Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.
Drei
Mädchen mit bübischen Haarschnitten wollen Anfang der Achtzigerjahre die
Stockholmer Punk-Szene aufrütteln. Was verspricht, ein Coming-of-Age-Film der
etwas anderen Art zu sein, enttäuscht letzten Endes die Erwartungen: Vor lauter
jugendlichem Überschwang vernachlässigt We Are the Best! die Stringenz.
1982:
Fünf Jahre sind seit der Veröffentlichung des Stil bildenden Sex-Pistols-Albums Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols vergangen; zwei seit die Dead
Kennedys ihr Debüt mit Fresh Fruit for Rotting Vegetables feierten; im Mai
dieses Jahres bringen The Clash mit Combat Rock ihre zweitletzte LP heraus.
Doch wer auf den Schulhöfen von Stockholm als cool gelten will, hängt sich
keine Sid-Vicious-Plakate ins Zimmer und hört nicht mehr Punk-Eigengewächse wie
KSMB oder Ebba Grön, sondern zieht sich hautenge Gymnastik-Anzüge an und tanzt
zu den geistigen Erben ABBAs. Dabei machen die 13-jährigen Freundinnen Bobo
(Mira Barkhammar) und Klara (Mira Grosin) aber nicht mit. Gelangweilt und
frustriert von Schule und Familie, gründen die beiden – ohne jede Erfahrung mit
Instrumenten – eine Mädchen-Punk-Band, deren erster Hit ein Hass-Song gegen den
Sportunterricht sein soll. Um ihren Sound zu optimieren, bemühen sie sich
darum, die Gitarrenspielerin Hedvig (Liv LeMoyne), die scheue, zurückhaltende
Christin, für den Punk zu begeistern.
Die Figuren von We Are the Best! (schwedischer
Originaltitel: Vi är bäst!) trifft keine Schuld, dass die Verfilmung von Coco
Moodyssons Comic Never Goodnight durch ihren Ehemann Lukas (Fucking Åmål)
keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Die sensible Bobo mit Kurzhaarfrisur
und Drahtbrille, die wilde Klara mit Irokesenschnitt und zu grossen
Holzfällerhemden und die vernünftige Hedvig, die sich nichtsdestoweniger über
den Verlust ihres Engelshaars freut, sind dynamische Charaktere, die der
Fantasie eines Erich Kästner hätten entspringen können, die in Cornelia Funkes Wilden Hühnern nicht fehl am Platz gewirkt hätten, mit denen sich Astrid
Lindgrens Pippi Langstrumpf wohl bestens verstanden hätte. Selbst wenn das
Drehbuch ihre Entwicklung im Schlussdrittel ein wenig ausser Acht lässt und
einer überhasteten Liebesgeschichte – mit obligatem Konfliktpotential innerhalb
des Trios – unterordnet, schimmert die wunderbare Menschlichkeit von den
Jungmimen Barkhammar, Grosin und LeMoyne hindurch.
|
Es
lebe der Punk! Klara (Mira Grosin, rechts), Bobo (Mira Barkhammar, Mitte) und
Hedvig (Liv LeMoyne) gründen 1982 im ABBA liebenden Stockholm eine Punk-Band.
© Columbus Film SA |
Doch leider irrt der
Plot von Moodyssons Film mehr oder weniger ziellos umher. Die überwiegend mit
einer rasant geführten Handkamera gefilmten Sequenzen, die Klara und Bobo beim
Proben zeigen oder ihr frühpubertär angespanntes Verhältnis zum familiären
Umfeld illustrieren, verlieren ihre Wirkung durch unablässige Wiederholung.
Zwar mag der Stil die abrupten Wechsel zwischen jugendlicher Langeweile und
rebellischem Enthusiasmus widerspiegeln; doch es fehlt die inhaltliche
Varietät, um als Einheit zu überzeugen. Der klimaktische Auftritt in einer Västeråser
Turnhalle mitsamt einem Punk-Tumult – obgleich ein amüsanter, erhebender
Gründungsmythos für die angedeutete Zukunft der drei Rabaukinnen – wirkt hastig
hinzu gedichtet und allzu märchenhaft arrangiert. Moodyssons fadenscheiniges
Skript und repetitive Inszenierung werden letztlich allein durch die Präsenz
seiner herausragenden Hauptdarstellerinnen aufgewertet. We Are the Best! ist
eine ziemlich frustrierende Verschwendung von solidem Figurenmaterial.
★★
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen