Donnerstag, 5. Dezember 2013

The Counselor

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

The Counselor ist die mit Spannung erwartete Kollaboration zwischen dem gefeierten Regie-Haudegen Ridley Scott und dem Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy. Doch die Affiche hält nicht, was sie verspricht; der Thriller ist zwar wortgewandt, verfehlt aber seinen Zweck als abgründige Moralfabel.

In einem 2003 erschienenen Artikel bezeichnete der Kritiker und Yale-Professor Harold Bloom die Schriftsteller Thomas Pynchon, Philip Roth, Don DeLillo und Cormac McCarthy als die "bedeutendsten amerikanischen Literaten der Gegenwart" – ein Urteil, welches sich im Laufe der vergangenen zehn Jahre angesichts von Büchern wie Cosmopolis (DeLillo, 2003), No Country for Old Men (McCarthy, 2005), Against the Day (Pynchon, 2006) oder Indignation (Roth, 2008) als richtig erwiesen hat. Vielen gilt McCarthy als "abgründigstes" Mitglied dieser Quadriga: Seine literarische Welt ist ein Jammertal, in dem nekrophile Serienmörder umgehen (Child of God, 1973) und Säuglinge in Swift'scher Manier Kannibalen zum Opfer fallen (The Road, 2006). Oft lautet die niederschmetternde Erkenntnis, dass in dem ganzen Leid keinerlei inhärenter Sinn auszumachen ist.

Diesen nihilistischen Zynismus vollauf zufrieden stellend auf die Leinwand zu bannen, ist bislang nur Joel und Ethan Coen mit ihrer zeitgenössischen, düster-kargen Western-Elegie No Country for Old Men (2007) gelungen. Nun hat McCarthy selber die Initiative ergriffen und nach zwei TV-Skripten erstmals ein Originaldrehbuch zu einem Kinofilm verfasst. Dass dieses ein Werk aus dem McCarthy-Kanon ist, lässt sich nicht leugnen: Wie schon seine "Border Trilogy" (All the Pretty Horses, The Crossing, Cities of the Plain) spielt auch The Counselor in jener mal verklärten, mal verteufelten Gegenwelt des amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiets, wo "México Lindo" und texanischer Nationalismus, Pionier-Romantik und Bandenkriege seit bald zwei Jahrhunderten aufeinander prallen.

Dort versucht die Titelfigur, ein namenloser Anwalt (Michael Fassbender), mit Hilfe des zwielichtigen Geschäftsmannes Reiner (Javier Bardem) im Drogengeschäft Fuss zu fassen, dessen mannigfaltigen Gefahren er aber nicht gewachsen ist (den Topos des mit den Konsequenzen der eigenen Entscheidungen überforderten Protagonisten kennt man aus No Country for Old Men). Die in einem Abwassertank versteckte Ladung Kokain, welche aus der berüchtigten Grenzstadt Ciudad Juárez nach Chicago geliefert werden soll und um deren Profit neben dem "Counselor" und den verfeindeten Kartellen auch Reiners verschlagene Freundin (die herausragende Cameron Diaz), der lakonische Mittler Westray (Brad Pitt) sowie ein aus All the Pretty Horses bekannter Drogenboss (Rubén Blades) buhlen, wird in McCarthys von hyperliterarischen Monologen gespicktem Skript zu einem veritablen MacGuffin, einem vagen, für den Verlauf, nicht aber für den Inhalt, der Geschichte wichtigen Erzählelement.

Der naive "Counselor" (Michael Fassbender, rechts) will sich mit der Unterstützung des Gangsters Reiner (Javier Bardem) am Drogenschmuggel bereichern.
© 2013 Twentieth Century Fox Film Corporation
Zentral ist in The Counselor eher der von Regisseur Ridley Scott (Blade Runner, Gladiator) oft durch Grossaufnahmen unterstrichene Verweis auf die Ungeheuerlichkeiten, zu denen die Menschheit fähig ist – auf Film festgehaltene Enthauptungen, Exekutionen per "Bolito" (eine sich automatisch zuziehende Schlinge) –, die Sinnlosigkeit allen Seins ("Death has no meaning. I don't believe that. My family is dead. I have no meaning"), die Verführungskraft des weiblichen Geschlechts (ein unangenehm frauenfeindlicher Charakterzug des Films) sowie die Hilflosigkeit des trotz seines Rufnamens stets unterinformierten "Counselors". Dies führt stellenweise zu interessanten, bisweilen sogar faszinierenden Dialogen und inspirierten Momenten des schwarzen Humors, doch McCarthys Text erwacht, auch wegen Scotts routiniert-formelhafter Inszenierung, nie zum Leben. The Counselor ist ein distanzierter, emotional hohler Film, in dem wahrscheinlich ein spannendes Buch über Gier, Hybris und menschliche Perversion verborgen liegt.

★★

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