In seinem neuen Film erzählt David O. Russell von Lug, Trug, Täuschung und einer erstaunlichen FBI-Aktion. An die Qualität seiner letzten beiden Werke kann er damit zwar nicht ganz anknüpfen, doch American Hustle bleibt ein hochgradig unterhaltsames, herausragend gespieltes Ensemble-Stück.
Nimmt man einschlägige Hollywood-Produktionen jüngeren Datums als
Massstab, scheint es, als hätten in den späten Siebzigerjahren
ausgefallene Ideen in den staatlichen Polizeiorganen der USA
Hochkonjunktur gehabt. Während Ben Afflecks satirischer Thriller Argo (2012) zeigte, wie die CIA nach der Erstürmung der
amerikanischen Botschaft in Teheran 1979 eine Gruppe von Diplomaten
unter dem Vorwand, es handle sich bei ihnen um eine kanadische
Filmcrew, aus dem Iran schleusten, legt David O. Russell (Three
Kings, I Heart Huckabees, The Fighter, Silver
Linings Playbook) in American Hustle einen fiktionalisierten
– "Some of this actually happened", steht auf einer Texttafel
zu lesen – Bericht über die Operation "Abscam" vor, welche das
New Yorker Büro des FBI 1978 lancierte. Was ursprünglich als
Massnahme gegen Betrug und Hehlerei angelegt war, entwickelte sich
innert kurzer Zeit zu einer kuriosen Offensive gegen Korruption, bei
der namhafte Politiker dazu gebracht wurden, Bestechungsgelder von
einem falschen arabischen Scheich anzunehmen.
Russells Film, die erste grosse Kino-Auseinandersetzung mit Abscam –
Louis Malle verfasste unter dem Titel Moon Over Miami zwar
einst ein Drehbuch zur Materie, doch der Tod des designierten
Hauptdarstellers John Belushi verhinderte die Umsetzung –, ändert
die Namen der Beteiligten und reichert die Geschichte mit
persönlichen Konflikten und amourösen Verstrickungen an und wird so
zu einem Kaleidoskop von Hochstapeleien und deren Motivationen im
Stile von Ridley Scotts Matchstick Men oder der unterschätzen
Coen-Brothers-Farce Burn After Reading. Im Zentrum der Posse
steht der professionelle Schwindler Irving Rosenfeld (Christian
Bale), der sich zusammen mit seiner Geliebten Sydney (Amy Adams) mit
windigen Geschäften eine goldene Nase verdient – bis er vom
FBI-Mann DiMaso (Bradley Cooper) überführt wird und sich gezwungen
sieht, ihm dabei zu helfen, üblere Schurken hinter Gitter zu
bringen.
Wie man es sich von seinem Regisseur gewohnt ist, langweilt American
Hustle keine Sekunde. Obwohl weniger aufgedreht als The
Fighter (2010) und Silver Linings Playbook (2012), ist
Russells atemloser Stil auch hier unübersehbar. Die Kamera schwenkt
unermüdlich hin und her, was den bisweilen fast screwballhaften
Dialogen ("She was the Picasso of passive-aggressive karate")
eine famose Intensität verleiht. Die Schauspieler agieren einmal
mehr auf höchstem Niveau – allen voran Bale und Cooper sowie
Jeremy Renner als eines von DiMasos Opfern, die wilde Jennifer
Lawrence als Mrs. Rosenfeld sowie Robert De Niro in einem
Cameo-Auftritt als Arabisch sprechender Mafiaboss.
Die Betrüger Irving (Christian Bale, links) und Sydney (Amy Adams)
sehen sich gezwungen, für den FBI-Agenten DiMaso (Bradley Cooper) zu
arbeiten.
© Ascot Elite
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Darüber hinaus führt Russell hier das Motiv aus seinen beiden
letzten Filmen weiter, seinen grundverschiedenen Figuren definierende
verbindende Merkmale anzudichten: In The Fighter sehnt sich
jeder nach einer intakten Familie; in Silver Linings Playbook
kämpfen sämtliche Charaktere gegen mal kleinere, mal grössere
Neurosen. In American Hustle gilt nun die Maxime, dass Betrug
nicht nur die beste Überlebensstrategie, sondern nachgerade die
Essenz der menschlichen Existenz ist: "People are always connin'
each other. We're even connin' ourselves", sinniert Irving –
einer von mehreren Erzählern – einmal. So ist auch das bewusst
überstilisierte Siebziger-Kolorit mit seinen haarsträubenden
Kostümen und den aufwendigen Frisuren kein Zufall – Verkleidungen,
egal wie lächerlich sie auch scheinen mögen, gehören nun mal zum
grossen Schwindel des Lebens. Man kann dem Film als Ganzes ankreiden,
dass, anders als in den ihm letztlich überlegenen The Fighter
und Silver Linings Playbook, die Emotionen weitgehend auf der
Strecke bleiben. Man kann auch monieren, er löse seinen Plot auf
eine Art auf, die dem komplexen Netz von Lügengebilden nicht vollauf
gerecht wird. Es lässt sich mit Fug und Recht behaupten, American
Hustle sei im Grunde nichts anderes als eine gewitzte Etüde
seines Regisseurs. Aber was für eine – voller Verve, Charme und
Schalk!
★★★★
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