Der britische Fotograf und Videokünstler Steve McQueen nimmt sich in seinem dritten Langspielfilm des Themas der Sklaverei an. Wie kaum einem anderen Regisseur vor ihm ist es ihm in 12 Years a Slave gelungen, die Ungeheuerlichkeit dieses Unrechtssystems greifbar zu machen.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der aus einer grenadischen
Familie stammende McQueen mit einer dornenvollen Materie beschäftigt.
So behandelte er in seinem Debüt, dem 2008 erschienenen Hunger,
den bis heute kontrovers rezipierten Hungerstreik, welchen irische
Republikaner 1981 in einem nordirischen Gefängnis veranstalteten, um
gegen ihre Haftbedingungen zu demonstrieren. Auch Shame, sein
bislang einziges nicht faktenbasiertes – und zugleich schwächstes
– Projekt, das 2011 folgte, eckte an mit seiner Darstellung eines
Sexsüchtigen.
Rein inhaltlich bewegt sich McQueen in 12 Years a Slave, der
Verfilmung der gleichnamigen Memoiren des frei geborenen
Afroamerikaners Solomon Northup (hier gespielt vom starken Chiwetel
Ejiofor), welcher 1841 entführt und als Sklave in die Südstaaten
verkauft wurde, also auf besser beackertem Boden als in seinen beiden
vorangegangenen Filmen. Im US-Kino hat sich über die Jahre ein nicht
unerheblicher Sklaverei-Kanon etabliert, zu dem allein Steven
Spielberg im Laufe seiner Karriere drei Werke beigesteuert hat (The
Color Purple, Amistad, Lincoln). Formal wiederum ist
sich McQueen, ein Jünger der russischen Montage-Pioniere Sergei
Eisenstein und Dziga Vertov und ihrer Idee der funktionalen,
zweckgebundenen Ästhetik, treu geblieben (wenngleich die radikalen
Kniffe, welche etwa Hunger zu einem magistralen Experiment
machten, fehlen): Die Einstellungen sind lang; das kunstvoll
geschichtete Tondesign verleiht dem Film eine dichte,
nachvollziehbare Atmosphäre; bei der Darstellung gepeinigter Sklaven
wird keines der hässlichen Details ausgespart.
Northups Leidensweg beginnt, als ihn zwei Männer, vorgeblich
beeindruckt von seinen musikalischen Fähigkeiten, aus seiner Heimat
im Staat New York nach Washington lotsen, von wo aus er nach New
Orleans verschifft wird. Gekauft wird er zunächst vom mitfühlenden
Pfarrer Ford (Benedict Cumberbatch). Doch nach einem Scharmützel mit
einem Knecht (Paul Dano) – eine grandiose, in ihrer Einfachheit
erschütternde Szene – wird er an den sadistischen
Plantagen-Besitzer Epps (Michael Fassbender) weitergereicht.
1841 wird der gebildete Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor) entführt
und als Sklave auf die Plantage von Pfarrer Ford (Benedict
Cumberbatch) verkauft.
© Ascot Elite
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Die grosse Leistung, die McQueen hier erbringt, liegt aber nicht
ausschliesslich in seiner schonungslosen Wiedergabe von Northups 1853
veröffentlichtem Tatsachenbericht, sondern ebenso in der gekonnten
Vermischung von Form und Inhalt, deren Resultat eine ungemein
perzeptive Meditation über die gesellschaftlichen und historischen
Implikationen der Sklaverei ist, angefangen bei Kameramann Sean
Bobbitts atemberaubenden Aufnahmen: Die überwältigende Schönheit,
die er in der Natur von Louisiana findet, steht in scharfem, geradezu
ironischem Kontrast zu den Gräueltaten, die Menschen vor diesem
Hintergrund verüben. Auch in seinen Charakterisierungen beweist 12
Years a Slave Scharfsinn. Insbesondere der vordergründig
sympathische Ford erweist sich als die vielleicht problematischste
Figur des ganzen Erzählung, dessen Akte der Güte – Akte, wie sie
in (nichtsdestoweniger hervorragenden) Filmen wie John Fords Judge
Priest oder dem Selznick-Klassiker Gone with the Wind allzu
triumphal inszeniert wurden – letztlich nicht weit von der
Scheinheiligkeit entfernt sind. Mit 12 Years a Slave ist Steve
McQueen womöglich der definitive Film über das düsterste Kapitel
der amerikanischen Historie gelungen.
★★★★★
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