Unter Regisseur John Wells und Drehbuchautor Tracy Letts wird das rabenschwarze Bühnendrama August: Osage County, für das Letts 2008 den Pulitzer-Preis erhielt, zu einer bisweilen anregenden, aber hoffnungslos zusammengeschusterten Leinwand-Farce ohne Pfiff und Esprit.
Wessen Idee es wohl war, einen Film, dessen Figurenkreis ausnahmslos
in der tiefsten amerikanischen Midwest-Provinz beheimatet ist, in
Colorado und Oklahoma, mit dem Engländer Benedict Cumberbatch
(Sherlock Holmes in der BBC-Serie Sherlock) und dem Schotten
Ewan McGregor (Trainspotting, Big Fish) zu besetzen?
Zugegeben, beides sind gestandene Schauspieler, beide haben Erfahrung
mit US-Charakteren, beide liefern in August: Osage County
grundsolide Darbietungen ab (auch wenn McGregor sich allzu sehr
bemüht, seinen markanten schottischen Dialekt zu überspielen). Doch
irgendetwas, das sich nicht mit ihren Figuren in Verbindung bringen
lässt, wirkt deplatziert an ihnen; es stellt sich das Gefühl ein,
dass sie nicht in John Wells' Verfilmung von Tracy Letts' Drama
gehören.
Der Film, ein stattlich besetztes Ensemble-Stück, mag nur marginal
um die beiden kreisen; doch eben dieses Gefühl erweist sich als
allgegenwärtig: Irgendetwas stimmt nicht mit August: Osage
County. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich dies mit der
Geschichte erklären. Letts, in bester Edward-Albee-Tradition, legt
den Fokus auf die himmelschreiend dysfunktionale Familie Weston, die
nach dem Ableben ihres schwermütigen Patriarchen (Sam Shepard –
kurzer Auftritt, nachhaltiger Eindruck) ins Chaos gestürzt wird. Die
nun verwitwete Violet (Meryl Streep), krebskrank und
tablettensüchtig, lädt zum Traueressen ins Weston-Anwesen; es
erscheinen ihre drei Töchter Karen (Juliette Lewis), Ivy (Julianne
Nicholson) und Barbara (Julia Roberts) sowie ihre Schwester Mattie
Fae (Margo Martindale – hervorragend) und deren Ehemann Charles
(Chris Cooper – diskret und grossartig). Angestachelt von
Schmerzmitteln und der Titel gebenden Augusthitze in Osage County,
Oklahoma, holt Violet zum Rundumschlag gegen ihre "verweichlichte"
Sippe aus, der nach und nach in einen Zweikampf mit Barbara, der
ältesten Weston-Erbin und Noch-Gattin des unsicheren Bill
(McGregor), mündet; derweil Ivy verzweifelt versucht, die
Liebesbeziehung zu verheimlichen, die sie mit Little Charles
(Cumberbatch), dem schüchternen Sohn von Onkel Charles und Tante
Mattie Fae unterhält.
"When shall we three meet again?": Violet (Meryl Streep, Mitte)
weist ihre Töchter Barbara (Julia Roberts, links) und Ivy (Julianne
Nicholson) zurecht.
© Ascot Elite
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In dieser Anlage, das hat Letts' Bühnenstück bewiesen, steckt ein
vielschichtiger, provokativer, durchdachter Plot um familiäre
Dynamiken, hitzige Generationenkonflikte und Fragen zur Heredität
von Lastern und Sünden, die in ähnlicher Form schon John Steinbeck,
jenen Giganten der modernen amerikanischen Literatur, umtrieben.
Wells und Letts vermögen dies, mitsamt den dazu gehörenden
pointierten Dialogen, sporadisch durchaus ansprechend auf die
Leinwand zu transponieren. Die Austausche zwischen der magistral
aufspielenden Meryl Streep und der heftig feixenden Julia Roberts –
beide oscarnominiert – sind durchsetzt von messerscharfen Linien.
Und auch die ultimative Ironie, dass die einzige wahre Liebe in Osage
County zwischen den Cousins Ivy und Little Charles entstanden ist,
bleibt erhalten.
Doch dem überwiegend durchaus unterhaltsamen Film fehlt die
Stringenz, um der potentiellen Tiefe der Geschichte – welche stets
Gefahr läuft, zu einer blossen Aneinanderreihung von Schreiduellen
zu verkommen – gerecht zu werden, die Innovation, um als
Leinwandwerk zu begeistern. Die scheinbar willkürliche Montage der
Sequenzen, wie auch die fantasielose Etablierung räumlicher
Gegebenheiten – ominöse Landschaftspanoramen und
Radio-Wetterberichte – stehen in starkem Kontrast zur festen
Verwurzelung in Zeit und Ort, auf die im Titel angespielt wird; auch
die emotionale Stimmigkeit bleibt so auf der Strecke.
★★★
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