Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.
Gillian Flynns Thriller-Bestseller Gone Girl hat in David
Fincher (Fight Club, The Social Network) den idealen
Regisseur gefunden. In seinen Händen wird der Stoff zu einer
stilistischen Meisterleistung, einer kalten, zynischen Satire über
die Abgründe im Amerika der Rezession.
Es ist kein Zufall, dass ein Film, welcher während seiner insgesamt zweieinhalbstündigen Laufzeit immer wieder an Werke Alfred Hitchcocks erinnert – vorab an Dial M for Murder (1954) und Psycho (1960) –, in der Diskussion jene Benimmregel voraussetzt, die "Hitch" von seinem Publikum regelmässig verlangte: "Don't give away the ending – it's the only one we have". Eine Rezension über Gone Girl, ein Film, der erzählerisch von seinen kleineren und grösseren Enthüllungen lebt, ist demnach verpflichtet, aus Rücksicht auf jene, welche sich Flynns Erfolgsroman (noch) nicht zu Gemüte geführt haben, in vage Euphemismen und skizzenhafte Plot-Erörterungen zu hüllen. Eine Orientierung über die Prämisse muss genügen: Am fünften Hochzeitstag von Nick (Ben Affleck) und Amy (Rosamund Pike) verschwindet Letztere spurlos. Die einzigen Hinweise, welche die Polizei, angeführt von Inspektorin Rhonda Boney (Kim Dickens), vorfindet, sind ein Blutfleckchen in der Küche, ein zerborstener Glastisch sowie das erste Rätsel der Schnitzeljagd, die Amy zum Jahrestag für Nick vorbereitet hat. Da Boney Nicks Verhalten und Anzeichen auf eine durch Geldsorgen zerrüttete Ehe zunehmend verdächtig erscheinen, rückt er bald ins Zentrum der Ermittlung; derweil die Medien ihn bereits als Frauenmörder verurteilt haben. Einzig seine Zwillingsschwester Margo (Carrie Coon) und sein Anwalt (Tyler Perry – wunderbar) halten noch zu ihm.
Es ist kein Zufall, dass ein Film, welcher während seiner insgesamt zweieinhalbstündigen Laufzeit immer wieder an Werke Alfred Hitchcocks erinnert – vorab an Dial M for Murder (1954) und Psycho (1960) –, in der Diskussion jene Benimmregel voraussetzt, die "Hitch" von seinem Publikum regelmässig verlangte: "Don't give away the ending – it's the only one we have". Eine Rezension über Gone Girl, ein Film, der erzählerisch von seinen kleineren und grösseren Enthüllungen lebt, ist demnach verpflichtet, aus Rücksicht auf jene, welche sich Flynns Erfolgsroman (noch) nicht zu Gemüte geführt haben, in vage Euphemismen und skizzenhafte Plot-Erörterungen zu hüllen. Eine Orientierung über die Prämisse muss genügen: Am fünften Hochzeitstag von Nick (Ben Affleck) und Amy (Rosamund Pike) verschwindet Letztere spurlos. Die einzigen Hinweise, welche die Polizei, angeführt von Inspektorin Rhonda Boney (Kim Dickens), vorfindet, sind ein Blutfleckchen in der Küche, ein zerborstener Glastisch sowie das erste Rätsel der Schnitzeljagd, die Amy zum Jahrestag für Nick vorbereitet hat. Da Boney Nicks Verhalten und Anzeichen auf eine durch Geldsorgen zerrüttete Ehe zunehmend verdächtig erscheinen, rückt er bald ins Zentrum der Ermittlung; derweil die Medien ihn bereits als Frauenmörder verurteilt haben. Einzig seine Zwillingsschwester Margo (Carrie Coon) und sein Anwalt (Tyler Perry – wunderbar) halten noch zu ihm.
Die Schwächen von Gone Girl, wenn man sie denn als solche
bezeichnen will, sind im Grunde nichts anderes als bewährte
Stilmittel im Kanon des David Fincher. Er operiert einmal mehr mit
chirurgischer Präzision, seine Charaktere sind zu analysierende
Objekte auf einem kalten Seziertisch; Empathie hat ihnen Fincher mit
ganz wenigen Ausnahmen (Benjamin Button in The Curious Case of
Benjamin Button, Eduardo Saverin in The Social Network) nie
entgegen gebracht. Somit erweist sich der Versuch des Publikums, in
den zutiefst unsympathischen Protagonisten Nick und Amy emotional
ansprechende Identifikationsfiguren zu finden, als schier unlösbare
Herausforderung.
Doch das ist auch eines der faszinierenden Themen in diesem Film:
Schein und Sein, die Macht der Sympathie, das Hinterfragen des
eigenen Moralverständnisses. "I'm not a murderer", gibt Nick
während eines Talkshow-Interviews zu Protokoll – in einer jener
Sendungen, deren Moderatoren ohne handfeste Beweise hoffnungsvoll zu
bedenken geben, dass am Ende der Ermittlung die Todesstrafe wartet –, "but that doesn't make me a good person". Abseits der
Kriminalthriller-Versatzstücke, deren Anspruch auf Realismus – "Hitch" lässt grüssen – besonders gegen Ende bewusst nicht
ausserorderntlich hoch liegt, beleuchten Fincher und Drehbuchautorin
Flynn ein zerfallendes Mittelklasse-Amerika, das in der privaten und
der öffentlichen Sphäre verlernt hat, ein aufrichtiges Gespräch zu
führen.
Dies ist spannend im Hitchcock'schen Sinne, wird aber erst durch die Form zu einem der besten Filme des Jahres. Die aus verschiedenen Perspektiven dargelegte Geschichte ist virtuos inszeniert; Kameramann Jeff Cronenweths düster-bedrohliche Kompositionen, mit denen er bereits Finchers The Girl with the Dragon Tattoo veredelte, erfüllen auch hier bestens ihren Zweck. Als formaler Höhepunkt sticht die schlicht atemberaubende Ambient-Musik von Trent Reznor und Atticus Ross heraus, welche den besten Szenen (Stichwort: Dame in Rot) zusätzliche Intensität verleiht. Die Sympathien in Gone Girl liegen weder bei Nick noch bei Amy; stattdessen liegen sie bei den magistralen Qualitäten des David Fincher.
★★★★★
Dies ist spannend im Hitchcock'schen Sinne, wird aber erst durch die Form zu einem der besten Filme des Jahres. Die aus verschiedenen Perspektiven dargelegte Geschichte ist virtuos inszeniert; Kameramann Jeff Cronenweths düster-bedrohliche Kompositionen, mit denen er bereits Finchers The Girl with the Dragon Tattoo veredelte, erfüllen auch hier bestens ihren Zweck. Als formaler Höhepunkt sticht die schlicht atemberaubende Ambient-Musik von Trent Reznor und Atticus Ross heraus, welche den besten Szenen (Stichwort: Dame in Rot) zusätzliche Intensität verleiht. Die Sympathien in Gone Girl liegen weder bei Nick noch bei Amy; stattdessen liegen sie bei den magistralen Qualitäten des David Fincher.
★★★★★
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