Der König der Monster ist zurück: Exakt 60 Jahre nach dem japanischen Original, 16 nach dem ersten rein amerikanisch produzierten Katastrophenstreifen um die gigantische Urzeit-Echse, zieht Regisseur Gareth Edwards mit Godzilla sämtliche CGI-Register. Das Nachsehen haben die menschlichen Akteure.
In
gewisser Hinsicht ist Edwards' 160-Millionen-Dollar-Produktion die
Apotheose von Ishirō
Hondas Godzilla (1954), auch bekannt als Gojira – ein
Portmanteau aus den japanischen Wörtern "gorira" ("Gorilla")
und "kujira" ("Wal"). Benutzte Hondas Kaiju-Meilenstein mit
der durch Atombomben erweckten Titelfigur noch einen Mann im
Gummianzug, der Modellhäuser und -wolkenkratzer in Grund und Boden
stampfte, steht Edwards das ganze filmtricktechnische Arsenal des 21.
Jahrhunderts zur Verfügung, um den Kern der Franchise – eine
Parabel auf die Zerstörungskraft der Nuklearenergie – so
fotorealistisch wie möglich auf die Leinwand zu bannen.Und
tatsächlich brennt Edwards mit Godzilla ein fulminantes
visuelles Feuerwerk ab.
Nach Roland Emmerichs gleichnamigem, an allen Ecken und Enden
ungenügendem Eintrag (1998) in die "altehrwürdige" Nippon-Reihe
besinnt sich der Brite auf deren Anfänge zurück: Die Erzählung
wurde, anders als Emmerichs Machwerk, wieder an den pazifischen
Feuerring – zwischen Manila und Las Vegas, den historischen
Schauplatz der nuklearen Kriegsführung – verlegt. Edwards'
Godzilla gleicht mit seiner bärenartigen Schnauze und seinen
kurzkralligen Baumstamm-Beinen wieder weniger dem mit Rückenstacheln
aufgemotzten Tyrannosaurus rex, der bei Emmerich in New York wütete,
als der schwerfälligen, bulligen Monstrosität aus den
Tokusatsu-Produktionen der japanischen Toho-Studios. Mit einer Grösse
von gut 100 Metern gibt das oft mit den besinnungslosen, weder guten
noch bösen Shinto-Gottheiten der Zerstörung verglichene amphibische
Reptil eine beeindruckende Erscheinung ab. Sein ikonischer Schrei,
mit dem er sich in Edwards' Film in den Kampf gegen zwei
prähistorische Parasiten-Kreaturen – auch sie von akutem
Gigantismus befallen – stürzt, geht durch Mark und Bein. Wenn bei
der finalen Auseinandersetzung Alexandre Desplats Musikscore die
atmosphärisch-verstörenden Kompositionen György Ligetis aus
Kubricks 2001: A Space Odyssey zitiert, Gojira in Zeitlupe
seinen atomaren Feueratem zum Einsatz bringt und dabei halb San
Francisco in Schutt und Asche legt, wird in Sachen überzeugendem
CGI-Spektakel sogar Guillermo del Toros Kaiju-Liebeserklärung Pacific Rim (2013) in den Schatten gestellt. Thematische
Gravitas und beste Popcorn-Unterhaltung halten sich in diesen Szenen
gekonnt die Waage.
"The Return of the Kaiju": Godzilla (inzwischen ohne Mann im
Kostüm, dafür mit CGI) läuft in San Francisco ein.
© 2013 Warner Bros. Ent.
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Es ist entsprechend schade, dass diese Klasse in der Plot-Konzeption
von Drehbuchautor Max Borenstein, wenn überhaupt, nur vereinzelt zu
finden ist. Zu seinem Glück ist Godzilla allein bereits ein
atemberaubendes wandelndes Symbol, sodass die Tatsache, dass sich die
Raffinesse seines Skripts überwiegend auf kinematografische
Selbstreflexivität – "In 1954, we awakened something", sagt
der vom soliden Ken Watanabe gespielte Wissenschaftler Ishirō (!)
Serizawa, wohl unterschwellig auch auf das von Gojira begründete Genre verweisend –, nicht allzu schwer ins Gewicht
fällt. Auf der menschlichen Ebene jedoch werden die Skript-Schwächen
umso schmerzlicher offenkundig: Ein Nuklearforscher (Bryan Cranston)
wird nach dem Tod seiner Frau (Juliette Binoche) zum scheinbar
paranoiden Eremiten, dem es aber dennoch gelingt, seinen im Militär
aktiven Sohn (Aaron Taylor-Johnson) von der Existenz der gefährlichen
Urzeit-Ungetüme zu überzeugen. Auch Sally Hawkins und David
Strathairn sind in diesen oft in Klischees versinkenden Passagen
dabei, mit begrenztem Einfluss auf das Geschehen. Letztendlich sind
diese ersten zwei Drittel des rund zweistündigen Films aber ohnehin
nur dazu da, überwunden zu werden. Was zählt, ist Godzilla – und
der kommt seinen Verpflichtungen vortrefflich nach.
★★★
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