Wird über Christopher Nolan gesprochen, wird gerne der Begriff "Meisterregisseur" bemüht. Mit Filmen wie Memento, The Dark Knight und Inception mauserte sich der Brite zum populärsten Hollywood-Filmemacher der Gegenwart. Doch Interstellar, sein neuestes Opus magnum, ist eine Selbst-Demontage.
Es
war einmal ein Projekt, ersonnen von Produzentin Lynda Obst und Physiker Kip Thorne,
welches den vielleicht grössten noch unrealisierten Schritt in der wissenschaftlichen
Entwicklung des Menschen – die Eroberung des Weltalls – auf die Leinwand bannen
sollte. Steven Spielberg bekundete Interesse, tat sich mit Drehbuchautor
Jonathan Nolan zusammen und begann mit der Erarbeitung einer Rohfassung von
dem, was nun unter dem Titel Interstellar weltweit in den Kinos zu sehen ist.
Doch nach einigen Jahren der Planung wurde Spielberg von Jonathans älterem
Bruder Christopher, welcher zu diesem Zeitpunkt gerade The Dark Knight Rises,
den dritten und letzten Teil seiner Batman-Reihe abgedreht hatte, als
designierter Regisseur ersetzt; Teile des bestehenden Drehbuch-Entwurfs wurden
übernommen, andere von Grund auf überarbeitet. Ein Blick in die
Produktionsgeschichte kann vielleicht als Erklärungshilfe dafür dienen, dass Interstellar
nach knapp drei Stunden Laufzeit den Eindruck hinterlässt, man habe gerade drei
verschiedene Filme von höchst unterschiedlicher Qualität gesehen.
Da
wäre einmal das erste Drittel von Christopher Nolans Weltraum-Epos: In einer
nicht allzu weit entfernten Zukunft steht die Menschheit am Rande des
Aussterbens; Staubstürme und Pflanzenfäule bedrohen die globale
Nahrungsversorgung. Wie so viele andere ist der ehemalige Astronaut Cooper
(Matthew McConaughey) dazu gezwungen, als Bauer zu arbeiten. Diese ersten 40,
50 Minuten glänzen mit ihrer atmosphärischen Darstellung einer keineswegs
abwegigen Dystopie; Kameramann Hoyte van Hoytema weiss diese triste Zukunft in
herausragende impressionistische Bilder zu übersetzen. Verfasst wurde dieses
Kapitel offenbar weitestgehend in Eigenregie Jonathans.
Eine Schwerkraft-Anomalie im Zimmer seiner
Tochter führt Cooper in ein geheimes NASA-Labor im Untergrund, wo Wissenschaftler
(darunter Michael Caine und Anne Hathaway) eine Expedition durch ein Wurmloch in
der Nähe von Saturn vorbereiten; Interstellar wird zum
Science-Fiction-Abenteuer – das zweite Drittel beginnt. Hinter dem Wurmloch nämlich befindet sich eine fremde Galaxie,
in der potenziell bewohnbare Planeten nur darauf warten, von Cooper und einigen
anderen NASA-Piloten erforscht zu werden. Hier macht sich denn auch die Drehbuch-Mitarbeit
des diesbezüglich eher begrenzt begabten Christopher bemerkbar: Der Tonfall
wird sentimentaler, die Dialogzeilen abgedroschener; der wissenschaftliche
Fachjargon häuft sich, ebenso die von Hans Zimmers Score stimmig begleiteten Actionszenen,
in denen sich Nolan einmal mehr als begnadeter Inszenator erweist. Noch
überzeugt der Film weit gehend als grundsolide Science-Fiction-Unterhaltung.
Doch
im Schlussdrittel hebt Nolan ab, will zu viel und verschätzt sich kolossal. Eine
Reise durch die Dimensionen mündet in eine salbadernde Dreiviertelstunde voller
unerklärlich spontaner Erkenntnisse, an Selbstparodie grenzender Möchtegern-Komplexität
und haarsträubender, geradezu hanebüchen harmonischer Auflösungen; man fühlt
sich erinnert an die desaströsen Kitsch-Fabeln Cloud Atlas und Winter’s Tale.
Der Versuch, wie einst Stanley Kubrick in der konfus-brillanten, auf Ambiguität
abzielenden "Beynd the Infinite"-Sequenz in 2001: A Space Odyssey die Grenzen
der Logik zu sprengen, kann Nolan nicht gelingen: Dafür ist sein Kino zu
wörtlich, zu sehr davon besessen, jede Einzelheit erklären zu müssen. In Interstellar
wird aus dem "Meisterregisseur" ein ganz profaner Blender.
★★
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen