Donnerstag, 1. Mai 2014

Transcendence

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.


Ernsthafte Auseinandersetzungen mit autonomen und selbstbewussten Maschinen – welche vielleicht schon bald Realität sind – und den damit verbundenen transhumanistischen Fragen sind in Hollywood Mangelware. Transcendence stellt sich zunächst der herausfordernden Thematik, verfällt letztlich aber wieder in alte Muster.

Überfliegt man die Synopsis zum Regiedebüt von Kameramann Wally Pfister (Oscar-Nominationen für Batman Begins, The Prestige und The Dark Knight; Oscar für Inception) – Dr. Will Caster (Johnny Depp), Experte für künstliche Intelligenz, wird von einer Ludditen-Terrorgruppe ermordet, schafft es aber gerade noch, sein Bewusstsein auf eine Computer-Festplatte zu laden –, erinnert man sich plötzlich an jene Szene im Pixar-Animationsfilm Ratatouille, in welcher der von Peter O'Toole gesprochene Restaurantkritiker Anton Ego seine Bestellung aufgibt: "You know what I'm craving? A little perspective". Endlich befasst sich eine amerikanische Mainstream-Produktion mit einem der vielleicht wichtigsten Felder der nahen Zukunft: der technologischen Singularität, dem Punkt, an dem die Intelligenz eines Computers diejenige der klügsten Menschen übersteigt, an dem es möglich wird, das Fassungsvermögen des menschlichen Gehirns gänzlich als Code nachvollziehen zu können. Man hofft, dass Transcendence sich nicht den Genre-Platitüden hingibt, wie sie etwa in I, Robot (2004) zu sehen waren, sondern sich auf sachlich-kritische Weise an das heikle, aber nicht minder faszinierende Konzept des Transhumanismus heran wagt.

Doch obwohl Pfisters Film, basierend auf einem jahrelang von Produktionsfirma zu Produktionsfirma weitergereichten Drehbuch von Jack Paglen, sich insgesamt um ein ausgeglichenes Bild des Mensch-Computer-Hybriden bemüht, fällt seine Perspektive schlussendlich enttäuschend begrenzt aus. Was als visuell virtuos realisiertes Science-Fiction-Drama beginnt, dessen Macher sich offenkundig mit der Arbeit von KI-Pionieren und Singularitäts-Denkern wie Alan Turing und Ray Kurzweil beschäftigt haben, degeneriert zunehmend zu irrisinnigem Genre-Humbug, in dem der Datenmensch Will Caster seine Macht zu missbrauchen beginnt, was seine treue Frau (Rebecca Hall – Chemie ist zwischen ihr und Depp nicht auszumachen), seinen besten Freund (Paul Bettany), seinen Mentor (Morgan Freeman) sowie einen Polizisten (Cillian Murphy) dazu bewegt, mit den technikfeindlichen Terroristen, welche aber nichtsdestoweniger Brillen tragen und Auto fahren – eine Ironie, die dem Film zu entgehen scheint –, gemeinsame Sache zu machen.

Mit Hilfe seiner Frau (Rebecca Hall) hat es Dr. Will Caster (Johnny Depp, auf dem Bildschirm) geschafft, sein Bewusstsein auf einen Computer zu laden – sehr zum Erstaunen von Wissenschaftler Joseph (Morgan Freeman, links) und FBI-Agent Buchanan (Cillian Murphy).
© Ascot Elite
So verliert Transcendence mit seinem Rückfall in altbekannte narrative Muster nicht nur ein grosses Stück seines Realitätsbezuges, sondern auch an dramaturgischem Reiz. Die philosophischen Implikationen seines cineastisch vergleichsweise unberührten Themas liegen weit ausserhalb der Reichweite seines löchrigen, auf der emotionalen Ebene kaum bewegenden, bisweilen haarsträubenden Plots. Einzig optisch – mit seinem wirkungsvollen Setdesign, seinen hervorragend komponierten Bildern und seinen kunstvollen Pillow Shots – vermag der Film durchgehend zu überzeugen. Wer eine seriöse Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz sehen will, ist mit Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey schon vor 46 Jahren bestens bedient worden. Die zwischenmenschliche Komponente wurde unlängst von Spike Jonze in Her grandios ausgelotet. Wer an KI-Dystopie im Popcornkino-Format interessiert ist, wird bei James Camerons Terminator 2: Judgment Day fündig. Transcendence ist in all diesen Belangen schlicht nicht gut genug.

★★

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen