Donnerstag, 17. Oktober 2013

Rush

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.


Zwei Dutzend Autos fahren stundenlang im Kreis – eine sonderlich filmreife Angelegenheit sind die Rennen der Formel 1 nicht. Der legendären Rivalität zwischen den Fahrern James Hunt und Niki Lauda entlockt Ron Howards oberflächliches Sportdrama Rush allerdings ungeahnten Unterhaltungswert.

Die Formel-1-Saison 1976 gilt gemeinhin als eines der geschichtsträchtigsten Jahre des Rennsports: Nach neun Rennen stand der eigenbrötlerische Österreicher Niki Lauda unangefochten an der Spitze des Tableaus, weit vor seinem erbittertsten Konkurrenten (und alten Freund – ein Fakt, der in Rush unter den Tisch fällt), dem britischen Lebemann und Heisssporn James Hunt. Doch am 1. August wurde Lauda auf dem Nürburgring Opfer eines verheerenden Unfalls, bei dem er schwerste Brandwunden erlitt, die ihn beinahe das Leben kosteten. Nichtsdestotrotz sass er 42 Tage später, nach nur zwei verpassten Rennen, wieder im Cockpit seines Ferraris und setzte seinen Versuch, seinen Titel zu verteidigen, fort.

Ron Howards Film widmet knapp zwei Drittel seiner Laufzeit dieser turbulenten Saison, welche am 24. Oktober 1976 mit dem hochdramatischen Grand Prix von Japan zu Ende ging. Zuvor liegt der Fokus von Drehbuchautor und "Based on a True Story"-Experte Peter Morgan (The Queen, Frost/Nixon, The Damned United) auf dem Werdegang der beiden Piloten. Beide haben mit der Ablehnung ihrer jeweiligen Familien zu kämpfen, welche ihre Liebe zu schnellen Autos nicht billigen; beide schaffen es nicht nur wegen ihres Talents, sondern auch aufgrund des strategischen Einsatzes von Kapital, in die Formel 1.

Tiefe lassen Howard und Morgan in diesen Passagen nur bedingt walten. James Hunt, überzeugend verkörpert vom Australier Chris Hemsworth (Thor), wird mit einfachsten Mitteln – zumeist gleichförmige Montagesequenzen, in denen One-Night-Stands, Alkohol- und Drogenexzesse angedeutet werden – als hedonistischer Playboy positioniert. Als polares Gegenstück figuriert Lauda, gespielt vom herausragenden Daniel Brühl, den Howard als gewissenhaften, arroganten, gnadenlos analytischen Kopfmenschen inszeniert. Dass letztendlich ausgerechnet der stets die Risiken eiskalt kalkulierende Lauda statt der weitaus aggressivere Hunt aus einem brennenden Wrack gerettet werden muss, ist der ironische Clou dieser Figuren-Gegenüberstellung. (Das Gleichgewicht wird schliesslich wieder hergestellt, als der Zuschauer erfährt, dass Lauda nach seinem Gesamtsieg 1975 noch zweimal Weltmeister wurde, während Hunt 1979 zurücktrat und 1993 45-jährig starb.)

In der Saison 1976 ist die Formel 1 gezeichnet von der erbitterten Rivalität zwischen den Fahrern James Hunt (Chris Hemsworth, links) und Niki Lauda (Daniel Brühl).
© Ascot Elite
Subtil ist an dieser angeblich nicht übermässig fiktionalisierten Rivalität wahrlich wenig: Entwicklungen finden oft zwischen Schnitten statt; Morgans Dialoge sind ungewohnt deklamatorisch; die ominösen symbolischen Vorboten von Laudas Unfall könnten klischierter nicht sein – Feuer ist in jeder Einstellung der vorangehenden Sequenz zu sehen, am Tag des Rennens zeigt die Kamera eine schwarze Spinne neben der Strecke, ein Kommentator bemerkt, Lauda sitze in seinem "blutroten" Ferrari.

Dennoch wird Rush von einer soliden Struktur sowie unbestritten aufregenden – obschon stellenweise etwas verwirrend geschnittenen – Rennszenen getragen, was den Film nicht nur passabel, sondern sogar hochgradig unterhaltsam macht; derweil die sich gegenseitig aufrichtig bewundernden Figuren Hunt und Lauda die ihnen gebührende Tiefe in der allerletzten Szene immerhin verspätet erhalten. Hinter der schnittigen Fassade von Howards Film mag nicht allzu viel Substanz stecken, doch gerade für Formel-1-Banausen bietet Rush süffige Rennsport-Unterhaltung.

★★★

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