Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.
Einer Psychologie-Komödie, welche den Zuschauer seinen eigenen
Verstand, oder wenigstens sein Humorverständnis, anzweifeln lässt,
wohnt etwas anregend Ironisches inne. Der Filmgenuss profitiert davon
aber nur begrenzt – die diffuse Causa von Benjamin Heisenbergs Über-Ich und Du.
Tatsächlich wirkt dieser kuriose Streifen streckenweise wie eines
jener vertrackt-perfiden psychologischen Experimente, in denen die
Probanden in einem Warteraum platziert werden, mit der Information,
die Studie beginne jeden Augenblick – ohne zu ahnen, dass der
Versuch darin besteht zu beobachten, wie die Wartenden reagieren,
wenn sie immer wieder aufs Neue vertröstet werden. Weniger kafkaesk,
dafür ähnlich frustrierend, geht es in Über-Ich und Du zu
und her, einem Film über den Buchhehler Nick (Georg Friedrich), der
sich als Haushaltshilfe beim pensionierten Star-Psychologen Curt
Ledig (André Wilms) einnistet. Regisseur Heisenberg (Schläfer, Der Räuber) verkauft seinen Film als Komödie, doch die
Bezeichnung mutet vermessen an. Das Problem ist nicht etwa, dass das
vorhandene Witzmaterial nicht zu amüsieren wüsste; vielmehr erweist
sich das Ganze als oftmals bemühende Geduldsprobe, ein scheinbar
fruchtloses Warten auf den Versuch eines Witzes. Das von Heisenberg
und Josef Lechner verfasste Drehbuch wirkt, als hätten die beiden
vergessen, ihre Erzählung mit Gags anzureichern.
Natürlich gibt es Elemente, die sich grosszügig als Pointen
bezeichnen liessen: die offenbar ansteckende Neurose Curts, Küchen
nicht betreten zu können; seine innige Beziehung zu seinen
Gehstöcken; die schweigsamen Schergen einer nebulösen Buch-Mafiosa
(Maria Hofstätter), welche Nick ans Leder will; die ratlose
Spiesser-Familie Ledig, die Nick nicht vertrauen mag; der
unerklärliche Running Gag unablässig streitender Ballonfahrer. Kein
einziges dieser Versatzstücke aber scheint einer erkennbaren Form
von Humor zu folgen. Der Slapstick ist schlaff und bar jeglicher
Energie, Wortwitz ist nirgendwo zu finden, die Absurditäten wie auch
die Charakterkomödie scheitern an einer Handlung ohne feste
Bezugspunkte, deren Exposition während des Vorspanns in einer
überhasteten, letztlich verwirrenden Reihe von
Telefonbeantworter-Nachrichten abgewickelt wird und deren Akteure bis
zuletzt bestenfalls vage umrissen bleiben.
Therapie einmal anders: Psychologe Curt Ledig (André Wilms, rechts)
verordnet dem Hehler Nick (Georg Friedrich) eine asketische Kur.
© Vega Film
|
So schafft es der Film auch nie, eine nachvollziehbare Dramaturgie
aufzubauen. Stattdessen reihen sich Szenen in, wohlwollend
ausgedrückt, gemessenem Tempo aneinander, welche man wohl
Rorschach-Test-artig als Geschichte interpretieren sollte. Nicks
Buchhändlerin, die auch seine Liebhaberin zu sein scheint, gerät
irgendwann an die Antiquariats-Mafia; Curt und Nick ziehen sich zur
Therapie in die Berge zurück, wo Letzterer sich zwei Tage lang bis
zum Hals in die Erde eingraben lässt, während Ersterer vergnügt in
sein Diktaphon hinein analysiert; ohne ersichtlichen Grund schalten
sich die Ledigs zunehmend ins Geschehen ein; und als hätte sich
Frauke Finsterwalders Möchtegern-Satire Finsterworld in
Heisenbergs Werk eingeschlichen, dient Curts Nazi-Vergangenheit als
schlussendlich hinfälliges Plot-Element.
Wären hier nicht die engagierten Darsteller Georg Friedrich und
André Wilms am Werk, würde Über-Ich und Du wohl gänzlich
ins Unerträgliche absacken. Zwar mag es keinem dieser beiden
erstklassigen Mimen richtig gelingen, dem Skript legitime Lacher zu
entlocken, doch ihre abgeklärte Präsenz ist Balsam in einer alles
in allem stümperhaft aufgezogenen Komödie. Fazit: Ignorieren.
★
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen