Sonntag, 12. Januar 2014

Diana

Es könnten – und sollten – zahllose Artikel, Studien und Abhandlungen über die Person und, was wohl noch ergiebiger wäre, das Phänomen Lady Di verfasst werden; die Wirkung, welche die Princess of Wales auf ihre Untertanen hatte, dürfte Psychologen, Anthropologen und Kulturtheoretiker gleichermassen faszinieren. Geboren in eine alte englische Adelsfamilie, erlangte sie nach ihrer Vermählung mit Prinz Charles den Status einer volksnahen "People's Princess" und wurde, insbesondere nach ihrer Scheidung, zu einer ebenso mächtigen wie verehrten Fürsprecherin der Menschenrechte. Ihr Unfalltod 1997 erschütterte das Vereinigte Königreich bis ins Mark; das Bild des Blumenmeeres vor den Toren des Buckingham Palace ist legendär.

Auch im Kino könnte die fatal verzahnte Geschichte dieser Persönlichkeit und der ihr entgegen schwappenden, beinahe fanatischen Ehrerbietung, die in Stephen Frears' The Queen angeschnittene Asurdität der Situation – "Sleeping in the streets and pulling out their hair for someone they never knew?", wetterte James Cromwells Prinz Philip – ergründet werden. Man stelle sich vor, welche Ergebnisse ein Regisseur mit einem Sinn für (britische) Zeitgeschichte und dem nötigen Mut zur analytischen Schärfe – ein Loach, ein Wheatley, ein Winterbottom – der Materie zu entlocken wüsste.

Doch Diana, entstanden unter der Regie Oliver Hirschbiegels, eines vormals wagemutigen Filmemachers (Das Experiment, Der Untergang), den inzwischen jegliche Courage verlassen zu haben scheint, ist nicht interessiert an einem nüchternen Blick auf seine Titelfigur. Stattdessen bedient sich dieses als tragische Romanze zwischen Diana (Naomi Watts) und dem Herzchirurgen Hasnat Khan (Naveen Andrews) verpackte Biopic bei jenen verklärenden Gemeinplätzen, welche in den 16 Jahren seit Lady Dis Tod beharrlich durch den Boulevard-Blätterwald geistern, in der Hoffnung, der geneigten Leserschaft das Erlebnis einer royalen Klatschkolumne in Spielfilmlänge bieten zu können.

Diana (Naomi Watts), Prinzessin der Herzen.
© Ascot Elite
Dass ein derartiges Vehikel weder inhaltlich noch formal überzeugt, kann nicht überraschen. Geleitet von Stephen Jeffreys' grässlichem Drehbuch, pflügt Hirschbiegels Film durch die letzten zwei Jahre in Dianas Leben – ohne dramaturgische Zugkraft und ohne eine präzise Vorstellung davon, wie ihre Figur in Szene zu setzen ist. Machen sich im einen Moment die elitären Anwandlungen eines Mitglieds der Königsfamilie bemerkbar – "I'm a princess, and I get what I want" –, feiert der Film seine Protagonistin wenig später wieder als feministische Ikone, als modebewusstes Quasi-Model, dem auch in Verkleidung noch nachgepfiffen wird, als Verfechterin der Menschlichkeit ("I want to help people"), als bemitleidenswertes Opfer ihrer Umstände ("I've never been accepted by any family I've been a part of", "Is there anyone who can stay with me?"), als idealistische Liebhaberin, als strahlende Heilsbringerin, deren Antlitz die Kamera in den Anfangsminuten bewusst ausweicht. In einer besonders irritierenden Sequenz lässt sie ihr Gesicht von einem blinden Bewunderer befühlen, welcher darob in einen Zustand tränenreicher Glückseligkeit versetzt wird.

Anders als etwa Joshua Michael Sterns geradezu beleidigend hagiografischer Jobs belässt es Diana aber zumeist bei ungeschickten Regie-Entscheidungen und einem Mangel an legitimem Drama, sodass sich das Filmerlebnis weniger entnervend als ermüdend erweist. Grossen Anteil daran hat die Beziehung zwischen Di und Hasnat: Watts und Andrews sind beides gestandene Schauspieler, doch ihnen werden Äusserungen und Dialoge aufgehalst, die jegliches Aufkommen von Chemie – oder gar Romantik – verunmöglicht, und welche dermassen dicht gesät sind, dass willkürliche Kostproben – "You don't perform the operation, the operation performs you", "So hearts can't actually break?" – das Ausmass der Misere nur ungenügend zu skizzieren vermögen. Von der Szene abgesehen, in der das Paar Hand in Hand über ein Feld hüpft (sic), begleitet von Jacques Brels "Ne me quitte pas", ist das Bild Dianas, die sich nach einem Zwist wieder in Hasnats Arme wirft, das nachhaltigste dieser angeblich grossen Liebe – und auch das nur aufgrund seiner steten Wiederholung.

Im Herzchirurgen Hasnat Khan (Naveen Andrews) findet Diana eine neue Liebe.
© Ascot Elite
Endgültig Schiffbruch erleidet der Film im dritten Akt, in dem sich Jeffreys vollends in seiner schizophrenen Darstellung der Geschehnisse verheddert. Zwar legt sein Skript richtigerweise Wert darauf, Dianas kalkulierenden Umgang mit der Presse – die raffinierte Selbstinszenierung, der enge Kontakt zu ausgewählten Boulevardblättern – und auch die Perfidie der Medien – Vertragsbüche, verzerrte Darstellungen von Dis IKRK-Missionen – aufzuzeigen, stellt sich aber letztlich mit seiner Interpretation von Dianas Affäre mit Dodi Fayed (Cas Anvar, auf Ähnlichkeit mit Hasnat geschminkt) selber ein Bein. Die enthüllende Berichterstattung über ihren Aufenthalt auf Fayeds Yacht war, so Jeffreys, einerseits eine Konzession an ihr nahe stehende Paparazzi, um Fleet Street dazu zu bewegen, ihre Anti-Landminen-Kampagne ins rechte Licht zu rücken, andererseits aber ein verzweifelter Versuch, Hasnats Aufmerksamkeit zu erlangen.

Es ist eine gewagte These, der Diana nicht gewachsen ist; der Film zerbricht daran, den daraus folgenden Implikationen mit seinem beschränkten Angebot an cineastischen Mitteln – das Teleobjektiv im Scharfschützengewehr-Koffer, Hasnats schicksalhaftem Zögern am Telefon in der Nacht von Dianas Tod, der triumphale Abspann-Verweis auf den Fortschritt bei der Landminen-Bekämpfung – beikommen zu wollen. Diana beginnt boulevardesk und endet boulevardesk – scheint zum Schluss aber überzeugt davon zu sein, sich dazwischen zu investigativem Journalismus weiterentwickelt zu haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen