Donnerstag, 24. Oktober 2013

The Butler

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.


50 Jahre nach Martin Luther Kings legendärer "I Have a Dream"-Ansprache während des "Marschs auf Washington" erzählt Lee Daniels, der nach Spike Lee wohl einflussreichste afroamerikanische Filmemacher, in The Butler die Geschichte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.

Am Abend des 4. Novembers 2008, als feststand, dass er mit einer beträchtlichen Mehrheit zum ersten dunkelhäutigen Präsidenten der USA gewählt worden war, hielt Barack Obama in Chicago seine Siegesrede – eine rhetorische Meisterleistung, mitreissend in ihrer populistischen Inbrunst. Darin figurierte auch eine damals 106-jährige Frau namens Ann Nixon Cooper, anhand deren Biografie Obama die Veränderungen aufzeigte, welche sich in Amerika seit ihrer Geburt abgespielt hatten. Besonderes Aufsehen unter Analysten erregte dabei die Passage: "She was there for the buses in Montgomery, the hoses in Birmingham, a bridge in Selma, and a preacher from Atlanta who told a people that 'We Shall Overcome'". In einem einzigen Satz hatte der "President-elect" die Bewegung zusammengefasst, als deren vorläufiger Höhepunkt sein Wahlsieg in die Annalen eingehen würde.

Regisseur Lee Daniels, dessen Romanverfilmung Precious zwei Monate nach Obamas Wahl uraufgeführt wurde und ihm in der Folge zu internationalem Renommee verhalf, hat mit The Butler nun – mehr oder minder jedenfalls – diesen einen Satz in einen 130-minütigen Streifzug durch die Geschichte des modernen "Black America" verwandelt. Hierbei wird Cecil Gaines (Forest Whitaker mit einer soliden, wenngleich nicht sonderlich bemerkenswerten Darbietung), basierend auf dem historischen Eugene Allen (1919–2010), zum Avatar des schwarzen Durchschnittsamerikaners: Seine Kindheit verbringt er auf einer Baumwollfarm in Georgia, welche er als Teenager verlässt, um sich zum Butler ausbilden zu lassen; Anfang der Fünfzigerjahre wird er als Bediensteter ins Weisse Haus aufgenommen, wo er bis 1987 arbeitet.

Danny Strongs Drehbuch kontrastiert Cecils Nähe zum politischen Zentrum der USA, wo die Präsdenten Eisenhower (Robin Williams), Kennedy (James Marsden – erstaunlicherweise der überzeugendste Akteur im präsidialen Maskenball), Johnson (Liev Schreiber), Nixon (John Cusack) und Reagan (Alan Rickman) die die schwarze Gemeinschaft emanzipierenden Gesetze verabschieden, mit dem Leben seines Sohnes Louis (David Oyelowo), der aus dramaturgischer Opportunität bei den wichtigsten Episoden des Civil-Rights-Movements stets beteiligt ist: Er sitzt am für Weisse reservierten Tresen im Woolworth von Greensboro (die kraftvollste Szene des Films); er tourt mit den Freedom Riders durch die rassistischen Südstaaten; er gehört zum inneren Zirkel Martin Luther Kings; er tritt den Black Panthers bei. So verbindet Strong Makro- mit Mikrogeschichte, denn diese Diskrepanz führt zu Konfrontationen innerhalb der Familie Gaines, worunter auch Cecils Ehefrau Gloria (Talkmasterin Oprah Winfrey – augenscheinlich auf der Suche nach einem Oscar) leidet.

"In Which We Serve": Über drei Jahrzehnte lang arbeitet Cecil Gaines (Forest Whitaker) als Butler im Weissen Haus.
© Frenetic Films
Der Reiz von The Butler liegt darin, Prominenten (in weiteren Rollen agieren Mariah Carey, Terrence Howard, Vanessa Redgrave, Lenny Kravitz, Jane Fonda und der famose Cuba Gooding Jr.) beim Nachspielen historischer Ereignisse zuzusehen. Dies ist zwar leidlich unterhaltsam, vermag dem Film aber nicht zu emotionaler Zugkraft zu verhelfen. Strongs Forrest Gump-Struktur ist mit Daniels' hohen Ansprüchen, einen Meilenstein des afroamerikanischen Kinos zu schaffen, nicht kompatibel; die pathetisch-sentimentalen Dialoge sowie der Verzicht auf tiefer greifende Auseinandersetzungen untergraben die Ernsthaftigkeit des Projekts. Politische Veränderungen werden in Lee Daniels' The Butler (so der vermessene US-Verleihtitel) erzielt, indem ein Präsident Cecil eine Frage stellt und sich von dessen bescheidener Antwort beeindruckt und inspiriert zeigt. Daniels und Strong mögen aus lobenswerten Motiven gehandelt haben, doch die Pioniere und Protagonisten der Bürgerrechtsbewegung verdienen ein kraftvolleres filmisches Denkmal.

★★

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