Iron Man, Hulk, Thor, Captain America – die klingenden Namen der Avengers garantieren der Filmabteilung von Marvel Comics seit nunmehr sechs Jahren konstant stattliche Umsätze. Nun wird in Guardians of the Galaxy eine weniger bekannte Heldentruppe ins Rampenlicht gerückt. Dem Spass ist das keineswegs abträglich.
Wer mit beinahe jeder Produktion die 500-Millionen-Dollar-Marke
an den Kinokassen knackt, der kann getrost einmal ein Wagnis wie die Adaption
der unter den nicht einschlägig Informierten weitestgehend unbekannten Guardians of the Galaxy-Comics eingehen. Es ist nicht zuletzt dieser Liebe
zum vollständigen eigenen Kanon zu verdanken, dass Marvel der Konkurrenz von DC
schon längst den Rang abgelaufen hat. Während bei DC Drehbuchautoren an
Pressekonferenzen Comic-Fans beleidigen, die Aufmerksamkeit strikt den
inzwischen praktisch miteinander verschmolzenen Aushängeschildern Batman und
Superman gilt und potentiell ergiebigen Figuren wie Martian Manhunter, Green
Arrow oder – allen voran – Wonder Woman der Sprung auf die Leinwand auf Grund
ihrer "unrealistischen" Natur verwehrt wird, erfreut sich Stan Lees Marvel an
der kunterbunten Vielfalt ihrer nicht selten haarsträubenden Charaktere. DC
schweigt vergangene Fehlschläge (Batman & Robin) zu Tode; Marvel beweist
Selbstironie und ruft dem Publikum in James Gunns Guardians of the Galaxy das
schon fast vergessene Desaster Howard the Duck (1986) in Erinnerung. DC
brütet über der "lächerlichen" Prämisse von Wonder Woman; Marvel und Gunn
erheben einen schiesswütigen Waschbären und einen sprechenden Baum zu
Protagonisten.
Trotz der nicht selten hohen Qualität der Einträge in die Avengers-Reihe bietet die Sammlung von Marvels "B-Prominenten" in Guardians
of the Galaxy eine willkommene Abwechslung zum solide etablierten Figurenkreis
des Studios. Statt nordischer Götter (Thor), Genies in mechanischen Anzügen
(Iron Man), genetisch veränderter Soldaten (Captain America) und nuklearer
Wutungetüme (Hulk) fokussiert sich Gunn, Regisseur der Superhelden-Satire Super, auf den Erdling Peter Quill alias Star-Lord (TV-Komödiant Chris Pratt
auf Kurs Richtung Star-Status), welcher 1988 nach dem Tod seiner Mutter vom
Alien-Banditen Yondu (Michael Rooker) adoptiert wurde. Als Peter auf einem
verlassenen Planeten eine mysteriöse Kugel entdeckt und damit ins Visier des
ausserirdischen Warlords Ronan (Lee Pace) gerät, trifft er auf Gamora (Zoe
Saldana), Ziehtochter von Avengers-Erzfeind Thanos (Josh Brolin), den
wortgewandten Muskelprotz Drax the Destroyer (Wrestler Dave Bautista) sowie das "dynamische" Kopfgeldjäger-Duo Rocket (Stimme: ein herausragender, allerdings
kaum erkennbarer Bradley Cooper) und Groot (Stimme: Vin Diesel) – Ersterer ein
hochintelligenter, aus einem Forschungslabor entflohener Waschbär, Letzterer
ein humanoider Baum, welcher nur den Satz "I am Groot" (von Diesel mit
erstaunlicher Varietät gesprochen) von sich geben kann. Obwohl die einzelnen
Figuren grundverschiedene Ziele verfolgen und sich gegenseitig mehreren
Auftraggebern auszuliefern gedenken, sehen sie sich gezwungen zusammen zu
spannen, um der Bedrohung Ronans trotzen zu können.
Zwar vermag Guardians of the Galaxy mit seiner
Geschichte kaum zu überraschen – er folgt dem dramaturgischen Schema der Avengers-Filme –, doch er sprüht nichtsdestoweniger förmlich vor Fantasie: Im
Stile von Star Trek und der Romanserie The Hitchhiker's Guide to the Galaxy
von Douglas Adams ist es Gunn und seiner Crew hier gelungen, ein lebendiges,
mannigfaltiges Universum voller individueller Schauplätze und variantenreicher
Alien-Spezies zu schaffen. Zudem unterstreicht der durchgehend unterhaltsame
Film Marvels Ruf, im Vergleich zu DC nuanciertere, mehrdimensionale Figuren
erschaffen zu haben, auf eindrückliche Art und Weise. Gerade abseits, mitunter
aber auch inmitten der (exzellent animierten) Actionsequenzen zeichnet sich Guardians of the Galaxy mit durchaus emotionalen Charaktermomenten aus, in
denen besonders – man hätte es nicht für möglich gehalten – Bradley Coopers
Rocket Raccoon zu glänzen weiss. Ein Blockbuster mit dem Herz am rechten Fleck.
★★★
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