Donnerstag, 27. März 2014

Lone Survivor

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.


Amerikas Kriegseinsätze im Nahen Osten scheinen wieder reif für die sprichwörtliche, gerade in Europa oft verpönte Heroismus-Behandlung durchs Hollywoodkino zu sein. Lone Survivor lobpreist eine gescheiterte Offensive gegen die Taliban und zeichnet sich dabei durch professsionelles Filmhandwerk aus.

In seinen besten Momenten erinnert der neue Film von Peter Berg (Very Bad Things, Hancock, Battleship) an überaus erlesene Genre-Vorgänger. Als die vier Navy SEALs – Marcus Luttrell (Mark Wahlberg), Michael Murphy (Taylor Kitsch), Axe Axelson (Ben Foster) und Danny Dietz (Emile Hirsch) –, die 2005 im Rahmen der "Operation Red Wings" einen hochrangigen Taliban-Führer liquidieren sollten, an einem Berghang im afghanischen Hinterland biwakieren, evoziert die informelle, aber unterschwellig geladene Stimmung ähnliche Sequenzen in Anthony Manns verkanntem Koreakrieg-Juwel Men in War (1957); als das Quartett unter Guerilla-Beschuss gerät, scheint sich Bergs zunächst noch sachlich-nüchterne Inszenierung an der letzten halben Stunde – dem praktisch in Echtzeit gedrehten Sturm auf Osama Bin Ladens Anwesen – von Kathryn Bigelows meisterhaftem Zero Dark Thirty (2012) zu orientieren.

In seinen schlechtesten Momenten lässt sich Lone Survivor zu klischierten Charakterisierungen, pathetischen Zeitlupen, überdramatischer Musikuntermalung und, während der ruhigeren Szenen, unbeholfenen Schnitten hinreissen – Defizite, welche besonders die europäische Kritik Ridley Scotts Black Hawk Down (2001), dem inoffiziellen Standardwerk im Subgenre von Filmen über amerikanische Militäreinsätze nach dem Ende des Kalten Krieges, gerne ankreidet. Seinen Tiefpunkt erreicht der Streifen indes direkt vor dem Abspann, als dem Zuschauer eine fünfminütige Bild-Montage vorgesetzt wird, in der die realen Soldaten Murphy, Axelson, Dietz, Luttrell – einziger Überlebender der Aktion sowie Co-Autor der Buchvorlage zum Film – sowie Commander Erik Kristensen (Eric Bana) geehrt werden, unterlegt mit Peter Gabriels ebenso deplatzierter wie fehlgeleiteter Coverversion von David Bowies Song "Heroes".

"Men in War": Die Mission der Navy SEALs Dietz (Emile Hirsch, rechts), Axelson (Ben Foster, 2. v. r.), Luttrell (Mark Wahlberg, 2. v. l.) und Murphy (Taylor Kitsch) ist zum Scheitern verdammt.
 © Impuls Pictures AG
Lone Survivor pendelt unablässig zwischen diesen beiden Qualitätsextremen, zwischen packendem, hochgradig atmosphärischem, herausragend gemachtem Realismus und dubioser amerikanisch-patriotischer Überhöhung. Ansatzweise gebrochen wird Letztere erst im Schlussakt, als der dem Feuergefecht mit den Taliban schwer verwundet entronnene Luttrell, von Mark Wahlberg mit überzeugend zurückhaltender Intensität verkörpert, in einem Paschtunen-Dorf von einem Einheimischen (Ali Suliman) versteckt, gepflegt und vor den Terroristen beschützt sind. Zwar sind auch diese Passagen mit eher groben Strichen gezeichnet, doch ihnen, wie auch dem Rest des Films, wohnt eine kuriose emotionale Kraft inne, welche trotz der diversen Verfehlungen der Erzählung erhalten bleiben. So ist man sogar gewillt, Lone Survivor als einen versteckt kritischen Kommentar auf die Tätigkeit des US-Militärs in Afghanistan zu lesen, gerade im klimaktischen – und fiktiven – Scharmützel zwischen Paschtunen-Bauern und Taliban-Miliz: Erstere verteidigen dem Paschtunwali-Ehrenkodex entsprechend ihren kriegsversehrten ausländischen Gast, Letztere morden im Namen des Jihad. Doch als die amerikanische Verstärkung eintrifft, verschwimmen diese essentiellen Distinktionen: Das schwarz-weisse Visier der Kampfhubschrauber sieht nur Afghanen.

★★★

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