Lose basierend auf Alan Snows Buch Here Be Monsters!, handelt The Boxtrolls von den Titel gebenden, in Kartonschachteln gekleideten Wichteln, die sich im märchenhaften Hügelstädtchen Cheesebridge nachts aus ihrem unterirdischen Versteck an die Oberfläche wagen, um in den verlassenen Strassen und Gassen nach allerlei Gegenständen zu suchen. Gerne gesehen sind die harmlosen kleinen Tunichtgute aber nicht: Seitdem die Boxtrolle für das Verschwinden eines Babys verantwortlich gemacht wurden, werden sie als Mörder und Kinderfresser gefürchtet und der finstere Kammerjäger Archibald Snatcher (schlichtweg fantastisch gesprochen von Ben Kingsley) widmet inzwischen sein Leben ihrer Ausrottung. Was niemand ahnt: Das verschwundene Kind, "Eggs" genannt (gesprochen von Game of Thrones-Darsteller Isaac Hempstead-Wright), wurde von den Trollen liebevoll gross gezogen und es versucht, mittlerweile elf Jahre alt, zusammen mit Winnie (Elle Fanning – vielleicht die einzige Fehlbesetzung), der Tochter des Bürgermeisters (Jared Harris), Snatchers Troll-Feldzug Einhalt zu gebieten.
Wo der atmosphärische, wunderschön gemachte Coraline erzählerisch ein wenig an ein Schnitzeljagd-Videospiel erinnerte und sich der perzeptive, handwerklich ebenso virtuos gefertigte ParaNorman in seiner Schlussviertelstunde plötzlich der klischierten Action-Klimax ergab, ist The Boxtrolls – auch er optisch makellos umgesetzt – die reine Freude. Mit Hilfe der Drehbuchautoren Irena Brignull und Adam Pava kanalisieren die Regisseure Anthony Stacchi und Graham Annabie die durchaus herausfordernde Kinderfilm-Ästhetik von Künstlern wie Don Bluth, Henry Selick und Tim Burton – das Figuren-Design orientiert sich augenscheinlich an Burtons Corpse Bride – sowie an die mitunter bizarre Liebe zum Unfug, die man gemeinhin mit Monty Python assoziiert. (Ist es ein Zufall, dass der Titelsong der Feder von Python Eric Idle entstammt?)
Eggs (Stimme: Isaac Hempstead-Wright) wurde von den scheuen, unterirdisch lebenden Boxtrollen (rechts) aufgezogen. © Universal Pictures Switzerland |
Stacchi und Annabie betrachten ihr kindliches Zielpublikum
nicht von oben herab, sondern muten ihm Bilder und Elemente zu, die, wenn schon
nicht zu Albträumen, dann wenigstens zu verwundertem Stirnrunzeln führen
könnten. The Boxtrolls ist ein Film der unverhohlen abseitigen
Bezugspunkte – Archibald Snatchers Hass auf den Stadtrat rührt vom Wunsch her,
an dessen exklusiven Käse-Degustationen teilzunehmen –, der haarsträubenden Details
– Stichwort: Gigantismus durch Käseallergie –, der sich als Frauen
verkleidenden Bösewichte, der philosophischen Handlanger (Nick Frost, Richard
Ayoade, Tracy Morgan), die in einem grossartigen Meta-Kommentar während des
Abspanns die Grenzen der Filmrealität sprengen.
Explizite Gesellschaftskritik, wie sie etwa in ParaNorman geübt wurde, behält sich Laika hier vor; derweil Cheeseridge nicht ganz so eingehend etabliert wird wie das wandelbare Haus der Titelheldin in Coraline – obschon gerade die von ihren Bewohnern raffiniert zusammengezimmerte Boxtroll-Höhle mit ihrem verspielten Detailreichtum besticht. Stattdessen glänzt der Film, neben seiner ungemein erfrischenden Seltsamkeit, mit seinen anrührenden Vignetten, insbesondere zwischen Eggs und seinen Boxtroll-Kameraden – Szenen, in denen die unaufdringliche, durchwegs äusserst prägnante Musik von Dario Marianelli ihren Zweck am besten erfüllt.
Und selbst die finale Actionsequenz bleibt kurz und effektiv und stellt interessanterweise nicht die Lösung des Gut-Böse-Konflikts dar; vielmehr bildet sie den Vorlauf zu einem Ende, das man so wohl weder erwartet hat noch anderswo allzu schnell wieder sehen wird. Coraline und ParaNorman waren gute bis sehr gute Filme über das Anderssein. The Boxtrolls ist ein Film, der zurecht stolz darauf ist, selber anders zu sein.
★★★★
Explizite Gesellschaftskritik, wie sie etwa in ParaNorman geübt wurde, behält sich Laika hier vor; derweil Cheeseridge nicht ganz so eingehend etabliert wird wie das wandelbare Haus der Titelheldin in Coraline – obschon gerade die von ihren Bewohnern raffiniert zusammengezimmerte Boxtroll-Höhle mit ihrem verspielten Detailreichtum besticht. Stattdessen glänzt der Film, neben seiner ungemein erfrischenden Seltsamkeit, mit seinen anrührenden Vignetten, insbesondere zwischen Eggs und seinen Boxtroll-Kameraden – Szenen, in denen die unaufdringliche, durchwegs äusserst prägnante Musik von Dario Marianelli ihren Zweck am besten erfüllt.
Und selbst die finale Actionsequenz bleibt kurz und effektiv und stellt interessanterweise nicht die Lösung des Gut-Böse-Konflikts dar; vielmehr bildet sie den Vorlauf zu einem Ende, das man so wohl weder erwartet hat noch anderswo allzu schnell wieder sehen wird. Coraline und ParaNorman waren gute bis sehr gute Filme über das Anderssein. The Boxtrolls ist ein Film, der zurecht stolz darauf ist, selber anders zu sein.
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