In einer perfekten Welt würde The Bling Ring nicht existieren
und Regisseurin Sofia Coppola ist sich dessen vollauf bewusst. Der
Film beruht auf den Titel gebenden "Bling Ring"-Einbrüchen,
welche zwischen 2008 und 2009 die Prominenz der Hollywood Hills in
Atem hielten. Jugendliche stiegen in die Anwesen von Stars wie
Orlando Bloom, Megan Fox oder Paris Hilton ein und bedienten sich bei
deren reichen Sammlungen von Mode-Produkten. Privilegierte
Vorstadt-Bengel bestahlen superreiche Schauspieler und Models. Zu
reellem Schaden ist niemand gekommen; im Grunde ist das Ganze also
eine Lappalie.
Da aber die "Opfer" nun einmal bekannte Menschen aus Film
und Fernsehen waren, wurde aus der an sich belanglosen Geschichte ein
nationales Drama. Unter Federführung des multimedialen
Promi-Klatschmagazins TMZ, welches regelmässig mit vernichtenden
Editorialen über kleidertechnische "Todsünden" auffällt,
stürzten sich die US-Medien – einschliesslich CNN und New York
Times – auf die Raubzüge. Insider-Reporte über die Schuldigen
folgte, darunter Nancy Jo Sales' Vanity Fair-Artikel "The
Suspects Wore Louboutins", auf dem Sofia Coppolas Drehbuch
aufbaut.
Namen wurden verändert, Vorgänge vereinfacht, doch die Geschichte,
die facettenreich vom perversen amerikanischen Prominentenkult
erzählt, blieb erhalten: Irgendwann im Jahr 2008 wechselt der
Aussenseiter Marc (Israel Broussard) an die Indian Hills High School
in Calabasas nahe Los Angeles. Dort freundet er sich mit Rebecca
(Katie Chang) an, die einem ganz speziellen Hobby frönt: Diebstahl.
Als diese sich jedoch von "normalen", auf allen vier
Fronten verglasten Villen nicht mehr genügend herausgefordert fühlt,
beginnt sie, sich mit Marc Zugang zu den Häusern berühmter Leute zu
verschaffen. Bald formiert sich um die beiden eine modebewusste
Räuber-Clique, bestehend aus Nicki (Emma Watson), Chloe (Claire Julien) und Sam (Taissa Farmiga), die sich die Accessoires iher
Stil-Ikonen aneignen.
In der Bearbeitung dieses doch eher unfilmischen Stoffs treten
Stärken wie auch Schwächen von Coppolas Stil hervor. Wieder einmal
erweist sie sich als Virtuosin der langen, statischen Einstellung –
unvergessen sind ihre diesbezüglichen Anfangsbilder, von Scarlett
Johanssons Gesäss in Lost in Translation bis zu den sinnlosen
Rennbahn-Runden, die Stephen Dorff in Somewhere mit seinem
schwarzen Ferrari dreht. Hier bleibt vor allem die unbewegte Kamera
in Erinnerung, deren kalter, teilnahmsloser Blick auf das Haus von
Model-Sternchen Audrina Patridge gerichtet ist und wo der Zuschauer
von ferne dazu eingeladen wird, Rebeccas und Marcs Streifzug durch
die verschiedenen Räume zu beobachten.
Diebische Jeunesse dorée: Marc (Israel Broussard), Chloe (Claire Julien, Mitte) und Rebecca (Katie Chang). © Pathé Films AG |
Andererseits aber stösst Coppolas kontemplativer Stil in The
Bling Ring mehrmals an seine Grenzen. Die geradezu frustrierende
Neutralität, mit der sie die Auswüchse von Starkult porträtiert –
bis zum Punkt, an dem der unterschwellige Zynismus kaum mehr als
solcher erkannt wird –, stellt zwar ein brillantes Stück
Provokation dar, doch sie behindert mitunter eben auch den
Erzählfluss. Mit Ausnahme einiger inszenierter Interviewfetzen, in
denen die "Beteiligten" (i.e. die Schauspieler im Rahmen
der Film-Fiktion) ihre Sicht der Dinge schildern, verläuft ein
Grossteil der Handlung irritierend gleichförmig: Einbruch, Feier,
kurze Planung, nächster Einbruch.
Ihre dennoch nicht unbeträchtliche Schlagkraft entwickelt die Satire
schliesslich in der Interaktion ihrer beiden Leitmotive, der
ungesunden amerikanischen Faszination mit "Glitzer und Glamour"
und der selbstgefälligen, zugleich prätentiösen oberen
Mittelschicht, die sich, sei es aus Minderwertigkeitskomplexen, sei
es aus unschuldiger Naivität, besonders hingerissen zeigt von
TMZ-Artikeln und Perez-Hilton-Blogeinträgen. Anschauliches Beispiel
dafür ist hier Laurie Moore, Mutter von Nicki und Adoptivmutter von
Sam, von der herausragend besetzten Leslie Mann zu oberflächlicher
Perfektion gespielt, welche ihre Töchter zu
"wissenschaftlich-religiösen" New-Age-Betzirkeln
zusammenruft, inspirative Collagen zu Ehren von Angelina Jolie
bastelt und ihr Haus in grellen Barbie-Pastellfarben dekoriert hat.
Unter diesem Einfluss überrascht es nicht, dass die nächste
Generation zu verzogenen, verwöhnten, gelangweilten, in Nickis Fall
skrupellosen, in Marcs Fall beeinflussbaren, Narzissten heranwachsen,
die Smartphone-Kamera stets auf sich selbst gerichtet, nach ihrer
Verhaftung grosse Reden über "Amerikas ungesunde
Bonnie-und-Clyde-Faszination" oder den eigenen humanitären
Einsatz schwingend. Coppola gelingt dieses Porträt besser als
Harmony Korine im ähnlich zynischen, aber weitaus dogmatischeren
Spring Breakers, nicht zuletzt dank ihrer scharfen, von den
jungen Schauspielern (Broussard, Chang und Julien sind Neulinge)
treffsicher vorgetragenen Dialoge, die Substanz in der Leere und der
sprunghaften Unehrlichkeit ("Just kidding! OMG! Chill!")
des Bling-Ring-Idioms finden. Diskurse wie "Oh my god!" –
"I know, right?" – "No way" – "Wow"
– "Wow" (Originalzitat ohne Auslassung) deuten
schmerzlich darauf hin, wie sinnentleert ein Leben wird, wenn man es
ausschliesslich an Menschen ausrichtet, deren Berühmtheitsgrad
bestenfalls zweifelhaft ist. The Bling Ring ist, passend zu
seinem Thema, frustrierend brillant.
★★★★
Mir gefiel vor allem, dass man merkte, das sich der film selber nicht immer allzu ernst nahm...ganz im Gegensatz zu Spring Breakers
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