Amerikas Kriegseinsätze im Nahen Osten scheinen wieder reif für die
sprichwörtliche, gerade in Europa oft verpönte Heroismus-Behandlung
durchs Hollywoodkino zu sein. Lone Survivor lobpreist eine
gescheiterte Offensive gegen die Taliban und zeichnet sich dabei
durch professsionelles Filmhandwerk aus.
In seinen besten Momenten erinnert der neue Film von Peter Berg (Very Bad Things, Hancock, Battleship) an überaus
erlesene Genre-Vorgänger. Als die vier Navy SEALs – Marcus
Luttrell (Mark Wahlberg), Michael Murphy (Taylor Kitsch), Axe Axelson
(Ben Foster) und Danny Dietz (Emile Hirsch) –, die 2005 im Rahmen
der "Operation Red Wings" einen hochrangigen Taliban-Führer
liquidieren sollten, an einem Berghang im afghanischen Hinterland
biwakieren, evoziert die informelle, aber unterschwellig geladene
Stimmung ähnliche Sequenzen in Anthony Manns verkanntem
Koreakrieg-Juwel Men in War (1957); als das Quartett unter
Guerilla-Beschuss gerät, scheint sich Bergs zunächst noch
sachlich-nüchterne Inszenierung an der letzten halben Stunde – dem
praktisch in Echtzeit gedrehten Sturm auf Osama Bin Ladens Anwesen –
von Kathryn Bigelows meisterhaftem Zero Dark Thirty (2012) zu
orientieren.
In seinen schlechtesten Momenten lässt sich Lone Survivor zu
klischierten Charakterisierungen, pathetischen Zeitlupen,
überdramatischer Musikuntermalung und, während der ruhigeren
Szenen, unbeholfenen Schnitten hinreissen – Defizite, welche
besonders die europäische Kritik Ridley Scotts Black Hawk Down
(2001), dem inoffiziellen Standardwerk im Subgenre von Filmen über
amerikanische Militäreinsätze nach dem Ende des Kalten Krieges,
gerne ankreidet. Seinen Tiefpunkt erreicht der Streifen indes direkt
vor dem Abspann, als dem Zuschauer eine fünfminütige Bild-Montage
vorgesetzt wird, in der die realen Soldaten Murphy, Axelson, Dietz,
Luttrell – einziger Überlebender der Aktion sowie Co-Autor der
Buchvorlage zum Film – sowie Commander Erik Kristensen (Eric Bana)
geehrt werden, unterlegt mit Peter Gabriels ebenso deplatzierter wie
fehlgeleiteter Coverversion von David Bowies Song "Heroes".
Lone
Survivor pendelt unablässig zwischen diesen beiden
Qualitätsextremen, zwischen packendem, hochgradig atmosphärischem,
herausragend gemachtem Realismus und dubioser
amerikanisch-patriotischer Überhöhung. Ansatzweise gebrochen wird
Letztere erst im Schlussakt, als der dem Feuergefecht mit den Taliban
schwer verwundet entronnene Luttrell, von Mark Wahlberg mit
überzeugend zurückhaltender Intensität verkörpert, in einem
Paschtunen-Dorf von einem Einheimischen (Ali Suliman) versteckt,
gepflegt und vor den Terroristen beschützt sind. Zwar sind auch
diese Passagen mit eher groben Strichen gezeichnet, doch ihnen, wie
auch dem Rest des Films, wohnt eine kuriose emotionale Kraft inne,
welche trotz der diversen Verfehlungen der Erzählung erhalten
bleiben. So ist man sogar gewillt, Lone Survivor als einen
versteckt kritischen Kommentar auf die Tätigkeit des US-Militärs in
Afghanistan zu lesen, gerade im klimaktischen – und fiktiven –
Scharmützel zwischen Paschtunen-Bauern und Taliban-Miliz: Erstere
verteidigen dem Paschtunwali-Ehrenkodex entsprechend ihren
kriegsversehrten ausländischen Gast, Letztere morden im Namen des
Jihad. Doch als die amerikanische Verstärkung eintrifft,
verschwimmen diese essentiellen Distinktionen: Das schwarz-weisse
Visier der Kampfhubschrauber sieht nur Afghanen.
★★★
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