Dienstag, 25. Juni 2013

Man of Steel

Die Zeit hat es nicht gut gemeint mit Superman, dem wohl bekanntesten Superhelden aller Zeiten. Zwar erfreut er sich auch 80 Jahre nach seiner Erschaffung durch Jerry Siegel und Joe Shuster grosser Beliebtheit und ein Ende seines Daseins als amerikanische Kulturikone ist nicht abzusehen. Als Grundpfeiler der mächtigen Comicindustrie ist ihm ein Platz in der Geschichte der Populärkultur gewiss. Als Figur an sich jedoch scheint der Erd-Exilant vom fernen Planeten Krypton dem Zeitgeist nicht mehr zu entsprechen: Superman steht seit jeher für einen braven, gut aussehenden Frauenschwarm, einen stereotypen "Boy Scout", der stets das Gute im Sinn hat und seinen Teil zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beiträgt – einer jener konservativen Saubermänner, welche das Bild des DC-Verlages jahrzehntelang prägten.

Mittlerweile hat sich die populäre Meinung aber in Richtung der ursprünglichen Marvel-Philosophie verlagert: Helden brauchen Ecken und Kanten, menschliche Makel – selbst wenn sie keine Menschen sind –; der Kampf mit dem eigenen Heldentum hat inzwischen das gleiche Gewicht wie der Konflikt zwischen Gut und Böse. Auf Zelluloid haben DC und Marvel unterschiedlich, aber ähnlich erfolgreich auf diese Entwicklung reagiert. Erstere konnte sich primär durch Christopher Nolans hyperrealistisch-düstere Neuinterpretation von Batman profilieren, während Letztere das Avengers-Projekt lancierten und mit Humor und Hingabe charakterlich unvollkommene Figuren wie Iron Man, Thor oder Captain America auf die Leinwand transponierten.

Superman hingegen passt nicht in dieses Schema. Zu schwer wiegt seine makellose Reputation, zu haarsträubend wirkt sein Hintergrund. Er bleibt verdammt dazu, der Mann mit drei Namen – Kal-El, seinem Geburtsnamen, Clark Kent, seinem Pseudonym, Superman, seinem Alter Ego –, aber ohne Identität zu sein. Somit bestand die vielleicht grösste Herausforderung, die sich Zack Snyder (Regie), Christopher Nolan (Produzent und Co-Autor) und David S. Goyer (Autor) in ihrem Superman-Reboot, erst dem zweiten derartigen Film seit 1987 und Sidney J. Furies desaströsem Superman IV: The Quest for Peace, bot, darin, diese vorgegebene Farblosigkeit zeitgemäss umzugestalten, gleichzeitig aber die Vision von Siegel und Shuster aufrecht zu erhalten.

So kommt es, dass sich ihr Clark Kent (Henry Cavill) in Man of Steel als traumatisierter, grüblerischer, von Selbstzweifeln geplagter Eigenbrötler geriert, der auf der Suche nach sich selbst und seiner Lebensaufgabe die halbe Welt durchstreift und schlussendlich lernt, sich seinen Dämonen zu stellen. Darin Parallelen zu Batman Begins zu sehen, ist nicht schwer, insbesondere angesichts des Engagements zweier Batman-Veteranen – Goyer gilt als treibende Kraft in der Konzeption von Nolans Dark Knight-Trilogie. Insofern ist Man of Steel weniger ein Reboot der Superman-Figur als eine Angleichung von DCs bekanntester Figur an seine (filmisch) erfolgreichste. Clarks Identitätsproblem ist damit freilich nicht geholfen.

Keiner von uns: Clark Kent alias Superman (Henry Cavill) ergibt sich dem amerikanischen Militär.
© 2013 Warner Bros. Ent.
Im Gegenteil: Man of Steel ist eine enttäuschend blutleere Angelegenheit. Zwar finden sich hin und wieder inspirierte Momente; dazu gehören feine Bild- und Motiv-Anspielungen auf Horrorklassiker der Fünfzigerjahre wie War of the Worlds oder Invasion of the Body Snatchers und der Film wartet mit einem unbestreitbar vorhandenen emotionalen Kern auf. Doch diese Bemühungen genügen nicht, um über das fade Ganze hinweg zu täuschen. Ohne Leidenschaft – dafür mit kuriosen Anleihen beim Fantasy-Genre – erzählt Snyder, wie der Planet Krypton nach fatalen Bohrungen (ein Seitenhieb gegen das vor allem in den USA heiss diskutierte Fracking?) in sich zusammenstürzt, kurz nachdem Jor-El (Russell Crowe) seinen neu geborenen Sohn Kal per Fluchtkapsel zur Erde geschossen hat und vom machthungrigen General Zod (der abwechselnd hölzerne und chargierende Michael Shannon, der Terence Stamps ikonische Rolle aus Superman II übernimmt) ermordet wird.

Auf dem blauen Planeten (genauer gesagt, in Kansas) angekommen, wird Kal vom Bauernehepaar Jonathan (Kevin Costner) und Martha Kent (Diane Lane) aufgenommen. Er erhält den Namen Clark und wächst als Menschenjunge mit übermenschlichen Kräften auf, die er auf Geheiss seines Adoptivvaters keinesfalls benutzen darf. Während des Hauptteils des häufig die Zeitebene wechselnden Films ist Clark 33 Jahre alt – eine von Snyders zahlreichen unbeholfenen Jesus-Allegorien, welche allesamt den Umstand ignorieren, dass Superman, wenn überhaupt, eine Moses-Figur ist – und sieht sich dem seinem galaktischen Gefängnis entronnenen General Zod entgegengestellt, der hofft, bei Kal-El einen kryptonischen Artefakt vorzufinden, mit dem er die Erde zu seiner neuen Heimat umformen will.

Dass im Zuge dieser drohenden Invasion auch noch die Journalistin Lois Lane (Amy Adams) und ihr Vorgesetzter Perry White (Laurence Fishburne) in den Plot verwickelt werden, gehorcht nicht einer direkten Notwendigkeit, sondern der Tatsache, dass es sich bei Man of Steel um einen Eintrag ins Superman-Legendarium handelt. Goyers Skript, in dem die Konsequenzen einer Handlung niemals über die Grenzen einer Szene hinaus gehen, fusst auf der bequemen Ikonizität seiner Figuren, Motivationen können getrost übergangen werden, weil jedes Kind weiss, dass Clarks Vater sterben und Lois sich in Superman verlieben muss, obgleich zwischen Cavill und Adams keinerlei romantische Dynamik spürbar ist. Fast schon antiklimaktisch wirkt der obligate Kuss zum Schluss.

Der kryptonische General Zod (Michael Shannon) will sich die Erde unterwerfen.
© 2013 Warner Bros. Ent.
So ist es vielleicht sogar verständlich, dass Man of Steel nach knapp 90 Minuten den Pfad der dialoglastigen, sich zunehmend um sich selber drehenden Herkunftsgeschichte verlässt und in eine Zerstörungsorgie mündet, die sogar die Materialschlachten eines Michael Bay in den Schatten stellt, womöglich im Bestreben, es Joss Whedons The Avengers gleichzutun, wo Iron Man und Konsorten ihre Differenzen in einer ausladenden Kampfszene beilegten, welche halb Manhattan in Schutt und Asche legte. Mit der Unterstützung der besten erhältlichen CGI-Technik stürzen Wolkenkratzer in sich zusammen, unter deren Trümmern Tausende von Menschen begraben werden. Superman und Zod durchbrechen während ihrer ausgedehnten Prügeleien unzählige Glasfassaden, Explosion reiht sich an Explosion.

Dabei schallt das krachige Sounddesign aus den Lautsprechern und Hans Zimmers dröhnender Musikscore verhilft dem immer unübersichtlicher werdenden Geschehen zum nötigen Pathos, derweil Amir Mokris Kamera mit schwindelerregenden Schwenks die rasanten Salti der Kombattanten imitiert. War der Film bis anhin thematisch zumindest einigermassen ansprechend, wenn auch nicht sonderlich fesselnd, so gewinnt er in seiner letzten Dreiviertelstunde durch scheinbar endlose Variationen der gleichen Choreografie an oberflächlichem Unterhaltungswert, opfert diesem aber jegliche legitime Emotion. Wo Whedon die destruktive Strassenschlacht mit Charakterentwicklungen und humorvollen Vignetten konterkarierte, schwelgt Snyder in einem ermüdenden Action-Spektakel, einem eigentlich aussichtslosen Kampf zweier Kryptonier, welche beide auf der Erde so gut wie unverwundbar sind. Am Ende gewinnt der moralisch überlegene Superman mit moralisch unlauteren Mitteln. Da Snyder jedoch darauf verzichtet, näher auf das Dilemma einzugehen, bleibt der ausserirdische Muskelprotz brav, farblos, anachronistisch.

★★

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