Donnerstag, 8. Januar 2015

Fury

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Kriegsfilme wandeln oft nah an problematischem Heroismus und heikler Glorifizierung, gerade wenn es um den "letzten grossen Krieg" gegen Hitlers Nazideutschland geht. Dieser Darstellung tritt David Ayer in Fury mit bemerkenswerter psychologischier Tiefe und kompromisslosem Realismus entgegen.

Selten traf eine Tagline – der knappe Einzeiler, der fast jedes Filmplakat schmückt – so zu wie in diesem Fall: "War never ends quietly", steht auf dem Poster zu lesen, und Autor und Regisseur Ayer lässt in seinem 134-minütigen Drama keine Zweifel darüber aufkommen. Fury spielt im April 1945 – im selben Monat, in dem Hitler sich im Führerbunker erschoss, wenige Wochen vor der deutschen Kapitulation vor den Alliierten. Von Siegestrunkenheit ist an der Front, inzwischen im Herzen Deutschlands gelegen, nichts zu spüren: "Hard to believe we're winning this thing", grummelt Sergeant Don "Wardaddy" Collier (Brad Pitt mit einer der besten Leistungen seiner Karriere), bevor er mit der Crew seines Sherman-Panzers "Fury" zu einer neuen Mission aufbricht. Die letzte forderte das Leben eines seiner Mannen, weshalb Collier und seine Kameraden – Boyd "Bible" Swan (herausragend: Shia LaBeouf), Trini "Gordo" Garcia (Michael Peña) und Grady "Coon-Ass" Travis (Jon Bernthal in den Fussstapfen von John Cassavetes in The Dirty Dozen) – kurzfristig Verstärkung vom Bürohengst Norman (Logan Lerman) erhält. Dieser ist ein kriegsunerfahrener Frischling, nicht viel älter als die Kinder in Hitlers "letztem Aufgebot", der sich zunächst mit Händen und Füssen dagegen wehrt, andere Menschen umzubringen.

Doch im Krieg, darauf läuft Fury hinaus, geht jede Unschuld und letztlich auch jede konventionelle Moral verloren. Zwischen Mord und dem Töten von Feinden wird eine scharfe Linie gezogen, welche jeder auf seine Art rechtfertigt: Collier, ein entfernter Verwandter von Aldo Raine, Brad Pitts Zweitweltkriegs-Persona in Quentin Tarantinos Inglourious Basterds, sieht sich auf einem Rachefeldzug gegen die Gräueltaten der SS, Boyd auf einer göttlich abgesegneten Mission der Gerechtigkeit; Grady und Garcia bemühen sich darum, um jeden Preis am Leben zu bleiben. Für Norman, der zu Beginn des letzten Akts das sprechende Kampf-Alias "Machine" verliehen bekommt, wird das Niedermähen deutscher Soldaten nach und nach zu einem kruden Spass. Dass er dafür schlussendlich als Held betitelt wird, ist nichts anderes als perverse Ironie.


Sergeant Don "Wardaddy" Collier (Brad Pitt, rechts) instruiert Norman (Logan Lerman), das neueste Crew-Mitglied seines Panzers "Fury".
© Sony Pictures International
Mittels naturalistischen Dialogen und packend inszenierten Kampfsequenzen, welche nicht vor grausigen Details zurückschrecken – und die, wie in Ayers noch unmittelbarerem End of Watch, niemals zum Selbstzweck verkommen –, stürzt der Regisseur den Zuschauer mitten ins Geschehen, in dem auch hochgradig aktuelle Diskurse aufgegriffen werden: Der Film handelt nicht zuletzt von archaischen Definitionen von Männlichkeit und der performativen Seite der Gewalt. Martialische Pseudonyme, das Fleddern von "erlegten" Gegnern, die Quasi-Vergewaltigung deutscher Frauen – all dies enttarnt Ayer als verzweifelte Versuche männlicher Selbstbestätigung, als Strategie, mit dem fehlenden Heldentum der eigenen Tätigkeit umzugehen. Letzten Endes ist Fury ein Nachfahre von Bernhard Wickis Die Brücke – er erzählt von der dumpfen, sinnlosen Zwangsläufigkeit des Krieges, in dem Einzelschicksale keine Bedeutung haben und Individuen zwischen die Mahlsteine der Geschichte geraten.

★★★★

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen