Donnerstag, 26. September 2013

Ernest et Célestine

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Unter der Federführung Hollywoods hat sich inzwischen der rasante, chaotische, in seinen pädagogischen Absichten plumpe Kinderfilm als Norm etabliert. Einen erfrischenden Gegenentwurf bietet nun die ebenso gehaltvolle wie subtile französisch-belgische Koproduktion Ernest et Célestine.

Zwischen 1981 und ihrem Tod im Jahr 2000 veröffentlichte die Brüsseler Autorin und Illustratorin Monique Martin unter dem Pseudonym Gabrielle Vincent 27 Bilderbuch-Erzählungen mit Ernest dem Bären und Célestine der Maus als Hauptfiguren. Die beiden leben in einer klar strukturierten Welt: Während an der Erdoberfläche Bären aller Art ihren Geschäften nachgehen, verbringen die Mäuse ihr Leben in der Kanalisation. Oben will man von den kleinen Plagegeistern nichts wissen, während sich unten männiglich vor den gefrässigen Bären fürchtet.

Einzig die jungen Zahnarzt-Praktikanten unter den Nagern begeben sich regelmässig hinauf, um die ausgefallenen Milchzähne der Bärenkinder einzusammeln (in Frankreich entspricht "la petite souris" unserer Zahnfee), welche danach zu Ersatzzähnen verarbeitet werden. Unter diesen Lehrlingen befindet sich auch die neugierige Célestine (Originalstimme: Pauline Brunner – grossartig!). Als diese eines Nachts auf den verarmten Bären Ernest (Lambert Wilson – grossartig!) trifft, ergreift sie nicht die Flucht, sondern hilft ihm dabei, seinen Hunger zu stillen. Bald schon werden die beiden zu Freunden – sehr zum Missfallen ihrer jeweiligen Artgenossen.

Ernest et Célestine ist, kurz gefasst, ein wunderbarer Film, ein Meisterstück des echten und wahrhaftigen Kinderkinos. Mit bewundernswerter Eleganz erzählen Stéphane Aubier, Vincent Patar und Benjamin Renner eine berührende, oft auch humorvolle Geschichte, welche ihrem jungen Publikum den gebührenden Respekt entgegenbringt. Niemals fühlt sich der Film verpflichtet, dem Zuschauer etwas vorzubuchstabieren; vielmehr wird ihm zugetraut, ohne helfenden Erzähler die Mechanismen von Martins Welt zu durchschauen. Lacher werden nicht mit banalen Mitteln erzeugt (wie aktuell in Despicable Me 2), sondern ergeben sich organisch aus der Erzählung.

Ernest der Bär (Originalstimme: Lambert Wilson) und Célestine die Maus (Pauline Brunner) leben abseits ihrer Artgenossen, die ihre Freundschaft nicht akzeptieren.
© Ascot Elite
Einen ähnlichen Grad an Sorgfalt lässt das Regie-Trio auf der pädagogischen Ebene walten. Die wertvolle Moral von Ernest et Célestine wird nicht, wie man es aus Streifen wie The Lorax oder Planes kennt, mittels einer leidenschaftlichen Rede im letzten Akt vermittelt, sondern entspringt direkt aus der Erzählung. An Toleranz und Verständnis wird hier appelliert, an das Ideal, Unterschiede zu feiern statt sich vor ihnen zu fürchten. Aubier, Patar und Renner beleuchten selbst komplexere Sachverhalte wie die Segregations-Mentalität von Bären und Mäusen: Blindes Traditionsbewusstsein ("So war es schon immer") wird als Wurzel der Engstirnigkeit ausgemacht, unter der Ernest und Célestine einzeln wie auch gemeinsam leiden. Als Gegenmassnahme propagiert wird kritisches, unabhängiges Denken.

Doch ganz im Sinne seines reduzierten Zeichenstils – welcher, je nach Stimmung, an Mike van Audenhoves Zürich by Mike-Cartoons respektive Art Spiegelmans Graphic Novel Maus erinnert – und seiner simplen Dramaturgie schiesst der Film diesbezüglich nie über das Ziel hinaus. Der Subtext ist erkennbar, aber vage genug, um universell zu wirken und gleichzeitig die Figurenzeichnung nicht zu überstrahlen. Denn die Seele von Ernest et Célestine ist seine zentrale Freundschaft, vorgetragen mit dem Mut zu Stille und Emotionalität.

★★★★★

Jobs

© Ascot Elite



"Apart from such occasional bouts of attempted character building, however, the majority of the runtime is devoted to ticking the boxes, ploughing through the first ten years of Apple history – Apple I and II, Lisa, the seminal Macintosh – at an irritatingly erratic pace, lazily working in a wide range of people attached to the company."

Ganze Kritik auf The Zurich English Student (online einsehbar).

Donnerstag, 19. September 2013

An Episode in the Life of an Iron Picker

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

International bekannt wurde der bosnische Regisseur Danis Tanović mit seinem Kriegsfilm No Man's Land, der 2002 einen Oscar gewann. Elf Jahre später zeigt er in An Episode in the Life of an Iron Picker ein kriegsversehrtes Land, das seinen Optimismus dennoch nicht verloren hat.

Der Titel dieses minimalistischen, nicht einmal 75-minütigen Dramas ist Programm. Was der Zuschauer zu sehen bekommt, sind einige wenige Tage im Leben des im ländlichen Bosnien-Herzegowina lebenden Roma-Ehepaars Nazif (Nazif Mujić) und Senada (Senada Alimanović), eine Krise im von Armut bestimmten Alltag einer vierköpfigen Familie – vielleicht nicht einmal ihre schlimmste. Es ist eine (auf Tatsachen beruhende) Episode, wie sie sich in weiten Teilen Bosniens wohl nicht allzu selten zuträgt: Die schwangere Senada erleidet eine Fehlgeburt und muss sich einer Operation unterziehen, zu der ihr und Nazif, der sich sein karges Auskommen als Eisensammler verdient, mangels Krankenversicherung die finanziellen Mittel fehlen.

Obwohl sich An Episode in the Life of an Iron Picker letzten Endes in ein Märchen vom Glück in der Armut verwandelt – was in Aki Kaurismäkis inhaltlich verwandtem Le Havre bedeutend besser funktioniert hat –, lässt sich nur wenig in Tanovićs Film metaphorisch deuten. Wenn Nazif auf der Spitze eines steilen, teilweise von Schnee bedeckten Müllberges steht und anschliessend in dessen Tiefen nach metallenen Objekten gräbt – eine packende, herausragend in Szene gesetzte Sequenz –, schreit dies förmlich nach einem Vergleich mit dem mythischen Sisyphos. Auch eine Verbindung zu Hiob ist angesichts der nicht abreissenden Unglückskette, die den stets einen gänzlich indifferenten Gott anrufenden Nazif ("Da ging's mir ja im Krieg noch besser!") quält, nicht von der Hand zu weisen.

Ansonsten aber befindet sich Tanovićs Erzählung ganz im Hier und Jetzt, spürbar beeinflusst vom sowjetischen Sozialrealismus der späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre (nicht zuletzt am Filmplakat erkennbar, dessen karge Kohlestift-Ästhetik sich am ikonischen Poster zu Andrei Tarkovskys Ivan's Childhood zu orientieren scheint). Tanović konfrontiert sein Publikum mit dem Porträt eines Landes, das sich nicht um seine Bürger kümmern kann oder will. Gründe dafür findet Tanović im fehlenden Gemeinschaftssinn der Menschen des Landes (welcher bei den Roma in beinahe utopischem Überfluss vorhanden ist), in der maroden Wirtschaft und, wie schon Aida Begić in Children of Sarajevo, im wuchernden Kapitalismus, der geografische, nicht aber soziale Mobilität ermöglicht und der das leidige System der Bezahl-Medizin überhaupt erst in Bewegung gesetzt hat.

Trotz Armut führen Nazif (Nazif Mujić) und Ehefrau Senada (Senada Alimanović) ein glückliches Leben – wäre da nicht die fehlende Krankenversicherung.
© trigon-film
Eingerahmt sind diese Motive in einer direkten, stark personalisierten Handlung, welche in ihren schwächsten Momenten, unterstützt von einer mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzten Handkamera, einem boulevardesken Nachrichtenreport oder einer herablassenden Elends-Dokumentation ähnelt. Auch bedient sich Tanović des zweifelhaften Kniffs, die beiden kleinen Töchter (Šemsa Mujić, Sandra Mujić) von Senada und Nazif immer wieder in ihrer ganzen kindlichen Unschuld in die Kamera blicken zu lassen. Nicht nur hinterlässt diese plumpe Art des Mitleiderheischens ein ungutes Gefühl; die unbeholfene Publikumsmanipulation wäre gar nicht nötig. Denn die naturalistischen Darbietungen von den sich im Grunde selber spielenden Senada Alimanović und Nazif Mujić genügen vollauf, um dem Zuschauer ihre Nöte nahe zu bringen – und ihn schlussendlich an ihrem wohlverdienten Glück teilhaben zu lassen.

★★★

Dienstag, 17. September 2013

Gloria

1982, als die Disco-Welle eigentlich schon wieder passé war, erlangte die amerikanische Popmusikerin Laura Branigan kurzzeitig Weltruhm mit ihrer englischsprachigen Interpretation von "Gloria", einem Eurodisco-Track, den der Italiener Umberto Tozzi drei Jahre zuvor geschrieben und eingespielt hatte. Der seither in zahlreiche andere Sprachen übersetzte Song handelt von einer Frau, die sich offenkundig im Unklaren darüber befindet, ob sie sich wieder verlieben soll, ob sich der ganze Stress überhaupt noch lohnt.

Auch der neue Film des Chilenen Sebastián Lelio heisst Gloria und dreht sich um eine Frau, welche sich mit derartigen Fragen auseinandersetzen muss. 1982 hätte sogar das Jahr sein können, in dem sich Gloria (Paulina García) und Daniel (Alejandro Goic), auf der Höhe von Augusto Pinochets Militärdiktatur, das Jawort gegeben haben. Mittlerweile aber ist die Ehe zerbrochen, Gloria ist 58 Jahre alt und sucht in Nachtclubs nach amourösen Abenteuern. Am Ende seiner Geschichte verkneift es sich Lelio nicht, das Tozzi-Lied in seiner ganzen Synthesizer-Pracht abgzuspielen. Problematisch ist allerdings die Tatsache, dass dies der einzige Moment ist, an dem Gloria so etwas wie Identität aufweist.

Jeder andere Teil des Films ist austauschbar. Der auf 110 Minuten zerdehnte Plot macht grosszügig Gebrauch von den spezifischen Klischees, wie man sie aus anderen Streifen über frustrierte Menschen mittleren Alters kennt: Gloria besucht zweifelhafte Gruppentherapien, in denen Probleme weggetanzt und -gelacht werden sollen; sie greift zum Joint; sie verliebt sich in den gleichaltrigen Rodolfo (Sergio Hernández), dessen Unzuverlässigkeit für den Grossteil der breit getretenen Konflikte verantwortlich ist.

Gleich zweimal wird Gloria in eine Krise gestürzt, weil Rodolfo inmitten einer gemeinsamen Unternehmung plötzlich verschwindet; dass sein übertriebenes Verantwortungsgefühl für seine Töchter aus erster Ehe der Grund für den Graben zwischen ihm und Gloria ist, wird ad nauseam wiederholt. "Körperlich sind sie erwachsen", so Rodolfo, "geistig nicht". Es ist ein Verweis darauf, dass es sich mit den beiden Endfünfzigern ähnlich verhält. Lelio erzählt von zwei Menschen, welche im Angesicht des Alters noch einmal erwachsen werden müssen, welche einerseits (Gloria) ihre Selbstachtung wiederzufinden versuchen und andererseits (Rodolfo) lernen sollten, die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Neue Liebe im mittleren Alter? Die geschiedenen Gloria (Paulina García) und Rodolfo (Sergio Hernández) finden Gefallen aneinander.
© filmcoopi 
Gloria gelingt dies schlussendlich wenigstens ansatzweise; Rodolfo hingegen scheitert, als er seine neue Liebe sitzen lässt, um seine Ex-Frau zu besuchen, welche sich verletzte, indem sie in eine Fensterscheibe knallte (man kann nur hoffen, dass dies nicht allzu ernst gemeint ist). Den Weg dahin verkauft Lelio seinem Publikum als hoch emotionalen Reifungsprozess, in dem sich Gloria auch damit abfindet, Teil der "alten" Generation zu sein, die einst noch gegen Pinochet demonstrierte, heute aber keinen Drang mehr dazu verspürt, sich den Protesten gegen die neuen politischen Feindbilder anzuschliessen.

Über alldem hängt die Atmosphäre der Werke von Mike Leigh, vorab Happy-Go-Lucky und Another Year. Doch anders als in den Filmen des britischen Meistercineasten ist in Gloria alles zu beiläufig, zu steif, um wirklich grosse Gefühle auszulösen, zu eintönig gemacht, um auf der filmischen Ebene zu packen. Die wenigen Einblicke, die man in Glorias Psyche erhält, erwecken nicht unbedingt Sympathie für diese ichbezogene, sich in ihrer Melancholie suhlenden Person, während Rodolfo nie mehr als ein plotfreundliches Konstrukt ist, dessen Charakterzüge nicht über das Nötigste hinausgehen. Es fiele leicht, hier Leere und Vagheit mit Subtilität zu verwechseln.

★★

Montag, 16. September 2013

The Congress

Obwohl keineswegs ohne Mängel, so gehört Ari Folmans Dokumentation Waltz with Bashir dennoch zu den klügsten, erschütterndsten Werken, die der Animationsfilm in den letzten zehn Jahren hervorgebracht hat. Diese Wirkung verdankt er nicht zuletzt der Entscheidung Folmans, in den letzten Sekunden des Films das gezeichnete Bild durch reales Archivmaterial zu ersetzen. Durch einen simplen Schnitt wurden die weinenden palästinensischen Frauen, welche aus dem von einer christlich-libanesischen Phalanx massakrierten Flüchtlingslager von Sabra und Shatila strömten, lebendig, ihr Leid durch den plötzlichen Medienwechsel förmlich greifbar.

Man kann darüber diskutieren, ob Folmans Methode die Grenzen der akzeptablen Manipulation überschreitet, doch es lässt sich nur schwer bestreiten, dass sie ihr Ziel erreicht hat. So gut hat dieser Schnitt funktioniert, dass Folman ihn in seinem neuen Film, The Congress, einer freien Adaption von Stanisław Lems Roman Der futurologische Kongress, gleich noch einmal einsetzt: Die sich selber spielende Schauspielerin Robin Wright (The Princess Bride, Forrest Gump) wandelt durch ein animiertes Schein-Utopia, dessen wunderschöne Bewohner sich mit einem Schnitt in reale Menschen verwandeln, sediert, ausgemergelt, in Lumpen gekleidet.

Dass der Kniff inzwischen nur noch halbwegs zu packen vermag, verweist auf die fundamentalen inhaltlichen Probleme, von welchen The Congress unterminiert wird. Der Grund, weshalb Wright überhaupt in jene gezeichnete Fantasiewelt gefallen ist, liegt viele Jahre in der Vergangenheit: Damals, im Jahr 2013, hat sie dem Filmstudio Miramount die Rechte an ihrem Abbild überlassen, es dazu autorisiert, ihre Person digital einzuscannen, um künftig einen computergenerierten Avatar von ihr in jedem beliebigen Streifen zu benutzen. (Vom Schauspielfach scheint Folman nicht allzu viel zu halten, da der Scanner nur zwei Emotionen – Freude und Trauer – von Wright benötigt.)

20 Jahre später reist sie zu einem von der mittlerweile allmächtigen, einen vollständig animierten Lebensstil propagierenden Miramount-Firma ausgerichteten Futuristen-Kongress, auf dessen Gelände strikter "Animationszwang" herrscht. Mittels einer chemischen Lösung halluzinieren sich die Teilnehmer in eine alternative Realität, wo ihre Mitmenschen die Formen von Cartoon-Charakteren, Kunstwerken und Berühmtheiten wie Clint Eastwood, Marilyn Monroe, Frida Kahlo, Yoko Ono, Elvis Presley, John Wayne, Michael Jackson und Elizabeth I. annehmen – eine Welt, gezeichnet in einem bizarren Hybrid-Stil, der die Ästhetik von Silly Symphonies, Merry Melodies, Sylvain Chomet, Cool World und Yellow Submarine in sich vereint.

Am futurologischen Kongress herrscht "Animationszwang", auch für die Schauspielerin Robin Wright.
© Pathé Films AG
Abstreiten lässt sich die Brillanz von Folmans Animation nicht. In zuckersüssen, ins Albtraumhafte überzeichneten Bildern fängt er die düster-groteske Atmosphäre von Lems zynischer Dystopie ein; faszinierend und beängstigend zugleich ist die Welt, die er kreiert. Bis der Film aber seinen Hauptteil erreicht, verstreichen 40 lange Minuten, in denen sich Robin Wright in realer Form mit der Aussicht auf ein Leben abseits des Rampenlichts auseinandersetzt. Hier wird ihr herzensguter Agent (Harvey Keitel) eingeführt, der danach komplett von der Bildfläche verschwindet, ferner der skrupellose Miramount-Produzent Jeff Green (Danny Huston), ihr schleichend Gehör und Augenlicht verlierender Sohn Aaron (Kodi Smit-McPhee) sowie dessen Arzt (Paul Giamatti).

Dieses erste Drittel ist, vereinfacht gesagt, eine technische wie thematische Katastrophe. Die grässlich dämmergelbe Beleuchtung macht aus jedem Dialog eine Abfolge von Dokumentarfilm-Interviews; auf der Tonspur wird, in der Hoffnung charakterliche Tiefe zu erzeugen, allzu häufig am Lautsträrkenregler gedreht. Banale Satire dominiert: Folman lässt sich herab zu billigen Schenkelklopf-Verweisen auf "B-actresses doing Holocaust flicks" und ignorante Produzenten ("Do you know why nobody read Lord of the Rings? Because it's boring! That's why we make movies"). Mit erhobenem Zeigefinger warnt er vor der Rationalisierung der Künste (ausgediente Kameramänner bedienen Miramounts Menschen-Scanner) und den Tücken des Fortschritts (die durchaus nachvollziehbare Linie "Technophobie hat noch nie jemanden weitergebracht" wird als Auswuchs jugendlicher Naivität behandelt). Seinen lächerlichen Höhepunkt erreicht der sich selber viel zu ernst nehmende Film bereits nach einer halben Stunde, als Paul Giamatti während einer Beschreibung von Aarons Krankheit daraus plötzlich die bedeutungsschwangere Linie "Imagine what movies will be like in 50 years" ableitet.

Leider wird dieser Ansatz auch in den darauf folgenden 80 Minuten weitergeführt; Lems hintergründiger Humor weicht einer geradezu kindischen Wortakrobatik und uninspirierten Anspielungen – so heisst etwa der Zeremonienmeister des Titel gebenden Kongresses Reeve Bobs. Entsprechend pendelt The Congress stets zwischen abgedroschener Oberflächlichkeit und – dank Folmans Virtuosität im Bereich der Animation sowie der nachhaltigen Kraft von Lems Erzählung – wahrhaftig fesselnden Passagen.

★★

Freitag, 13. September 2013

"Cesare deve morire" / "Vous n'avez encore rien vu"

Trotz der unübersehbaren Parallelen zwischen dem Kino und dem Theater – das Starsystem, die Erzählform, das Zuschauererlebnis – hat sich in der Filmgeschichtsschreibung über die Jahre hinweg die Meinung durchgesetzt, dass nicht das Bühnenstück die wichtigste Vorform zum narrativ eingesetzten bewegten Bild darstellt, sondern die Kultur der Jahrmarktsattraktion, dass im Kino das Spektakel die Handlung gebar.

Dennoch fungiert das Theater seit nunmehr 120 Jahren immer wieder als Quell der Inspiration für Filmemacher, oft als Material zur Leinwand-Adaption, hin und wieder aber auch als Konzept an sich – man denke an Louis Malles diesbezüglichen Meilenstein Vanya on 42nd Street. In diesem Sinn und Geist haben sich unlängst gleich drei Regisseure von Weltrang mit der Frage auseinandergesetzt, ob und wo sich Theater und Kino kreuzen. Während die italienischen Brüder Paolo und Vittorio Taviani (I sovversivi, Padre padrone, La notte di San Lorenzo), 82 respektive 84 Jahre alt, in Cesare deve morire indirekt zu ihren journalistisch-dokumentarischen Wurzeln zurückkehren, präsentiert der 91-jährige Franzose Alain Resnais (Hiroshima mon amour, L'année dernière à Marienbad) mit Vous n'avez encore rien vu ein Werk von raffinierter Vielschichtigkeit.

Es ist schwer zu sagen, wo in Cesare deve morire die Theaterverfilmung aufhört und die Dokumentation anfängt. Denn eigentlich erzählt der Film von einer Gruppe von Gefangenen – vorab Mörder, Drogenhändler und Mafia-Schergen – im Hochsicherheitstrakt des Römer Rebibbia-Gefängnisses, welche im Rahmen eines Theaterprojekts William Shakespeares Julius Caesar einstudieren. Die Prämisse ist echt, die Akteure ebenso. Gezeigt wird jedoch nicht – zumindest nicht explizit –, wie diese mit der kulturellen Herausforderung umgehen und im Laufe der sechsmonatigen Proben den anspruchsvollen Text meistern. Vielmehr inszenieren die Tavianis Cesare deve morire als hochgradig originelle Shakespeare-Adaption; der Zuschauer wohnt formvollendeten "Proben" bei, welche in Zellen, in Gängen, im Gefängnishof stattfinden und in denen die Darsteller mit Ausnahme kleiner persönlicher Vignetten und Soliloquien niemals aus ihren Rollen fallen.

Cäsar muss sterben: Die Gefangenen des Römer Rebibbia-Gefängnisses proben Shakespeares Julius Caesar.
© Camino
Viele Kritiker haben in ihren Rezensionen und Analysen Wert darauf gelegt, hierbei Realität und Fiktion voneinander zu trennen. Welche Proben sind echt, welche gestellt? Werden Paolo und Vittorio Taviani den Insassen von Rebibbia wirklich gerecht, wenn sie ihnen innere Monologe andichten? Der Drang, diese Fragen zu stellen, ist verständlich, aber für die Beurteilung des Films letztlich nicht hilfreich. Über die Grenze zwischen (scheinbarer) Wahrheit und Inszenierung lässt sich genauso lange diskutieren wie darüber, ob Julius Cäsar (hier gespielt von Giovanni Arcuri, dessen eindrucksvolle Präsenz einen schnell an James Gandolfinis Tony Soprano denken lässt) überhaupt jemals "Et tu, Brute?" gesagt hat.

Es ist bezeichnend, dass der Film seinen schwächsten Punkt erst dann erreicht, als er den zu lebenslanger Haft verurteilten Cosimo Rega (im Stück Brutus' Mitverschwörer Cassius) die allzu offensichtliche Linie "Seitdem ich weiss, was Kunst ist, ist diese Zelle zum Gefängnis geworden" in die Kamera sprechen lässt – der einzige Moment, in dem die Tavianis auf jegliche Ambivalenz verzichten.

Ansonsten aber ist Cesare deve morire eine der besten Shakespeare-Verfilmungen der vergangenen Jahre, ein faszinierendes Kunstwerk, in dem die Trennlinien zwischen Theater und Film sowie Fiktion und Wirklichkeit unablässig verwischt werden, in dem Kunst als höhere Wahrheit verstanden wird. Getragen wird dieser herausragende, zutiefst menschliche Film von seinen grandiosen Laien-Darstellern – allen voran Salvatore Striano (Brutus) und Antonio Frasca (Marcus Antonius) –, deren intensives Spiel Shakespeares Dialogen über Mord und die ihn rechtfertigende Moral spannende neue Dimensionen verleiht. So sieht lebendiges, "atmendes" Theater aus.

Alain Resnais' Vous n'avez encore rien vu ist im Vergleich zwar weniger zugänglich, aber nicht weniger spannend. Mit 13 Schauspielern, von denen die meisten bereits einmal unter ihm agierten – viele davon in Les herbes folles von 2009 –, vermischt er auf der Leinwand zwei Werke des französischen Dramatikers Jean Anouilh: Eurydice (1941) und Cher Antoine ou l'Amour raté (1969).

Passend zu Resnais' Hintergrund als Nouvelle-Vague-Intellektueller, steht der "Tod des Autors" nach Roland Barthes, buchstäblich und metaphorisch, am Anfang von allem. Der Film beginnt mit einer Serie von Anrufen, in welchen der sich selber spielende Cast visuell vorgestellt – Mathieu Amalric (hervorragend), Pierre Arditi (hervorragend), Sabine Azéma, Jean-Noël Brouté, Anne Consigny, Anny Duperey, Hippolyte Girardot, Gérard Lartigau, Michel Piccoli, Michel Robin, Jean-Chrétien Sibertin-Blanc, Michel Vuillermoz und Lambert Wilson – und, innerhalb des filmischen Rahmens, über die Situation aufgeklärt wird: Der renommierte Bühnenregisseur Antoine d'Anthac (Denis Podalydès) sei gestorben; überbracht wird die Mitteilung von seinem Bediensteten (Andrzej Seweryn), welcher die trauernden Mimen sogleich zur Testamentsvollstreckung bittet.

Angekommen in d'Anthacs Haus, wird den Besuchern, welche alle einst in verschiedenen Eurydice-Inszenierungen des Verstorbenen mitwirkten, ein Video des Meisters abgespielt, der sie darum bittet, sich die Aufnahme einer neuen Interpretation eben jenes Anouilh-Stücks anzusehen (aufgeführt von der Gruppe La Compagnie de la Colombe, entstanden unter der Regie von Bruno Podayldès).

Der physische Tod seines "Autors" (Eurydice wird konsequent als Schöpfung d'Anthacs behandelt) befreit demnach den Text. Ungebunden durch die Autorität seines Verfassers, wird das dezent surreale, nichtsdestoweniger aber relativ geradlinige Drama zu einem mehrdimensionalen Raum. Denn unter dem Eindruck der modernistischen Colombe-Adaption fallen die versammelten Darsteller, jung und alt, in ihre Rollen zurück: Es beginnt eine Meditation über das Verhältnis zwischen Leben und Literatur, über den Fluss der Zeit und den Platz des Menschen darin (ohnehin ein für Resnais typischer Topos).

Resnais, der vehement verneint, bei Vous n'avez encore rien vu handle es sich um sein cineastisches Testament (was Barthes' Theorie von der Trennung von Werk und Autor ebenfalls entspricht), schafft ein komplexes Kontinuum von Wahrheits- und Handlungsebenen, in dem etwa das Liebespaar Eurydice und Orphée vervielfacht auftritt, einerseits als bestehende Figuren aus der griechischen Mythologie, andererseits als Colombe-Schauspieler (Vimala Pons, Sylvain Dieuaide) auf d'Anthacs Heimkino-Leinwand und obendrein als verschiedenaltrige frühere Besetzungen im Zuschauerraum (Pierre Arditi und Lambert Wilson als Orphées, Sabine Azéma und Anne Consigny als Eurydices).

Lebendiges Theater: Sabine Azéma (Eurydice) und Pierre Arditi (Orphée) fallen in ihre alten Rollen zurück.
© Frenetic Films
Wie Shakespeares Dialoge über gerechtfertigten Mord in Cesare deve morire durch ihren Gebrauch vor einem Gefängnis-Hintergrund an Tiefe zu gewinnen scheinen, so erhalten Anouilhs philosophische Exkurse über das Gedächtnis des Unbelebten, von Wänden, Räumen und Objekten, und dessen Implikationen zusätzliches Gewicht, wenn sie auf drei Generationen von Schauspielern ausgeweitet werden, die Inkarnationen von Charakteren mimen, welche ihrerseits bereits über 2000 Jahre alt sind.

Virtuos arbeitet Resnais hierbei mit Split-Screen, Wiederholung, Parallelmontage und optischen Mitteln. So zieht er etwa einen deutlichen visuellen Kontrast zwischen "seiner" Eurydice und jener der Compagnie de la Colombe. Während die von Bruno Podalydès geleitete Aufführung in ausgebleichten Farben und klaren Konturen gehalten ist, macht er selber fast schon inflationär von der Weichzeichnung Gebrauch. Alte Filmschule trifft auf moderne Retro-Ästhetik; der Stil markiert den Altersunterschied. Als ebenso faszinierend erweist sich die brillante Austattung in beiden Adaptionen: Die Colombe-Truppe erzählt Anouilhs Geschichte in einer alten Fabrikhalle; Resnais' Darsteller in d'Anthacs Anwesen sowie einer Fantasiewelt, welche beide grundsätzlich Theaterbühnen zu sein scheinen. Die Inversion ist komplett: Die Filmschauspieler visionieren eine in einem denkbar ungewöhnlichen Rahmen aufgeführte Theaterinszenierung in einem Kino, während sie selber für ein reales Kinopublikum Theater spielen.

Mit diesem verschachtelten, oft scheinbar widersprüchlichen Konzept bleibt sich Resnais durchaus selber treu. Vous n'avez encore rien vu ist zweifellos ein Film, wie man ihn nur nach einer langen, distinguierten Karriere drehen kann, eine Reflexion über die unendlich variable Natur von gespielter Fiktion – und ihre unbegrenzten Möglichkeiten. Das kann mitunter ein wenig überborden; auch das abgehackte Anti-Happy-End vermag nicht vollends zu überzeugen. Doch wie den Tavianis ist es auch Resnais letztendlich gelungen, das Subgenre der Theaterverfilmungen in aufregende neue Richtungen zu expandieren.

Denn das Theater, wenngleich kein direkter Vorfahr des Kinos, ist, wie Vous n'avez encore rien vu und Cesare deve morire zeigen, dennoch eng mit dem Lichtspiel-Spektakel verbunden – als ewige Inspiration zum Einen, als geistesverwandte Kunst zum anderen. Die Camera magica fängt das Leben ein in seiner ganzen Vielfalt; das Theater nimmt sich dessen tiefere Wahrheiten in stilisierter Form vor. Beide bewegen sich frei in diesem Spektrum, bald näher an der Realität, bald näher an der reinen Metapher. Und manchmal treffen sie sich. Die Resultate lassen sich sehen.

Cesare deve morire – ★★★★
Vous n'avez encore rien vu – ★★★★

Donnerstag, 12. September 2013

White House Down

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.


Unermüdlich führt der Deutsche Roland Emmerich seine Zerstörungswut fort. In White House Down, einem ungeniessbar chauvinistischen Machwerk, reisst der seit den Neunzigerjahren in Hollywood als Experte für krachige Action gefragte Regisseur das Weisse Haus ein – wieder einmal.

Es ist eines der am krassesten ikonischen Bilder im US-Kino der letzten zwanzig Jahre: Ausserirdische Raumschiffe schweben über Washington D.C. und zerstören Wolkenkratzer, Autotunnels und das Kapitol, bevor sie schliesslich, sozusagen als Pièce de résistance, ihre Todesstrahlen auf das Weisse Haus, die symbolträchtige Residenz des amerikanischen Präsidenten, richten und es in einem gleissenden Lichtblitz dem Erdboden gleich machen. Die Szene stammt aus Independence Day, mit dem Emmerich 1996 Zuschauerrekorde brach und sich endgültig als führender Vertreter des Cyberspace-Ära-Actionfilms etablierte; sie wurde seither unzählige Male zitiert, kopiert und parodiert und gilt nach wie vor als Musterbeispiel für Emmerichs Vorliebe für das Vernichten weltweit bekannter Sehenswürdigkeiten.

So berühmt ist die Szene, dass die Tatsache, dass Emmerich sie in White House Down erwähnt, natürlicher wirkt, als wenn er die offensichtliche Verbindung zwischen Independence Day und seinem nunmehr 16. Film gänzlich ignoriert hätte. Ein Fremdenführer (Nicolas Wright) benutzt das Zitat aus der Populärkultur, um seiner Reisegruppe die Flügel-Aufteilung des Weissen Hauses zu erklären. Unter besagten Besuchern des Präsidentenpalastes befinden sich die 11-jährige Emily (Joey King) sowie ihr Vater, der soeben abgewiesene Geheimdienst-Anwärter John Cale (Channing Tatum), auf dessen Schultern wenig später die Zukunft der amerikanischen Regierung liegt. Denn obwohl der Morgen so friedlich begonnen hat – einzig freche Eichhörnchen bereiten Leibwächtern Kopfschmerzen –, versinkt Washington schon um zehn Uhr morgens im Chaos: Paramilitärs unter dem Kommando von Emil Stenz (Jason Clarke) erobern das Weisse Haus. Zwar gelingt es Cale zufällig, Präsident Sawyer (Jamie Foxx) vor Stenz' Männern zu retten, doch die gemeinsame Flucht erweist sich als äusserst gefährlich.

Wer ist hier der amerikanische Held? Soldat John Cale (Channing Tatum, links) rettet US-Präsident Sawyer (Jamie Foxx) vor Terroristen.
© 2012 Sony Pictures Releasing GmbH
Es ist aber nicht nur das Bild des "gefallenen" Weissen Hauses, welches in White House Down Emmerichs Alien-Farce evoziert. Beide Filme wissen ihre Knalleffekte durchaus wirksam einzusetzen; allerdings sind beide auch masslos überfrachtet mit Figuren und Handlungssträngen – und damit gute 25 Minuten zu lang – und auffallend hurrapatriotisch inszeniert. Während die inbrünstig vorgetragene Liebe zu den Vereinigten Staaten von Amerika in Independence Day jedoch beinahe anrührend war in ihrer kindlichen Blauäugigkeit, grenzt sie hier an blanken Chauvinismus. In regelmässigen Abständen wird man an die intrinsische Grossartigkeit der USA erinnert; Flaggen werden bald gestreichelt, bald fallen sie in Zeitlupe und untermalt von pathetischer Musik zu Boden; Emily, die ihrem Vater offenkundig weniger wichtig ist als sein Heimatland, avanciert zur Heldin des Tages, indem sie fahnenschwingend über den Rasen des Weissen Hauses rennt.

Diese penetrante Symbolik wäre einfacher zu akzeptieren, wenn der Film selber wenigstens die gleiche Aufrichtigkeit an den Tag legen würde, die er Amerika permanent attestiert. Doch mit heiligem Ernst vermittelt James Vanderbilts aus müden Klischees, lächerlichen Szenarien und der vielleicht himmelschreiendsten Produkteplatzierung der Filmgeschichte zusammengesetztes Drehbuch eine krude Botschaft für den globalen Frieden und gegen die Waffenindustrie – wenngleich John Cale, US-Soldat und Überbringer der Pax Americana par excellence, zwei Stunden lang jedes erdenkliche Problem mit roher Gewalt gelöst hat. Zur Hand ging ihm der Präsident dabei nur bedingt, Militär, Regierung und der Geheimdienst – der, wie Vanderbilt anklagend zeigt, Wert auf akademisch begabte Angestellte legt – gar nicht. So erfüllt White House Down mit seinem zynischen Populismus, seinem unverhohlenen Chavinismus und seinen ermüdenden Explosionen schlussendlich jedes Vorurteil gegen Hollywoods Actionkino von der Stange.

Donnerstag, 5. September 2013

Planes

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Die Cars-Franchise, insbesondere der 2011 erschienene zweite Teil, gilt gemeinhin als wunder Punkt in der Pixar-Filmografie. Nun erreicht mit Planes ein Spin-off die Kinos, welches von der berüchtigten Sequel-Schmiede DisneyToons produziert wurde. Es ist besser, als man es hätte erwarten dürfen.

Originalität ist allerdings nicht die Stärke des Films. Gerne skizziert man Plots mit Verallgemeinerungen wie "Ein Aussenseiter vom Land folgt seinem Traum und erhält die Chance, seine Leidenschaft auf der grossen Bühne auf die Probe zu stellen, wo er prompt reüssiert und seine Spötter Lügen straft". Planes lässt sich jedoch tatsächlich auf diese Vereinfachung reduzieren. TV-Regisseur Klay Hall (The Simpsons, King of the Hill) liefert in seinem zweiten Langspielfilm (der erste war das DisneyToons-Feenabenteuer Tinker Bell and the Lost Treasure) nach einem Drehbuch von Jeffrey M. Howard eine Aufsteigergeschichte nach Schema F: In der Welt von Cars, welche ausschliesslich von beseelten Fortbewegungsmitteln (Autos, Schiffe, Züge und natürlich Flugzeuge) bevölkert wird, träumt Dusty (Originalstimme: Dane Cook), ein Sprühflugzeug mit Höhenangst, davon, an einem Rennen um die Welt teilzunehmen. Dieses Ziel erreicht er zwar mit Hilfe seiner Freunde – einem Weltkriegsbomber (Stacy Keach), einem Tanklaster (Brad Garrett) und einem Gabelstapler (Teri Hatcher) –, doch die Erdumrundung birgt Gefahren in Form von Stürmen und tückischen Gebirgszügen sowie hinterhältigen Rivalen, etwa dem amtierenden Champion Ripslinger (Roger Craig Smith).

Nein, Überraschungen hält Planes fürwahr kaum bereit. Auf seiner Reise muss Dusty seine Akrophobie überwinden, um sein Potential erfüllen zu können; er findet neue Verbündete (darunter Bulldog, ein unverwüstliches britisches Postflugzeug, gesprochen von John Cleese) und verliebt sich sogar; derweil die Beziehung zwischen ihm und seinem Mentor durch dessen Lügen über seine Vergangenheit einen herben Dämpfer erhält. Die Stippvisiten in Ländern wie Deutschland, Indien oder Nepal wiederum erschöpfen sich im obligaten Abhaken aller erdenklicher kultureller Stereotypen. Am Ende steht eine aufgepfropfte "inspirierende" Moral.

Sprühflugzeug Dusty (Dane Cook) tritt zu einem Rennen um die Welt an.
© Disney
Doch obwohl dem Film nahezu jede dramatische Spannung fehlt, rehabilitiert er sich zumindest teilweise mit den Qualitäten, die ihm sein enger Rahmen erlaubt. So erweist sich etwa eines der primären Probleme des Cars-Universums, das beschränkte Angebot an erzählerischen Möglichkeiten – Verkehrsmittel als Figuren verunmöglichen stationäre, fokussierte Szenarien –, als Segen, da die häufigen Schauplatzwechsel die Trägheit der Geschichte kompensieren. Langeweile stellt sich trotz der vorhersehbaren Wendungen nie ein. Zu verdanken ist dies auch einem gesunden Mass an gelungenen Witzen – neben den unvermeidlichen Versuchen, Kinder mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner anzusprechen –, augenzwinkernden Ergänzungen zu Pixars Konzeption der Maschinenwelt (Segelflieger als Möwen, Traktore als Kühe) und Animation auf einem für DisneyToons ungewohnt hohen Niveau.

In einem Punkt aber bleibt Planes der Firmen-Philosophie treu: Was Howard und Hall hier auf die Leinwand gebannt haben, ist weniger ein Produkt kreativen Schaffens als eine nicht sonderlich subtile Marketing-Aktion, deren Erfolg nicht nur an der Anzahl verkaufter Kinokarten, sondern auch an der Menge abgesetzter Happy-Meal-Spielzeuge gemessen werden wird. Man muss diese auf schnelles Geld ausgerichtete Strategie nicht gut heissen oder gar unterstützen; doch sie hat zweifelsohne schon zu schlechteren Filmen geführt.

★★★