Beide
Figuren scheinen in einem Vakuum zu existieren. MacKenna schliesst sich in
seinem heruntergekommenen Brooklyner Haus ein und meidet beinahe jeden
menschlichen Kontakt; Murray treibt als letzter Aufrechter durch Hollywood und
wirkt dabei so, als könne er sich nicht mehr allzu genau daran erinnern, wie es
ihn überhaupt dahin verschlagen hat. Er hält sich aus der Studio- und
Gildenpolitik weitestgehend heraus; ein von ihm persönlich ab und an abgehörter
Telefonbeantworter übernimmt die Funktion eines Agenten; selbst in inferioren
Filmen ist er zu grossartigen Leistungen fähig (Stripes, Hyde Park on Hudson).
Ein blosser Schauspieler ist der Stammgast in den eigensinnigen Filmen von Jim
Jarmusch und Wes Anderson schon lange nicht mehr; doch wann genau der Ghostbusters- und Groundhog Day-Star und einstige Saturday
Night Live-Komiker den Übergang zur Ikone vollzogen hat, lässt sich nicht
eindeutig feststellen.
Wie
MacKenna, Kriegsveteran und antipazifistisches Pendant zu Jeff Bridges' Jeff "Dude"
Lebowski, ist Murray eine überlebensgrosse Figur, deren Anwesenheit Melfis St. Vincent wesentlich aufwertet. Vom
allerersten Moment an, als Vincent einen eher durchzogenen Witz zum Besten
gibt, ist man fasziniert von diesem Charakter, welcher gestrandet scheint in
einer zu konventionellen, zu sentimentalen Geschichte – und der sich, allem
Anschein nach, selber gestrandet fühlt in einer Welt, die sich kollektiv dazu
entschlossen zu haben scheint, ihm auf die Pelle zu rücken. Es ist ein Genuss, dieser
Figur zuzusehen.
Aus
Geldnot – entstanden durch seinen ausufernden Lebensstil, der ihm auch den Zorn
der Wettmafia eingetragen hat – bietet Vincent seiner neuen Nachbarin, der
geschiedenen Maggie (Melissa McCarthy mit einem weiteren Beweis, dass sie
ausserhalb derber Komödien ihre besten Leistungen erbringt), an, nach der
Schule auf ihren zwölfjährigen Sohn Oliver (Jaeden Lieberher) aufzupassen. Für
diesen entwickelt er unverhofft (gross-)väterliche Gefühle und nimmt ihn mit in
seine Stammbar und auf die Pferderennbahn.
Vincent MacKenna (Bill Murray) kümmert sich um Oliver (Jaeden Lieberher), den Sohn seiner neuen Nachbarin. © Ascot Elite Entertainment Group |
Dem
wirken positive Aspekte wie Chris O'Dowd als wunderbar weltlich gesinnter
katholischer Schullehrer, der oft herrlich feine Humor oder die melancholischen
Momente der Magie, die Melfi in gewissen Szenen zu schaffen vermag, entgegen.
Die endgültige "Rettung" des Projekts fällt aber zweifellos Bill
Murray zu, der mit einer grandiosen, authentischen Performance begeistert, die es
verdient hat, in einem Atemzug mit seinen herausragenden Leistungen in Lost in Translation und Hyde Park on Hudson genannt zu werden –
vom mässig lustigen Witz zu Beginn bis zum mitgemurmelten "Shelter from
the Storm" im Abspann. Es steckt ein Stück Murray in diesem Vincent
MacKenna, das weit über beiläufige Ähnlichkeiten hinaus geht, das tiefer greift
als es der ihn umgebende Film je könnte.
★★★
★★★
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