Zwar wird man, wie bei jedem Film Almodóvars, auch hier zwischen den
Zeilen fündig, wenn man danach sucht, doch bleiben die satirischen
Seitenhiebe und Anspielungen auf das skandalgebeutelte spanische
Königshaus, die ewig marode Infrastruktur und die korrupte
Intrigenwirtschaft von Politik und Hochfinanz zahme Nebenschauplätze.
In seinem Kern bleibt Los amantes pasajeros ein lockerer
Versuch, die rasanten, schnell- und scharfzüngigen Dialoge der
amerikanischen Screwballkomödie auf die heissblütige mediterrane
Gesellschafts-Farce anzuwenden.
Im Zentrum steht dabei ein klassisches Narrenschiff, ein Flugzeug,
dessen Reise nach Mexiko sich wegen eines Defekts (ausgelöst durch
das Bodenpersonal: Antonio Banderas und Penélope Cruz) in die
verzweifelte Suche verwandelt, eine leere Landebahn im Pleiteland
Spanien zu finden. An Bord befinden sich eine sedierte
Touristenklasse und eine hochgradig neurotische Business Class:
bestehend aus einem paranoiden Ex-Pornosternchen (Cecilia Roth),
einem feigen Schauspieler (Guillermo Toledo), einem Medium (Lola
Dueñas), einem frisch verheirateten Drogenschmuggler-Pärchen
(Miguel Ángel Silvestre, Laya Marti), einem landesweit gesuchten
Geschäftsmann (José Luis Torrijo) sowie einem zwielichtigen
Mexikaner (José Maria Yazpik). Weiter als diese suggestive
Figurenkonstellation zieht Almodóvar seine Satire bewusst nicht.
Dafür stellt er dieser illustren Truppe eine umso schrillere
Kabinencrew gegenüber: Die Aufgabe, den verwöhnten, quengelnden
Passagieren das Kreisen über den spanischen Flughäfen so angenehm
wie möglich zu gestalten, fällt den drei homosexuellen Stewards
Joserra (Javier Cámara), Ulloa (Raúl Arévalo) und Fajardo (Carlos
Areces) zu; unterstützt werden sie dabei von den beiden Piloten
(Antonio de la Torre, Hugo Silva) nur halbherzig. Als auch ihre
sorgfältig choreografierte Karaoke-Einlage die Stimmung nicht zu
heben vermag, schütten sie die an Bord vorhandenen Alkoholika
ineinander und verabreichen das Gebräu der ganzen ersten Klasse. Die
Hemmschwelle fällt, Geheimnisse werden verraten und sexuelle
Fantasien ausgelebt.
Narrenschiff über den Wolken: Ein technischer Defekt verwandelt den geplanten Flug nach Mexiko in eine schlüpfrige Farce. © Pathé Films AG |
Man könnte sich nun fragen, was mit Pedro Almodóvar seit La piel
que habito passiert ist, weshalb er das fruchtbare Terrain des
Dramatischen wieder verlassen hat, um eine substanz-, ja belanglose
Komödie mit schwulen Stereotypen und schlüpfrigen Witzen zu drehen.
Denn wirklich geglückt kann man Los amantes pasajeros nicht
nennen: Dramaturgie und Dekor erinnern entfernt an François Ozons 8
femmes, doch dem Ganzen fehlt dessen Schärfe. Auch erreicht der
Film trotz seines munteren Tempos und seiner durchaus gelungenen
rasanten Dialoge niemals den Unterhaltungswert einer Screwballkomödie
à la Howard Hawks, Frank Capra oder George Cukor.
Was also will Almodóvar mit seinem neuen Film erreichen? Wie kommt
es, dass sich der grosse Erzähler des modernen spanischen Kinos
plötzlich mit einer seichten Seifenoper in Spielfilmläge begnügt?
Vielleicht ist Los amantes pasajeros mit seinem augenzwinkernd
überzeichneten Erzählton und seinem künstlich inszenierten
Handlungsraum, der mehr und mehr zum reinen Studio wird, eine
Liebeserklärung an seine Genre-Vorbilder. Vielleicht war es
Almodóvar ein Anliegen, die sanfte Subversion von Shakespeares
Liebestollerei A Midsummer Night's Dream ins heutige Spanien
zu verlegen. Doch letztendlich ist wohl die einfachste Erklärung die
richtige: Pedro Almodóvar wollte eine oberflächliche Komödie
drehen und hat dies nach bestem Wissen und Gewissen auch getan. Ein
Meisterwerk ist ihm damit beileibe nicht gelungen; amüsant ist der
schnell vergessene Flug aber allemal.
★★★