Schon seit Jahren kriselt das Schweizer Kino; Innovationen sind rar. Mit der Filmbiografie Mary, Queen of Scots bemüht sich der Luzerner Thomas Imbach immerhin um ein bisschen Abwechslung. Von Erfolg gekrönt ist dieser Versuch jedoch auch nicht.
"Die
Geschichte der Mary ist im modernen Kino noch nicht angekommen",
sagte Imbach unlängst in einem Interview. Anstatt sich der
tragischen Vita von Maria Stuart (1542–1587) zu widmen, einer "für
archaische, aus der Mode gekommene Werte stehende" Figur, würden
zeitgenössische Filmemacher, so der Regisseur, deren Cousine und
Thron-Rivalin Elizabeth I. (1533–1603) vorziehen. Falsch liegt er
damit nicht – Shekhar Kapurs Elizabeth-Zweiteiler erfreut
sich eines höheren Bekanntheitsgrades als etwa John Fords Mary of
Scotland (1936) oder Charles Jarrotts Mary, Queen of Scots (1971) –, doch man läuft Gefahr, bei dieser Diskussion symbolische
und historische Bedeutung zu verwechseln: Elizabeth ist durch ihren
Status als eine der mächtigsten Frauen der Weltgeschichte zur Ikone
geworden; derweil Marys anhaltende Reputation primär auf ihr von
Enttäuschungen und Tragödien geprägtes Leben zurückzuführen ist.
Entsprechend konzentriert sich Imbach in Mary, Queen of Scots weniger auf die wichtigsten Momente während der Regentschaft Marys
(gespielt von der hölzernen Camille Rutherford) und die englische
Politik des 16. Jahrhunderts (was eine Herausforderung für die mit
der Materie nicht vertrauten Kinogänger darstellt) als auf die
Psychologie der Titelfigur. Als Eckdaten genügen ihm ihr bis 1560
währendes Exil in Frankreich, ihre Rückkehr in ihr heimisches
Schottland, wo sie über ein von Glaubenskriegen zwischen Katholiken
und Protestanten zerrissenes Volk regiert, sowie ihre drei zum
Scheitern verurteilten Ehen. Fasziniert ist die katholische Monarchin
Zeit ihres Lebens von der englischen Königin Elizabeth, deren Titel
sie begehrt und mit deren Position sie sich identifiziert.
"Les adieux à la reine": Maria Stuart (Camille Rutherford) kehrt
nach Jahren im französischen Exil nach Schottland zurück.
© Pathé Films AG
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Imbach, der auch für das – lose auf Stefan Zweigs Maria Stuart basierende – Drehbuch zeichnet, behandelt das Thema mit
künstlerischem Eifer: Seine karge Bildästhetik – nebelverhangene
Hügel, winterliche Felder, leere Schlosshöfe – und seine oftmals
knappen Dialoge evozieren den Stil eines Andrei Tarkovsky, die
dominante Kerzen-Beleuchtung Stanley Kubricks Kostümdrama Barry
Lyndon, der bisweilen aufkeimende Cinéma-verité-Chic den
Tarkovsky-Bewunderer Lars von Trier. Viele von Rainer Klausmanns
Einstellungen sind wunderschöne Gemälde, doch bleiben sie stets
just das: Tableaux. Mit Ausnahme der linkisch gefilmten Dialogszenen
komponiert Imbach ohne Fehl und Tadel, versäumt es aber, diese
Bilder weiterzuentwickeln, sie anregend zu inszenieren.
So kommt es, dass Mary, Queen of Scots eine enttäuschend
statische Angelegenheit ist, formal wie auch erzählerisch. Imbachs
Regie nimmt seinem Skript – und der Thematik – die Kraft; Marys
Leidensweg bleibt ein emotional weitestgehend entrücktes Konstrukt,
dessen suggestives Potential irgendwo in dieser zweistündigen
Aneinanderreihung steifer Szenen verloren geht. Über den Abspann
wird eine Coverversion von Bob Dylans grandiosem hyperliterarischen
Song "Changing of the Guards" gespielt, in der Hoffnung, der
vorangegangene Film sei ein Werk von ähnlich wuchtiger, archaischer
Poesie. Die Hoffnung bestätigt sich nicht.
★★
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