Donnerstag, 23. Oktober 2014

We Are the Best!

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Drei Mädchen mit bübischen Haarschnitten wollen Anfang der Achtzigerjahre die Stockholmer Punk-Szene aufrütteln. Was verspricht, ein Coming-of-Age-Film der etwas anderen Art zu sein, enttäuscht letzten Endes die Erwartungen: Vor lauter jugendlichem Überschwang vernachlässigt We Are the Best! die Stringenz.

1982: Fünf Jahre sind seit der Veröffentlichung des Stil bildenden Sex-Pistols-Albums Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols vergangen; zwei seit die Dead Kennedys ihr Debüt mit Fresh Fruit for Rotting Vegetables feierten; im Mai dieses Jahres bringen The Clash mit Combat Rock ihre zweitletzte LP heraus. Doch wer auf den Schulhöfen von Stockholm als cool gelten will, hängt sich keine Sid-Vicious-Plakate ins Zimmer und hört nicht mehr Punk-Eigengewächse wie KSMB oder Ebba Grön, sondern zieht sich hautenge Gymnastik-Anzüge an und tanzt zu den geistigen Erben ABBAs. Dabei machen die 13-jährigen Freundinnen Bobo (Mira Barkhammar) und Klara (Mira Grosin) aber nicht mit. Gelangweilt und frustriert von Schule und Familie, gründen die beiden – ohne jede Erfahrung mit Instrumenten – eine Mädchen-Punk-Band, deren erster Hit ein Hass-Song gegen den Sportunterricht sein soll. Um ihren Sound zu optimieren, bemühen sie sich darum, die Gitarrenspielerin Hedvig (Liv LeMoyne), die scheue, zurückhaltende Christin, für den Punk zu begeistern.

Die Figuren von We Are the Best! (schwedischer Originaltitel: Vi är bäst!) trifft keine Schuld, dass die Verfilmung von Coco Moodyssons Comic Never Goodnight durch ihren Ehemann Lukas (Fucking Åmål) keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Die sensible Bobo mit Kurzhaarfrisur und Drahtbrille, die wilde Klara mit Irokesenschnitt und zu grossen Holzfällerhemden und die vernünftige Hedvig, die sich nichtsdestoweniger über den Verlust ihres Engelshaars freut, sind dynamische Charaktere, die der Fantasie eines Erich Kästner hätten entspringen können, die in Cornelia Funkes Wilden Hühnern nicht fehl am Platz gewirkt hätten, mit denen sich Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf wohl bestens verstanden hätte. Selbst wenn das Drehbuch ihre Entwicklung im Schlussdrittel ein wenig ausser Acht lässt und einer überhasteten Liebesgeschichte – mit obligatem Konfliktpotential innerhalb des Trios – unterordnet, schimmert die wunderbare Menschlichkeit von den Jungmimen Barkhammar, Grosin und LeMoyne hindurch.

Es lebe der Punk! Klara (Mira Grosin, rechts), Bobo (Mira Barkhammar, Mitte) und Hedvig (Liv LeMoyne) gründen 1982 im ABBA liebenden Stockholm eine Punk-Band.
© Columbus Film SA
Doch leider irrt der Plot von Moodyssons Film mehr oder weniger ziellos umher. Die überwiegend mit einer rasant geführten Handkamera gefilmten Sequenzen, die Klara und Bobo beim Proben zeigen oder ihr frühpubertär angespanntes Verhältnis zum familiären Umfeld illustrieren, verlieren ihre Wirkung durch unablässige Wiederholung. Zwar mag der Stil die abrupten Wechsel zwischen jugendlicher Langeweile und rebellischem Enthusiasmus widerspiegeln; doch es fehlt die inhaltliche Varietät, um als Einheit zu überzeugen. Der klimaktische Auftritt in einer Västeråser Turnhalle mitsamt einem Punk-Tumult – obgleich ein amüsanter, erhebender Gründungsmythos für die angedeutete Zukunft der drei Rabaukinnen – wirkt hastig hinzu gedichtet und allzu märchenhaft arrangiert. Moodyssons fadenscheiniges Skript und repetitive Inszenierung werden letztlich allein durch die Präsenz seiner herausragenden Hauptdarstellerinnen aufgewertet. We Are the Best! ist eine ziemlich frustrierende Verschwendung von solidem Figurenmaterial.

★★

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