Der Stern des Judd Apatow ging auf, als die amerikanischen Komödie
drohte, in ihrem Zweiklassensystem zu verharren, als der Markt von
trivialen Nettigkeiten und geschmacklosen Machwerken bestimmt wurde.
So schien denn auch die Unverfrorenheit eines Films wie The
40-Year-Old Virgin einer kleinen Revolution gleichzukommen.
Sieben Jahre und drei Regiearbeiten später ist von Apatows
Heilsverkündung nicht mehr viel übrig. In This Is 40 zerbricht
sie endgültig.
Die Ehe von Pete (Paul Rudd) und Debbie (Leslie Mann, Apatows
Ehefrau) ist schon lange zur Routine geworden. Romantik ist ein
Luxus, der Valentinstagen und Wochenendausflügen vorbehalten ist;
die streitenden Kinder Charlotte und Sadie (Iris und Maude Apatow –
Schauspieltalent: Fehlanzeige) werden sich selber überlassen; er
bemüht sich, authentische Künstler für sein Plattenlabel zu
gewinnen, während sie ihren Modeladen nach bestem Wissen und
Gewissen führt. Als für die beiden jedoch innerhalb einer Woche der
40. Geburtstag ansteht, bricht das Chaos aus: Debbie will sich ihr
Alter nicht eingestehen, besteht auf 38 Kerzen auf dem Kuchen und
zwingt den ganzen Haushalt dazu, sich gesünder zu ernähren und
weniger Zeit vor den elektronischen Geräten (allesamt von Apple) zu
verbringen. Derweil kämpft Pete gegen den finanziellen Bankrott.
Vieles in This Is 40 ist reine Formalität: die Namen, die
Schauplätze, die Tatsache, dass es der Film tunlichst vermeidet, den
Nachnamen der Familie preiszugeben, mit der sich der Zuschauer 133
Minuten lang identifizieren soll. Denn Pete ist nichts anderes als
ein Stellvertreter für Judd Apatow, Frau und Kinder werden von den
Leuten gespielt, mit denen der Regisseur sein Leben teilt, das
prunkvolle Vorstadthaus der Sippe ist einen Steinwurf von Apatows
realer Residenz entfernt. Wäre der Film ehrlich mit sich selbst und
seinem Publikum, würde der Name "Apatow" weit mehr als nur
den Grossteil seines Abspanns schmücken.
Stattdessen tarnt sich der Streifen als raffinierte, lebensnahe
Komödie über das Phänomen der Midlife Crisis – so wie The
40-Year-Old Virgin Sex und Gruppendruck unter die Lupe nahm,
Knocked Up Schwangerschaft, Funny People Beruf und Tod.
Doch der neueste – und hoffentlich letzte – Eintrag in Apatows
Quadrilogie des begüterten weissen Mittelschichtlebens ist der
traurige Höhepunkt einer Filmreihe, die mit jedem Film, scheinbar
analog zu jeder weiteren Million an den Kinokassen, aufgeblähter und
selbstgerechter wurde.
Midlife Crisis zum Ersten: Debbie (Leslie Mann) will, dass sich ihre Familie gesünder ernährt. © Universal Pictures |
Die Komödie Marke Apatow, eine seltsame Mischung aus Mumblecore,
Frat-Comedy und popkulturellen Anspielungen und Namensnennungen,
fällt in This Is 40 buchstäblich in sich zusammen. Ja, sie
hört in ihrem penetranten Möchtegern-Postmodernismus sogar auf,
Komödie zu sein. An die Stelle von Pointen und gewitzten Dialogen
treten angesagte Komiker wie Melissa McCarthy, Jason Segel und Chris
O'Dowd, die in ihren improvisierten Monologen ohnehin zweifelhafte
Gags ins Unerträgliche strecken. Banale Alltäglichkeiten wie der
Anblick Petes in voller Radfahrermontur werden zum Humorelement
erhoben. Die Geschmacklosigkeiten, vor einigen Jahren noch frisch und
unverbraucht, sind mittlerweile zu drögen Kindereien verkommen.
Als noch schlimmer stellt sich jedoch die Familie Apatow B heraus:
Nicht genug damit, dass die einzelnen Figuren unsauber
charakterisierte, überkarikierte Neurotiker sind, denen jegliche
menschliche Dimension zu fehlen scheint; Debbie und Pete gehören
ihrerseits zu den unausstehlichsten Protagonisten seit Ashton Kutcher
und Cameron Diaz in What Happens in Vegas.... Die seufzende,
japsende, mit görenhaft-nasaler Stimme "Oh my God"
schreiende Leslie Mann ist nicht viel mehr als ein verzogener
Teenager im – von Apatow hart an der Grenze zum Sexismus in Szene
gesetzten – Körper einer Vierzigjährigen. Ihrer nicht enden
wollenden Nörgelei allein ist es zu verdanken, dass Pete zumindest
anfänglich wie ein passabler Charakter wirkt – bis er, auf dem
Rücken liegend, versucht, Fotos von seinen Hämorrhoiden zu
schiessen.
Midlife Crisis zum Zweiten: Trotz Debbies Spardiktat finanziert Pete (Paul Rudd, links) weiterhin seinen Vater (Albert Brooks). © Universal Pictures |
Knapp 100 Minuten lang hält der schnoddrig geschnittene Film diesen
Fokus aus. Dieser verlagert sich mit der Ankunft des klimaktischen
Geburtstagsfestes auf die unzähligen Nebenfiguren, welche Apatow
einzig dem Zweck zu dienen scheinen, der Welt seinen Bekanntenkreis
vorzuführen: Ein unnötiger Cameo jagt den nächsten, von der
praktisch unsichtbaren Lena Dunham zur verzweifelten Megan Fox, die
sich nun vollends der Selbstparodie ergeben zu haben scheint. Einzig
den Vätern von Pete und Debbie, gespielt von Albert Brooks und John
Lithgow, gelingt es, dem Schlamassel mit einigermassen intakter Würde
zu entkommen. Zwar finden die beleidigenden Humorversuche in dieser
starbesetzten letzten halben Stunde endlich ein Ende, werden aber
bloss durch die blanke Langeweile künstlich verlängerter Handlungsstränge
ersetzt.
Apatow verdankt seine Popularität einem glücklichen Zufall. Zu
einer Zeit, in der Hollywoods Komödien gegen eine Krise zu kämpfen
hatten, erschien sein Stil mutig und neu. Inzwischen aber ist dieser
in eben jene Form degeneriert, deren Platz er einst hätte einnehmen
sollen. This Is 40 schlägt in jeder Hinsicht über die
Stränge. Es ist ein verabscheuungswürdiger Film, der die
Handschrift eines Regisseurs trägt, dessen Selbstbewusstsein
mittlerweile in Megalomanie übergegangen ist, der der Auffassung
ist, dass sein Publikum alles akzeptiert, was er ihm vorsetzt. Bleibt
zu hoffen, dass er sich irrt.
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