50 Jahre nach Martin Luther Kings legendärer "I Have a
Dream"-Ansprache während des "Marschs auf Washington" erzählt
Lee Daniels, der nach Spike Lee wohl einflussreichste
afroamerikanische Filmemacher, in The Butler die Geschichte der
schwarzen Bürgerrechtsbewegung.
Am Abend des 4. Novembers 2008, als feststand, dass er mit einer
beträchtlichen Mehrheit zum ersten dunkelhäutigen Präsidenten der
USA gewählt worden war, hielt Barack Obama in Chicago seine
Siegesrede – eine rhetorische Meisterleistung, mitreissend in ihrer
populistischen Inbrunst. Darin figurierte auch eine damals
106-jährige Frau namens Ann Nixon Cooper, anhand deren Biografie
Obama die Veränderungen aufzeigte, welche sich in Amerika seit ihrer
Geburt abgespielt hatten. Besonderes Aufsehen unter Analysten erregte
dabei die Passage: "She was there for the buses in Montgomery, the
hoses in Birmingham, a bridge in Selma, and a preacher from Atlanta
who told a people that 'We Shall Overcome'". In einem einzigen Satz
hatte der "President-elect" die Bewegung zusammengefasst, als
deren vorläufiger Höhepunkt sein Wahlsieg in die Annalen eingehen
würde.
Regisseur Lee Daniels, dessen Romanverfilmung Precious zwei
Monate nach Obamas Wahl uraufgeführt wurde und ihm in der Folge zu
internationalem Renommee verhalf, hat mit The Butler nun –
mehr oder minder jedenfalls – diesen einen Satz in einen
130-minütigen Streifzug durch die Geschichte des modernen "Black
America" verwandelt. Hierbei wird Cecil Gaines (Forest Whitaker mit
einer soliden, wenngleich nicht sonderlich bemerkenswerten
Darbietung), basierend auf dem historischen Eugene Allen (1919–2010),
zum Avatar des schwarzen Durchschnittsamerikaners: Seine Kindheit
verbringt er auf einer Baumwollfarm in Georgia, welche er als
Teenager verlässt, um sich zum Butler ausbilden zu lassen; Anfang
der Fünfzigerjahre wird er als Bediensteter ins Weisse Haus
aufgenommen, wo er bis 1987 arbeitet.
Danny Strongs Drehbuch kontrastiert Cecils Nähe zum politischen
Zentrum der USA, wo die Präsdenten Eisenhower (Robin Williams),
Kennedy (James Marsden – erstaunlicherweise der überzeugendste
Akteur im präsidialen Maskenball), Johnson (Liev Schreiber), Nixon
(John Cusack) und Reagan (Alan Rickman) die die schwarze Gemeinschaft
emanzipierenden Gesetze verabschieden, mit dem Leben seines Sohnes
Louis (David Oyelowo), der aus dramaturgischer Opportunität bei den
wichtigsten Episoden des Civil-Rights-Movements stets beteiligt ist:
Er sitzt am für Weisse reservierten Tresen im Woolworth von
Greensboro (die kraftvollste Szene des Films); er tourt mit den
Freedom Riders durch die rassistischen Südstaaten; er gehört zum
inneren Zirkel Martin Luther Kings; er tritt den Black Panthers bei.
So verbindet Strong Makro- mit Mikrogeschichte, denn diese Diskrepanz
führt zu Konfrontationen innerhalb der Familie Gaines, worunter auch
Cecils Ehefrau Gloria (Talkmasterin Oprah Winfrey – augenscheinlich
auf der Suche nach einem Oscar) leidet.
"In Which We Serve": Über drei Jahrzehnte lang arbeitet Cecil
Gaines (Forest Whitaker) als Butler im Weissen Haus.
© Frenetic Films
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Der Reiz von The Butler liegt darin, Prominenten (in weiteren
Rollen agieren Mariah Carey, Terrence Howard, Vanessa Redgrave, Lenny
Kravitz, Jane Fonda und der famose Cuba Gooding Jr.) beim Nachspielen
historischer Ereignisse zuzusehen. Dies ist zwar leidlich
unterhaltsam, vermag dem Film aber nicht zu emotionaler Zugkraft zu
verhelfen. Strongs Forrest Gump-Struktur ist mit Daniels' hohen
Ansprüchen, einen Meilenstein des afroamerikanischen Kinos zu
schaffen, nicht kompatibel; die pathetisch-sentimentalen Dialoge
sowie der Verzicht auf tiefer greifende Auseinandersetzungen
untergraben die Ernsthaftigkeit des Projekts. Politische
Veränderungen werden in Lee Daniels' The Butler (so der
vermessene US-Verleihtitel) erzielt, indem ein Präsident Cecil eine
Frage stellt und sich von dessen bescheidener Antwort beeindruckt und
inspiriert zeigt. Daniels und Strong mögen aus lobenswerten Motiven
gehandelt haben, doch die Pioniere und Protagonisten der
Bürgerrechtsbewegung verdienen ein kraftvolleres filmisches Denkmal.
★★
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