Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.
Sein Erstlingsroman The Beach bescherte dem Briten Alex Garland 1996 einen Überraschungserfolg; der von ihm geschriebene Film 28 Days Later gilt als eines der besten Genrewerke des neuen Jahrtausends. Nach Ex Machina, seinem ersten Gehversuch als Regisseur, drängt sich die Frage auf: Warum erst jetzt?
Dass sich gerade für gelernte Autoren ein Disziplinenwechsel als tückisch herausstellen kann, musste vor knapp einem Jahr Garlands Landsmann Hossein Amini feststellen: Gefeiert für seine Drehbücher zu Jude, The Wings of the Dove, The Four Feathers und Drive, versuchte er sich an einer Adaption von Patricia Highsmiths The Two Faces of January, die zwar mit erzählerischen Kniffen und anregenden Wendungen zu unterhalten wusste, letztlich aber ein allzu steif inszeniertes, blutleeres Konstrukt blieb. Doch derartiges widerfährt Garland in seinem Regiedebüt nicht – etwaige Schwächen von Ex Machina liegen eher bei der Inszenierung als beim Drehbuch.
Angesiedelt in einer nahen Zukunft, in der nicht Google, sondern das fiktive "BlueBook" der mächtigste Technologie-Konzern der Welt ist, erzählt das intensive Science-Fiction-Kammerspiel vom jungen BlueBook-Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson), der nach dem Gewinn eines firmeninternen Preisausschreibens die Chance erhält, eine Woche lang mit CEO Nathan Garrick (ausgezeichnet: Oscar Isaac) in dessen abgeschiedenem Anwesen zusammenzuarbeiten. Die Aufgabe, die das kumpelhafte Genie für Caleb bereit hält, hat es in sich: Garrick hat einen menschenähnlichen Roboter (Alicia Vikander) geschaffen, den er Ava getauft hat und den sein Gast nun dem sogenannten "Turing-Test" unterziehen soll. In einer Reihe von Gesprächen soll Caleb ermitteln, ob Ava wirklich fühlt oder ob in ihrem synthetischen Hirn doch nur eine raffinierte Simulation abläuft. Garlands – enorm filmischer – Plot kommt ins Rollen, als der sensible Android sein Gegenüber davor warnt, Nathan zu vertrauen.
In seiner angestammten Funktion als Autor befindet sich Garland in solider, wenn auch nicht in exzellenter Form. Ex Machina besticht als äusserst seriöser Eintrag ins Sci-Fi-Genre, welchem seine thematischen Dimensionen mindestens ebenso wichtig sind wie sein Unterhaltungswert. Wie unlängst in Spike Jonzes Her wird auch hier die scheinbar fundamentale Trennlinie zwischen Mensch und Maschine kritisch überdacht – wenn ein Roboter natürliche Intuition reproduzieren könnte, was spräche dann noch dafür, ihn nicht als lebendes Wesen anzuerkennen? Ist die nächste Stufe der menschlichen Entwicklung artifiziell? Entreisst der Homo sapiens der Natur somit, geradezu prometheisch, das Primat der Evolution? Auch die Anklänge an Nietzsche und die alttestamentarische Schöpfungsgeschichte – Caleb hält in Nathans privatem Eden sieben (!) Sitzungen mit Ava/Eva ab – tragen ihren Teil zur inhaltlichen Faszination von Ex Machina bei. Darüber hinaus verfügt der Film über eine straffe, stringente Handlung, welche die Erwartungshaltung des Publikums exakt zu erahnen und den Fortlauf der Geschichte entsprechend zu manipulieren scheint. Garland kennt die Topoi und lässt Zuschauer-Vermutung um Zuschauer-Vermutung gnadenlos auflaufen. Der Nachteil dieser klugen Plot-Konzeption jedoch ist, dass sie Spannung auf eine Auflösung schürt, die niemals gänzlich befriedigt werden kann.
★★★★★
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