Das Rad erfinden Richard Glatzer und Wash Westmoreland mit ihrem Melodrama um eine an Alzheimer erkrankte Linguistikprofessorin zwar nicht neu, doch Still Alice wird dank seiner Feinfühligkeit, seiner Emotionalität und der grandiosen Schauspielleistung Julianne Moores in der Erinnerung haften bleiben.
Schon seit einigen Jahren geistert das Thema Alzheimer durch die Produktionen Hollywoods: Im dritten Akt von Barney's Version (2010) wurde der Titelheld von der schweren Demenzkrankheit ereilt; 2011 litten sowohl in der Beziehungskomödie Friends with Benefits als auch im Science-Fiction-Drama Rise of the Planet of the Apes zentrale Vaterfiguren daran. Doch zum Hauptkonflikt wurde sie bislang noch kaum je erhoben (Ausnahme: Away from Her, 2007) – zu schwierig ist es wohl, das pathologische Vergessen in eine klassische Handlung einzubetten, zu gross das Risiko, dass die Erzählung entweder ins Bevormundende oder aber ins Sentimentale abdriftet. Nun haben sich Richard Glatzer und Wash Westmoreland (The Fluffer, Quinceañera, Pedro, The Last of Robin Hood) mit einer Adaption des Romans Still Alice von Lisa Genova – einer Autorin, die sich auf Protagonisten mit neurologischen Störungen spezialisiert hat – auf das Wagnis eingelassen.
Das Resultat ist geschmackvoll und anrührend, wenn auch offenkundig ein Projekt, bei dem, ähnlich einer Dokumentation, die Thematik dem dramaturgischen Inhalt klar übergeordnet ist. Die stilsicher inszenierte Geschichte der Columbia-Dozentin Alice Howland (die oscarprämierte Julianne Moore), bei der im Alter von 50 Jahren eine seltene vererbbare Form von Alzheimer diagnostiziert wird und die sich zusammen mit ihrem Ehemann (Alec Baldwin) und ihren drei erwachsenen Kindern (Kate Bosworth, Hunter Parrish sowie die eher enttäuschende Kristen Stewart) den Herausforderungen der Erkrankung stellt, ist, bei allen erzählerischen Feinheiten, in erster Linie ein Anschauungsbeispiel – ein filmisches Vehikel, mit dem einem breiten Publikum die Realität eines Lebens unter dem Damoklesschwert einer unheilbaren Krankheit näher gebracht werden soll. (Glatzer selber lebt mit dem Nervenleiden ALS, welches unlängst im Stephen-Hawking-Biopic The Theory of Everything beleuchtet wurde.) Gewisse Dialoge – insbesondere jene, in denen Alice über die verschiedenen Symptome, Ausprägungen und Behandlungsmethoden von Alzheimer aufgeklärt wird – sind im Stil von Interviews gefilmt; wer sich noch nicht eingehend mit dem Thema auseinandergesetzt hat, wird das Kino informierter verlassen als er oder sie es betreten hat.
Bei der 50-jährigen Linguistik-Dozentin Alice Howland (Julianne Moore) wird unerwartet Alzheimer diagnostiziert – ein schwieriger Kampf gegen das Vergessen beginnt. © Frenetic Films |
★★★
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