Psychopharmaka
und Besuche beim Psychologen gehören längst zum amerikanischen
Alltag. In Silver Linings Playbook, einer verblüffenden Mischung aus
realistischem Drama und romantischem Märchen, porträtiert David
O. Russell eine hochgradig neurotische, aber eben doch auch
liebenswerte US-Familie.
Nach achtmonatigem
Aufenthalt wird der an einer bipolaren Störung leidende Pat Solitano
(Bradley Cooper) aus der psychiatrischen Klinik entlassen und zieht
wieder bei seinen Eltern (Robert De Niro, Jacki Weaver) ein. Mit
kindlichem Optimismus versucht er, seine Frau zurückzugewinnen,
obwohl er sie bei ihrem letzten Treffen mit einem anderen Mann
erwischt hat und er diesen daraufhin halb tot geprügelt hat. Er
glaubt fest daran, die Versöhnung mit seiner geliebten Nikki sei für
ihn der berühmte Silberstreif an seinem Horizont. Sehr gelegen kommt
ihm dabei ein Abendessen bei Freunden, wo er Tiffany (Jennifer
Lawrence) kennenlernt, die Schwester einer Freundin Nikkis. Auch
Tiffany hat psychische Probleme – der Tod ihres Mannes trieb sie
dazu, sich in viele kleine Affären zu flüchten –, die sie zu
überwinden versucht. Die beiden treffen eine Übereinkunft: Wenn er
mit Tiffany zu einem Tanzwettbewerb antritt, kontaktiert sie Nikki.
Die Gebrüder Bob und
Harvey Weinstein gehören zu den letzten grossen Produzenten-Mogulen
Hollywoods, jener aussterbenden Rasse von mächtigen Bossen, die im
goldenen Zeitalter der Industrie das Tagesgeschäft lenkten und in
der Academy über enormen Einfluss verfügten. Startet gegen Ende des
Jahres ein Film mit dem Signet der Weinstein Company in den
amerikanischen Kinos, dann handelt es sich unweigerlich um einen
hoffnungsvollen Oscar-Kandidaten. Dazu gehört auch Silver Linings
Playbook, der – passenderweise – stellenweise selbst wie ein
Stück altes Hollywood anmutet, ein Überbleibsel aus den Tagen
Lubitschs, Capras und Wilders.
Bipolar und
depressiv: Pat (Bradley Cooper) trifft erstmals auf Tiffany (Jennifer
Lawrence).
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Es ist allerdings
eine seltsame Mixtur, die David O. Russell (Three Kings, The Fighter) uns hier
einschenkt. Grundsätzlich fusst der Film im unmittelbaren,
naturalistischen Stil, der seinen Regisseur auszeichnet: Die virtuose
Handkamera ist stets in Bewegung, sie umkreist unentwegt die
Protagonisten – alles kleine Leute aus den Vorstädten
Philadelphias. Noch energischer, noch atemloser, noch aufregender als
in The Fighter zeigen Russell und Kameramann Masanobu
Takayanagi dabei den ganz normalen Wahnsinn des modernen Amerika. Die
Leiden von Pat und Tiffany mögen behandelt werden, doch eigentlich
würden alle Beteiligten von einer Sitzung bei Dr. Patel (Anupam
Kher) profitieren: Pat Sr. (herausragend: Robert De Niro) ist
abergläubisch, zwangsgestört und verwettet seine ganzen Ersparnisse
auf den Sieg seiner Footballmannschaft; Pats bester Freund bewältigt
seinen Alltagsfrust, indem er seine Garage demoliert; das Misstrauen
von Tiffanys Familie trägt nachgerade unheimliche Züge.
Doch Russell inszeniert
dieses Chaos an Neurosen und Störungen mit unbeirrtem, hochgradig
ansteckendem Optimismus. Letztlich ist Silver Linings Playbook
nämlich ein wunderschöner Liebesfilm, der sogar Billy Wilder mit
Stolz erfüllt hätte. Bradley Cooper und die glänzende Jennifer
Lawrence, die, wie einst Shirley MacLaine im Wilder-Klassiker The
Apartment, in jeder ihrer Szenen die Leinwand erhellt, harmonieren
prächtig miteinander: Pats und Tiffanys Beziehung kulminiert in
einem wahrhaft märchenhaften Finale. Die Beiden stellen den
Silberstreif der Hoffnung dar, den männiglich in Zeiten von Krise,
Rezession und Existenzangst bestens brauchen kann.
★★★★
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