Donnerstag, 20. März 2014

August: Osage County

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Unter Regisseur John Wells und Drehbuchautor Tracy Letts wird das rabenschwarze Bühnendrama August: Osage County, für das Letts 2008 den Pulitzer-Preis erhielt, zu einer bisweilen anregenden, aber hoffnungslos zusammengeschusterten Leinwand-Farce ohne Pfiff und Esprit.

Wessen Idee es wohl war, einen Film, dessen Figurenkreis ausnahmslos in der tiefsten amerikanischen Midwest-Provinz beheimatet ist, in Colorado und Oklahoma, mit dem Engländer Benedict Cumberbatch (Sherlock Holmes in der BBC-Serie Sherlock) und dem Schotten Ewan McGregor (Trainspotting, Big Fish) zu besetzen? Zugegeben, beides sind gestandene Schauspieler, beide haben Erfahrung mit US-Charakteren, beide liefern in August: Osage County grundsolide Darbietungen ab (auch wenn McGregor sich allzu sehr bemüht, seinen markanten schottischen Dialekt zu überspielen). Doch irgendetwas, das sich nicht mit ihren Figuren in Verbindung bringen lässt, wirkt deplatziert an ihnen; es stellt sich das Gefühl ein, dass sie nicht in John Wells' Verfilmung von Tracy Letts' Drama gehören.

Der Film, ein stattlich besetztes Ensemble-Stück, mag nur marginal um die beiden kreisen; doch eben dieses Gefühl erweist sich als allgegenwärtig: Irgendetwas stimmt nicht mit August: Osage County. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich dies mit der Geschichte erklären. Letts, in bester Edward-Albee-Tradition, legt den Fokus auf die himmelschreiend dysfunktionale Familie Weston, die nach dem Ableben ihres schwermütigen Patriarchen (Sam Shepard – kurzer Auftritt, nachhaltiger Eindruck) ins Chaos gestürzt wird. Die nun verwitwete Violet (Meryl Streep), krebskrank und tablettensüchtig, lädt zum Traueressen ins Weston-Anwesen; es erscheinen ihre drei Töchter Karen (Juliette Lewis), Ivy (Julianne Nicholson) und Barbara (Julia Roberts) sowie ihre Schwester Mattie Fae (Margo Martindale – hervorragend) und deren Ehemann Charles (Chris Cooper – diskret und grossartig). Angestachelt von Schmerzmitteln und der Titel gebenden Augusthitze in Osage County, Oklahoma, holt Violet zum Rundumschlag gegen ihre "verweichlichte" Sippe aus, der nach und nach in einen Zweikampf mit Barbara, der ältesten Weston-Erbin und Noch-Gattin des unsicheren Bill (McGregor), mündet; derweil Ivy verzweifelt versucht, die Liebesbeziehung zu verheimlichen, die sie mit Little Charles (Cumberbatch), dem schüchternen Sohn von Onkel Charles und Tante Mattie Fae unterhält.
 
"When shall we three meet again?": Violet (Meryl Streep, Mitte) weist ihre Töchter Barbara (Julia Roberts, links) und Ivy (Julianne Nicholson) zurecht.
 © Ascot Elite
In dieser Anlage, das hat Letts' Bühnenstück bewiesen, steckt ein vielschichtiger, provokativer, durchdachter Plot um familiäre Dynamiken, hitzige Generationenkonflikte und Fragen zur Heredität von Lastern und Sünden, die in ähnlicher Form schon John Steinbeck, jenen Giganten der modernen amerikanischen Literatur, umtrieben. Wells und Letts vermögen dies, mitsamt den dazu gehörenden pointierten Dialogen, sporadisch durchaus ansprechend auf die Leinwand zu transponieren. Die Austausche zwischen der magistral aufspielenden Meryl Streep und der heftig feixenden Julia Roberts – beide oscarnominiert – sind durchsetzt von messerscharfen Linien. Und auch die ultimative Ironie, dass die einzige wahre Liebe in Osage County zwischen den Cousins Ivy und Little Charles entstanden ist, bleibt erhalten.

Doch dem überwiegend durchaus unterhaltsamen Film fehlt die Stringenz, um der potentiellen Tiefe der Geschichte – welche stets Gefahr läuft, zu einer blossen Aneinanderreihung von Schreiduellen zu verkommen – gerecht zu werden, die Innovation, um als Leinwandwerk zu begeistern. Die scheinbar willkürliche Montage der Sequenzen, wie auch die fantasielose Etablierung räumlicher Gegebenheiten – ominöse Landschaftspanoramen und Radio-Wetterberichte – stehen in starkem Kontrast zur festen Verwurzelung in Zeit und Ort, auf die im Titel angespielt wird; auch die emotionale Stimmigkeit bleibt so auf der Strecke.

★★★

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