"You think we were just doped up hippies running around",
sagt die Ex-Terroristin Sharon Solarz (Susan Sarandon) zum jungen
Journalisten Ben Shepard (Shia LaBeouf) nach ihrer Festnahme zu
Beginn von Robert Redfords neunter Regiearbeit. Indem er und Autor
Lem Dobbs (Haywire) ihr – im Rahmen des Films ein ehemaliges
Mitglied des "Weather Underground", einem realen militanten
Flügel der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg – diesen Satz in
den Mund legen, wollen sie nicht die Taten der linksradikalen
Bewegung rechtfertigen. Vielmehr scheint es ihnen ein Anliegen zu
sein, jenem sich etablierenden Geschichtsnarrativ entgegenzuwirken,
nach welchem die US-Friedensbewegung nicht mehr war als eine
Ansammlung kindlich-naiver Marihuana-Enthusiasten ohne Sinn für
Realität.
Solarz betont, dass die mit Polizeigewalt niedergeschlagenen Märsche
und Sit-Ins alles andere als "groovy" waren, wie Shepard
mit jugendlicher Herablassung insinuiert; der Griff zu Skimaske und
Kalaschnikow war zwar nicht richtig, doch geschah er aus der
Frustration und dem verzweifelten Wunsch, etwas gegen den Tod
Tausender Amerikaner und Vietnamesen zu unternehmen. Fehler wurden
gemacht, Prinzipien verraten, Ideen korrumpiert – aber gänzlich
sinnlos war die Rebellion nicht.
Dies ist wohl die subversivste und zugleich am klarsten umrissene
Position, die Redford in The Company You Keep vertritt, einem
durchaus anregenden, aber hoffnungslos überladenen
Verschwörungsthriller. In einer Ära, in der liberaleres Gedankengut
wieder die Oberhand über den paranoiden Chauvinismus der Bush-Jahre
gewinnt und grundsätzliche Politik-Skepsis die Einstellung der
Stunde ist, besteht für den mittlerweile 76-jährigen Oscargewinner
kein Anlass mehr, den Stand der Dinge in einem Thesenfilm in der Art
von Lions for Lambs anzuprangern.
Entsprechend wirkt vieles in The Company You Keep, der
Verfilmung des gleichnamigen Romans von Neil Gordon, auffällig
rückwärts gewandt. Die Geschichte um den ehemaligen
Weather-Underground-Aktivisten Nick Sloan (Redford), der nach dem
Auffliegen seiner neuen Identität auf der Flucht vor dem Zugriff des
FBI ist, das ihn für einen 30 Jahre zurückliegenden Bankraub
verhaften will, und auch vor den den Recherchen des unermüdlichen
Reporters Ben Shepard, quer durch die USA tingelt, um seine Unschuld
zu beweisen, echauffiert sich über die "junge Generation von
heute", die zwar gerne den Geschichtslektionen über die wilden
Sechzigerjahre lauscht, selber aber nur aus jungen
Facebook-Narzissten besteht. Voller Wehmut wird Shepard als letzter
Aufrechter gezeigt, als übermotivierter, aber ehrbarer Journalist in
der Tradition von Woodward und Bernstein, der unabhängig von
Budget-Bedenken und politischen Gängeleien – sowie "ohne
Twitter und E-Mail" – Missstände auf beiden Seiten des
Spektrums aufdeckt. Ihm ebenbürtig ist nur Redford selber, ein
praktisch fehlerloser Held, der, verkleidet mit Lederjacke,
Schirmmütze und Sonnenbrille, dem FBI und dessen
NSA-Verfolgungspraktiken stets zwei Schritte voraus ist.
Auf der Flucht: Der ehemalige Radikale Nick Sloan (Robert Redford) reist im Geheimen durch die USA, um zu beweisen, dass ihm das FBI zu Unrecht nachstellt. © Ascot Elite |
Als einen der Gründe, weshalb sich das Bureau von einem
Mittsiebziger und einem Lokalblatt-Schreiberling dermassen vorführen
lässt, identifiziert der Film das antiquierte, simple Weltbild, in
dem seine Agenten gefangen zu sein scheinen. "We're the good
guys here", ermahnt Einsatzleiter Cornelius (Terrence Howard)
seine Untergebenen. Zweifel und Selbstkritik haben im
Fahndungsprozess keinen Platz, es gilt die Maxime "Mitgegangen,
mitgefangen"; basierend auf "the company he keeps",
wird Nick in absentia für schuldig erklärt. (Andererseits jedoch
leisten ihm eben jene alten radikalen Freunde auf seiner Reise
wertvolle Schützenhilfe.) Auch hier stellt sich die Frage, wie nahe
sich dieses Porträt des unfähigen FBI an der Realität befindet.
Insgesamt schneidet The Company You Keep besser ab, wenn diese
überraschend unbeholfenen politischen und gesellschaftlichen Ansätze
ausser Acht gelassen werden und man den Fokus auf die dramaturgische
Ebene legt. Hier kann sich der Film durch ein munteres Tempo und
einige sehenswerte Auftritte (Susan Sarandon, Chris Cooper, Nick
Nolte) auszeichnen, was zumindest anfänglich von den vereinzelt
auftretenden Dialogschwächen ("Radicals yes, but also lovers")
kaum untergraben wird.
Am Ende aber zeigt sich, dass Redford auch 33 Jahre nach Ordinary
People noch immer kein begnadeter Regisseur ist. Im letzten Akt
verwandelt sich die dezente, an Clint Eastwoods A Perfect World
erinnernde menschliche Komponente in unangebrachte
Sentimentalität, die Quasi-Perfektion des Nick Sloan steigert sich
ins Unermessliche, der Film bricht zusammen unter der Last von allzu
spät eingeführten Handlungssträngen um Polizeikorruption und
familiäre Verbindungen sowie einem inflationären Gebrauch bekannter
Hollywood-Mimen, von Julie Christie und Sam Elliott bis Stanley
Tucci, Richard Jenkins und dem Iren Brendan Gleeson (mit aufgesetztem
amerikanischem Dialekt), deren Auftritte sich überwiegend auf
Kurzeinsätze von höchstens fünf Minuten beschränken. So gilt, was
sich auch über The Company You Keep als Ganzes sagen lässt:
Weniger wäre mehr gewesen.
★★★
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