Freitag, 2. August 2013

Frances Ha

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.


Er ist eine angesehene Figur im amerikanischen Indie-Kino, sie ein aufstrebendes Talent in derselben Szene. Nun haben sich Noah Baumbach und Greta Gerwig zu einem gemeinsamen Projekt zusammengefunden, der sympathischen, aber zuweilen etwas allzu leichtgewichtigen Milieustudie Frances Ha.

Darin erzählen Regisseur/Co-Autor Baumbach (The Squid and the Whale, Margot at the Wedding, Greenberg) und Hauptdarstellerin/Co-Autorin Gerwig (Greenberg, Damsels in Distress, To Rome with Love) von der Titel gebenden Frances, 27, deren Leben sich in den New Yorker In-Quartieren zwischen Tribeca, Chinatown und Williamsburg abspielt, wo sich die – zumeist jungen – Menschen durch ironisch verdrehte Äusserungen wie "I got fired a million times – makes you cool" oder "This apartment is very aware of itself" auszeichnen. Es ist ein Hipster-Mekka; markante Brillenrahmen und Fedora-Hüte sind fester Bestandteil des Dresscodes, man trägt altmodische Polaroid-Kameras mit sich herum, künstlerische Ambitionen hegt praktisch jeder.

So auch Frances, seit Jahren aktives, aber hierarchisch untergeordnetes, Mitglied einer Gesellschaft für modernen Tanz. Ihr kleines Gehalt verdient sie sich mit Ballettstunden für Kinder, während ihre Mitbewohnerin und beste Freundin Sophie (die wundervoll nuancierte Mickey Sumner) im "echten Leben" angekommen und fest bei einem Verlagshaus angestellt ist. Zusammen entfliehen sie dem drögen Grossstadtleben mit ihren Idiosynkrasen – spontanen Tanzeinlagen, nachgestellten Faustkämpfen oder Scherz-Kosenamen ("Hey, sexy!").

Als Sophie jedoch zu ihrem Freund zieht, steht Frances auf verlorenem Posten da und muss sich in ihrem Leben neu zurechtfinden; es folgen temporäre Fluchten ins Appartement zweier Freunde (Adam Driver, Michael Zegen), zur Familien-Weihnachtsfeier im kalifornischen Sacramento, nach Paris. Stringent strukturiert sind diese Episoden mitnichten. Die Dramaturgie ist der Geschichte angepasst. Szenen folgen assoziativ aufeinander, grössere Zeitsprünge werden parallel zu Frances' Umzügen durch Adressen als Kapiteltitel markiert. Die eigentliche Erzählung ist wenig mehr als eine Sammlung von Vignetten, die mal Woody Allen'sch-absurd, mal peinlich-unangenehm im Stile von Lena Dunhams TV-Serie Girls sein kann. Das versöhnliche Ende wirkt zu geschmeidig und allumfassend.

Mit Exzentrik gegen den drögen Alltag: Frances (Greta Gerwig, rechts) und ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Sophie (Mickey Sumner).
© filmcoopi
Doch Baumbach und Gerwig finden viel Wahrheit in ihren Szenarien. Zwar versteht sich Frances Ha mit seinem schwarzweissen Retro-Chic (der allerdings eher Oh Boy als Manhattan evoziert) und seinen liebevollen Seitenhieben auf die New Yorker Hipster-Kultur entschieden als Teil dieser Szene, doch entbehrt der Film auch nicht eines kritischen, perzeptiven Blicks auf die Generation der digitalen Twentysomethings. Anstatt sie zu stärken, scheinen menschliche Beziehungen durch die stetige Verbundenheit via Facebook und iPhone an Tiefe zu verlieren. Nirgendwo wird dies offensichtlicher als an dem Punkt, als Sophie mit ihrem Zukünftigen nach Tokio übersiedelt und Frances dazu gezwungen ist, das Leben ihrer wohl wichtigsten Bezugsperson ("We're like a lesbian couple who don't have sex anymore") auf einem verlogenen Blog zu verfolgen. Alles ist permanent Schwankungen unterworfen: Abends tingelt man von Party zu Party; Wohnungen werden gewechselt, verliehen und weitergereicht; eine scheinbar feste Entscheidung sogleich rückgängig zu machen, ist normal ("Yes... no").

Schlussendlich überwiegen aber die positiven Aspekte dieses Lebensstils. Niemand, zuallerletzt die optimistische Frances, verfällt je der Hoffnungslosigkeit. Im Verständnis dieser sich bereits alt fühlenden Spätzwanziger ist das Leben zu kurz, um sich von Finanznot und unerfüllten Wünschen deprimieren zu lassen, um nicht seinen Träumen zu folgen. Am Ende, das für Frances ein Aufbruch darstellt, steht die Moral: Tue, was du gern machst. Reich wirst du damit wahrscheinlich nicht. Glücklich schon eher.

★★★

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