Ja, wer sich diesen
Film in der Absicht, intellektuell stimuliert zu werden, ansehen will, wäre mit
der Betrachtung trocknender Farbe ebenso gut bedient. Doch Joffés Regiedebüt
hat den entscheidenden Vorteil eines gewissen Unterhaltungswerts – allen Klischees
und Ungereimtheiten, die sich innerhalb seiner lobenswert straffen 90-minütigen
Laufzeit tummeln, zum Trotz.
Als Aufhänger muss der
längst der Parodie zum Opfer gefallene Dramatik-Generator Amnesie herhalten: Von
der ist nämlich Christine Lucas (Nicole Kidman) befallen, seit sie vor knapp
zehn Jahren einen schweren Unfall erlitt. Wenn die 40-Jährige morgens aufwacht,
hat ihr Gehirn alle tags zuvor gespeicherten Informationen wieder gelöscht;
ihre Erinnerungen reichen knapp bis zu ihrem 20. Lebensjahr. Jeden Morgen sieht
sich Christine ängstlich und verwirrt in ihrem Zimmer um und muss sich von
ihrem ihr unbekannten Ehemann Ben (Colin Firth) über ihre Lage aufklären lassen.
Sobald er zur Arbeit gefahren ist, erhält sie einen Anruf vom Neuropsychologen
Dr. Nasch (Mark Strong), der ihr dabei helfen will, ihr Gedächtnis zurück zu
erlangen. Als ersten Schritt schlägt er ihr das Führen eines Videotagebuches
vor, was sie vor dem misstrauischen Ben geheim halten soll.
Before
I Go to Sleep verfolgt diesen Mystery-Plot – an sich
eine chronologisch korrekt angeordnete Version von Christopher Nolans Memento – mit einer beinahe rührenden
Ernsthaftigkeit, obwohl allein schon die Prämisse unzählige Fragen aufwirft:
Warum wird eine mental schwer angeschlagene Person ohne psychologischen
Beistand aus der stationären Behandlung entlassen? Weshalb lässt man sie
tagtäglich alleine gewähren? Wie überzeugend ist eine selektive Amnesie, die,
wie es scheint, Verkehrsregeln löscht, aber das Wissen über das Bus- und
Bahnsystem im Grossraum London unangetastet lässt (Christine wird zweimal fast überfahren,
findet aber problemlos nach Greenwich)? Auch die im Laufe des Films auftauchenden
Erklärungsversuche wissen kaum je zu befriedigen.
Christine (Nicole Kidman) leidet an Amnesie: Schläft sie ein, löscht ihr Gehirn alles, was sie weiss. © Frenetic Films |
Doch der Film greift
niemals nach Themen oder Ansätzen, denen er nicht gewachsen ist; Seitenhiebe
gegen die Pharmaindustrie (siehe Side
Effects) oder eine zumindest einigermassen seriöse Auseinandersetzung mit
Geschlechterrollen (Spellbound) masst
sich Joffé zu keinem Zeitpunkt an. Seine Aufmerksamkeit gilt der Form: Before I Go to Sleep ist rasant erzählt
und mit ansprechenden Bildern ausgeschmückt. Dies hinterlässt schlussendlich
aber genauso wenig Eindruck wie der Umstand, dass sich Kidman, Firth und Strong
durch eine Handlung hangeln, die zielstrebig von haarsträubenden Wendungen zu
falschen Fährten und wieder zurück eilt und sich zuletzt vollends dem
Seifenoper-Kitsch ergibt. Before I Go to
Sleep ist schlicht und ergreifend zu farblos, zu fade, zu generisch, um
sich darüber aufzuregen.
★★
★★
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