Er ist eine angesehene Figur im amerikanischen Indie-Kino, sie ein
aufstrebendes Talent in derselben Szene. Nun haben sich Noah Baumbach
und Greta Gerwig zu einem gemeinsamen Projekt zusammengefunden, der
sympathischen, aber zuweilen etwas allzu leichtgewichtigen
Milieustudie Frances Ha.
Darin erzählen Regisseur/Co-Autor Baumbach (The Squid and the
Whale, Margot at the Wedding, Greenberg) und
Hauptdarstellerin/Co-Autorin Gerwig (Greenberg, Damsels in
Distress, To Rome with Love) von der Titel gebenden Frances,
27, deren Leben sich in den New Yorker In-Quartieren zwischen
Tribeca, Chinatown und Williamsburg abspielt, wo sich die – zumeist
jungen – Menschen durch ironisch verdrehte Äusserungen wie "I
got fired a million times – makes you cool" oder "This
apartment is very aware of itself" auszeichnen. Es ist ein
Hipster-Mekka; markante Brillenrahmen und Fedora-Hüte sind fester
Bestandteil des Dresscodes, man trägt altmodische Polaroid-Kameras
mit sich herum, künstlerische Ambitionen hegt praktisch jeder.
So auch Frances, seit Jahren aktives, aber hierarchisch
untergeordnetes, Mitglied einer Gesellschaft für modernen Tanz. Ihr
kleines Gehalt verdient sie sich mit Ballettstunden für Kinder,
während ihre Mitbewohnerin und beste Freundin Sophie (die wundervoll
nuancierte Mickey Sumner) im "echten Leben" angekommen und fest
bei einem Verlagshaus angestellt ist. Zusammen entfliehen sie dem
drögen Grossstadtleben mit ihren Idiosynkrasen – spontanen
Tanzeinlagen, nachgestellten Faustkämpfen oder Scherz-Kosenamen
("Hey, sexy!").
Als Sophie jedoch zu ihrem Freund zieht, steht Frances auf verlorenem
Posten da und muss sich in ihrem Leben neu zurechtfinden; es folgen
temporäre Fluchten ins Appartement zweier Freunde (Adam Driver,
Michael Zegen), zur Familien-Weihnachtsfeier im kalifornischen
Sacramento, nach Paris. Stringent strukturiert sind diese Episoden
mitnichten. Die Dramaturgie ist der Geschichte angepasst. Szenen
folgen assoziativ aufeinander, grössere Zeitsprünge werden parallel
zu Frances' Umzügen durch Adressen als Kapiteltitel markiert. Die
eigentliche Erzählung ist wenig mehr als eine Sammlung von
Vignetten, die mal Woody Allen'sch-absurd, mal peinlich-unangenehm im
Stile von Lena Dunhams TV-Serie Girls sein kann. Das
versöhnliche Ende wirkt zu geschmeidig und allumfassend.
Mit Exzentrik gegen den drögen Alltag: Frances (Greta Gerwig,
rechts) und ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Sophie (Mickey
Sumner).
© filmcoopi
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Doch Baumbach und Gerwig finden viel Wahrheit in ihren Szenarien.
Zwar versteht sich Frances Ha mit seinem schwarzweissen
Retro-Chic (der allerdings eher Oh Boy als Manhattan evoziert) und seinen liebevollen Seitenhieben auf die New Yorker
Hipster-Kultur entschieden als Teil dieser Szene, doch entbehrt der
Film auch nicht eines kritischen, perzeptiven Blicks auf die
Generation der digitalen Twentysomethings. Anstatt sie zu stärken,
scheinen menschliche Beziehungen durch die stetige Verbundenheit via
Facebook und iPhone an Tiefe zu verlieren. Nirgendwo wird dies
offensichtlicher als an dem Punkt, als Sophie mit ihrem Zukünftigen
nach Tokio übersiedelt und Frances dazu gezwungen ist, das Leben
ihrer wohl wichtigsten Bezugsperson ("We're like a lesbian couple
who don't have sex anymore") auf einem verlogenen Blog zu
verfolgen. Alles ist permanent Schwankungen unterworfen: Abends
tingelt man von Party zu Party; Wohnungen werden gewechselt,
verliehen und weitergereicht; eine scheinbar feste Entscheidung
sogleich rückgängig zu machen, ist normal ("Yes... no").
Schlussendlich überwiegen aber die positiven Aspekte dieses
Lebensstils. Niemand, zuallerletzt die optimistische Frances,
verfällt je der Hoffnungslosigkeit. Im Verständnis dieser sich
bereits alt fühlenden Spätzwanziger ist das Leben zu kurz, um sich
von Finanznot und unerfüllten Wünschen deprimieren zu lassen, um
nicht seinen Träumen zu folgen. Am Ende, das für Frances ein
Aufbruch darstellt, steht die Moral: Tue, was du gern machst. Reich
wirst du damit wahrscheinlich nicht. Glücklich schon eher.
★★★
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