti gibt – das Thema von Daniel Schmids Dokumentation Il
bacio di Tosca –,
steht in Quartet
irgendwo im ländlichen
England das Beecham House, das es pensionierten Stars aus der Welt
der klassischen Musik ermöglicht, ihren Lebensabend unter
ihresgleichen zu verbringen. Unter den Bewohnern befinden sich auch
die drei Freunde Wilf (Billy Connolly), Reg (Tom Courtenay) und Cissy
(Pauline Collins), die sich, wie ihre Kollegen, auch dieses Jahr auf
Giuseppe Verdis Geburtstag freuen. Zu dessen Ehren findet nämlich
jeweils ein Konzert unter der Regie des selbstgefälligen Cedric
(Michael Gambon) – Aussprache: "Ceedric" – statt, mit
dessen Einnahmen das Fortbestehen von Beecham House gesichert wird.
Als die berühmte Ex-Diva Jean Horton (Maggie Smith) einzieht, kommen
Wilf und Cissy auf die Idee, mit ihr und Reg das Rigoletto-Quartett
zum Besten zu geben. Doch nicht nur hat sich Jean geschworen, nie
mehr zu singen; Reg ist seinerseits nie darüber hinweggekommen, dass
Jean ihm einst das Herz gebrochen hat.
Das Alter ist jüngst unverhofft
zu einem beliebten und überraschend lukrativen Filmthema geworden –
von den Alters-WGs in The
Best Exotic Marigold Hotel und
Et si on vivait tous
ensemble? bis hin zu
ernsthaften Auseinandersetzungen wie Amour,
A Late Quartet oder
Quelques heures de
printemps. Dustin
Hoffmans Projekt gehört zu Ersteren. Die Adaption des Theaterstücks
von Ronald Harwood, der auch gleich die Verantwortung für das
Drehbuch übernahm, ist zwar voller bittersüsser Melancholie, doch
wirkliche Konsequenzen werden nicht gezogen. Jean schmerzt zwar die
Hüfte, Wilf kann seit einem leichten Schlaganfall nicht mehr
kontrollieren, was er sagt – sagt er zumindest –, Cissy wird
zunehmend vergesslicher und verwirrter; einzig Reg ist der Meinung,
den Übergang vom Mann zum "Old Fart" einigermassen
würdevoll hinbekommen zu haben – von der enttäuschten Liebe
einmal abgesehen. Doch der Tod ist in Quartet
so fern wie allfällige
Verwandte: Man weiss, dass es ihn gibt und dass er eines Tages kommen
wird, aber man weiss auch aus eigener Erfahrung, dass dies noch ein
Weilchen dauern könnte.
Das ehemalige Ehepaar Jean (Maggie Smith) und Reg (Tom Courtenay) wird im Beecham House, einer Altersresidenz für Musiker, wieder zusammengeführt. |
Doch zu sagen, der Film sei in
seiner Leichtigkeit, Oberflächlichkeit und relativen
Konfliktlosigkeit nicht mindestens unterhaltsam, würde der Wahrheit
nicht gerecht. Der unerschütterliche britische Schauspiel-Adel, der
sich hier die Ehre gibt, ist Grund genug, Quartet
zu loben, auch weil
Hoffman seinen Cast sinnvoller und weniger verschwenderisch einsetzt
als etwa John Madden in The
Best Exotic Marigold Hotel.
Manche Witze sind nicht lustig, manche Situationen und Figuren sind
längst ausgereizte Klischees und dem Ganzen haftet eine Atmosphäre
des Antiquierten an, die mal für, mal gegen den Film spricht. Aber
wenn Billy Connolly und Tom Courtenay (Billy
Liar) wieder zu ihrem
bewährten Geflachse anheben ("Rap's here to stay" – "I
don't think so" – "That's what you said about The
Beatles"), Pauline Collins und Maggie Smith sich über andere
Operndiven auslassen oder der wunderbar unerträgliche Michael Gambon
dem armen Andrew Sachs (Hotelpage Manuel aus Fawlty
Towers, mittlerweile
82 Jahre alt) im Stile Basil Fawltys die Ideen klaut, dann fällt es
schwer, nicht in gute Laune versetzt zu werden.
Trotz einiger wahrlich
berührender Momente, überwiegend mit der streckenweise an Gloria
Swansons Norma Desmond in Sunset
Boulevard erinnernden
Maggie Smith im Mittelpunkt, ist Quartet
in erster Linie eine
Komödie, eine laue Brise von einem Film: angenehm, unerheblich,
harmlos. Als etwas anderes als Dustin Hoffmans lange verschobenes
Regiedebüt wird sie nicht in die Filmgeschichte eingehen. Für
seinen Regisseur darf der Film vorsichtig als Erfolg gewertet werden,
wenn auch am Schluss, vor allem im Hinblick auf das abrupte Non-Ende,
die – erhebende – Erkenntnis bleibt, dass man auch mit 75 Jahren
noch Anfängerfehler machen kann.
★★★
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen