Es
führt eine direkte Linie von (500)
Days of Summer
(2009), dem endgültigen Leinwand-Durchbruch des ehemaligen
Teenager-Fernsehstars Joseph Gordon-Levitt (The
Powers That Be,
Roseanne,
3rd Rock from
the Sun),
zu Don Jon,
seinem Debüt als Langspielfilm-Autor und -Regisseur. Summer
wurde von der Mehrheit der Kritiker zu Recht als ein Werk von
bewundernswertem Scharfsinn tituliert, als eine intelligente
Tragikomödie über die Natur von Liebesbeziehungen im 21.
Jahrhundert. Gordon-Levitt wurde als Tom Hansen zum Mitbegründer des
"neuen" romantischen Helden, dessen Charme auf Selbstironie
und einem Hang zur Tollpatschigkeit beruht.
Vier
Jahre später nimmt er nun selber auf dem Regiestuhl Platz und
richtet seine Aufmerksamkeit auf eine andere Art der "modernen"
Liebe. Schauplatz sind nicht mehr länger die intellektuell geprägten
In-Quartiere von Los Angeles (wie in (500)
Days of Summer)
oder Seattle (wie in 50/50,
wo Gordon-Levitt eine Tom-Hansen-Variation spielte), sondern jenes
Milieu, das durch die berühmt-berüchtigte Reality-Serie Jersey
Shore einem
weltweiten Publikum vorgeführt wurde – die Arbeiter-Gemeinden von
New Jersey, eine Welt der Undercut-Haarschnitte, der Dubstep-Musik,
der flüchtigen One-Night-Stands.
In diesen Kreisen verkehrt auch Jon Martello, gespielt von
Gordon-Levitt, der damit, zunächst jedenfalls, radikal mit seiner
Leinwand-Persona bricht. Jon ist unter seinen Freunden bekannt als
"Don Jon", als Don Juan von New Jersey, welcher Woche für
Woche neue Frauen abschleppt, ohne sich danach je wieder bei diesen
zu melden. Doch Sex genügt ihm nicht: "Real pussy is great, but
it's not as good as porn", erklärt er via Voiceover; wahre
Befriedigung verschafft ihm nur das tägliche Masturbieren zu
Internet-Pornografie – wofür er bei der sonntäglichen Beichte
jeweils Busse tut (die willkürliche Absolutionspolitik der
katholischen Kirche wird vom Reform-Juden Gordon-Levitt genüsslich
ad absurdum geführt).
In
Bedrängnis gerät Jons Routine allerdings dann, als er sich Hals
über Kopf in Barbara (Scarlett Johansson) verliebt, welche kein
Verständnis für den Pornokonsum ihres neuen Freundes aufbringt.
Dass die Beziehung unter keinem guten Stern steht, führt
Gordon-Levitt auf die unrealistischen Erwartungen beider Seiten
zurück. Während Jon offenherzig darüber spricht, wie sehr er sich
wünscht, echter Sex wäre wie Pornografie, sind auch bei Barbara
fehlgeleitete Anforderungen zu erkennen: Aufgrund ihrer Liebe zu
Filmromanzen (prä-(500)
Days)
ist sie der Meinung, ihr Traummann müsse sein ganzes Leben ihren
Bedürfnissen unterordnen.
Der nach Internet-Pornografie süchtige Jon (Joseph Gordon-Levitt) verliebt sich in in Hollywood-Romanzen vernarrte Barbara (Scarlett Johansson). © Ascot Elite |
Diese
Diskrepanzen, diese durch die Medien verzerrten Wahrnehmungen sind
vielleicht das Subtilste am ansonsten häufig schrillen,
aufgedrehten, lauten Don
Jon,
der letztlich doch unverkennbar die Handschrift eines
Regie-Debütanten trägt. Vieles in diesem Film ist überzeichnet,
angefangen bei der klischeehaften Hollywood-Schnulze (mit
Cameo-Auftritten von Channing Tatum und Anne Hathaway), welche sich
Barbara und Jon im Kino ansehen – der ungezügelten Verballhornung
eines schon oft zuvor parodierten Genres durch einen hoch motivierten
Neuling. Doch auch an anderen Stellen überbordet Gordon-Levitts
Eifer: Musik, Schnitt, Beleuchtung sind – seien sie nun als
ironischer Verfremdungseffekt oder als genuines Stilmittel gemeint –
stets eine Spur zu betont.
Ähnliches
gilt für die rasanten Dialoge – in Inszenierung, Tonfall und
Dialekt an David O. Russells Silver
Linings Playbook erinnernd
–, welche aber trotzdem zu den Stärken des Films gehören,
obgleich auch sie zuweilen, vor allem in Anwesenheit von Tony Danzas
Jon Martello Senior, auf dem schmalen Grat zwischen famoser Komödie
und lächerlicher Karikatur wandeln. Eine stringente Dramaturgie
vermag Gordon-Levitt indes nie zu finden; vielmehr speist sich Don
Jon aus
seinen diversen unbestritten inspirierten Momenten, seinem
raffinierten Einsatz von Wiederholungen und den ausnahmslos
dynamischen Darbietungen der Schauspieler, einschliesslich jener der
spät eingeführten Julianne Moore, unter deren Einfluss Jon – und
mit ihm der Film – in ruhigere, harmonischere Bahnen gelenkt wird
(Gordon-Levitt tut gut daran, die ödipale Dimension der Beziehung
nicht auszuloten). Zwar will hier letzten Endes, wie schon in Steve
McQueens Shame,
die Lösung des dem Ganzen zugrunde liegenden Porno-Problems nicht
restlos überzeugen, doch Don
Jon verfügt
über genügend dreisten Charme, um als geglückte Regie-Premiere zu
gelten.
★★★
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