The Double spielt in einer dystopischen Version der Achtzigerjahre; die niemals vollständig ausgeleuchtete, düster-industrielle Ausstattung, die den Charakteren keinen Ausbruch erlaubt, gemahnt an Michael Radfords Nineteen Eighty-Four und Terry Gilliams Brazil; ebenso das an sich futuristische, aber stets defekte technologische Arsenal, auf das Protagonist Simon James (Jesse Eisenberg), ein unscheinbarer junger Mann mit einem kaum definierten Beruf, Zugriff hat. Dass er von einem aus dem Nichts auftauchenden, selbstbewussten Doppelgänger, der sich James Simon nennt (Eisenberg zum Zweiten), aus dem Leben drängen lässt – er verliert die Gunst seines Vorgesetzten (Wallace Shawn) und die Hoffnung, seine heimliche Liebe (Mia Wasikowska) auf sich aufmerksam zu machen –, hat etwas Kafkaeskes. Die knappen, oft leicht verdrehten Dialoge evozieren Wes Anderson, dessen Einfluss sich bereits in Ayoades Erstling, der vergleichsweise linearen, obschon nicht minder skurrilen, Romanverfilmung Submarine bemerkbar machte.
Zwar verbindet The Double diese Inspirationspunkte zu
einem eigenen Stil – Ayoade beweist einen ungemein ausgereiften
Gestaltungswillen –, aber sie vermögen nicht, die zitierten Primärtexte
gänzlich vergessen zu machen. Doch ist das überhaupt das Ziel? Die Frage lässt
sich nicht schlüssig beantworten; allerdings scheint dieser Umstand durchaus
kalkuliert, so dass The Double immer wieder wirkt, als wäre er in den
Ruinen der Sets von Radford und Gilliam gedreht worden. Der Film wird
heimgesucht vom Geist eines britischen Kinos der Vergangenheit, aus der Zeit
des perspektivlosen Thatcherismus – eines britischen Kinos des subversiven
Pessimismus.
Es sind diese Ideen, die Ayoade, eigentlich ein Verehrer der
British New Wave, hier wieder aufgreift und mit einem Plot verbindet, in dem
die Welt von einer schrillen Kopie (James) mehr angetan ist als vom stilleren,
umsichtigeren, zurückhaltenderen Original (Simon). Grundsätzlich handelt es
sich dabei um einen (anti-)kapitalistischen Diskurs: Wer sich verkaufen kann,
wer ohne Skrupel die Schwächen Anderer auszunutzen weiss, kommt nicht nur
finanziell, sondern auch zwischenmenschlich zum Erfolg; nicht das Was ist
entscheidend, sondern das Wie. Simons erleichtertes "I like to think I'm
pretty unique" zum Schluss sollte wohl cum grano salis genommen werden. So
erhält die fundamentale Ähnlichkeit von The Double mit anderen bekannten
Werken eine anregend selbstreflexive Dimension. Die belohnte
Schein-Originalität von James spiegelt sich wider in Ayoades elegantem Spiel
mit Einflüssen und Inspirationen.
"Same Same But Different": Der unscheinbare Simon James (Jesse Eisenberg) wird von einem mysteriösen Doppelgänger (Jesse Eisenberg) aus dem Leben gedrängt. © Alcove Entertainment |
Erzählerisch verhält sich die stilistisch virtuose
Dostoyevsky-Adaption wie ein schwarzhumoriges Stimmungsbild. Sie strebt eine
bedrückende, wenn auch absurd gebrochene (etwa durch Gastauftritte von Chris
Morris und Chris O'Dowd, mit denen Ayoade in der Sitcom The IT Crowd agierte)
Atmosphäre an, in der Satire und genuine Emotionen nur schwer voneinander zu
unterscheiden sind. Legt eine Szene den Fokus auf die Beziehung zwischen Simon
und Mia Wasikowskas Hannah, folgen meist zärtliche, sorgsam ausgearbeitete
Austausche, doch der Film macht nie einen Hehl daraus, dass dieses Stück
Wilder'scher Romantik nicht das Zentrum des Ganzen bildet.
In vielerlei Hinsicht wirkt der letztlich ausserordentlich
betörende The Double wie ein notwendiger Schritt in Ayoades
Selbstfindung als Regisseur, ein lobenswert eigensinnig realisiertes
Experiment, in dem russische Literatur, britisches Kunstkino mit
sozialkritischer Sensibilität und ein mit japanischsprachiger Popmusik
reichlich bestückter in überraschender Harmonie zueinander finden.
★★★★
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